mit dem Buch „Der Morgen gehört uns“ von Davide Coppo.

// Davide Coppos Roman „Der Morgen gehört uns“ ist ein fesselndes und beklemmendes Porträt einer Jugend, die sich in der Suche nach Identität und Zugehörigkeit auf einen gefährlichen Pfad begibt. Der Roman taucht tief in die Psyche eines jungen Mannes ein, der, trotz einer behüteten Kindheit, nach rechts abdriftet – ein Thema, das in der heutigen Zeit aktueller denn je ist. Ettore, der Protagonist, steht kurz davor, 18 zu werden und erlebt einen Sommer, der sein Leben für immer verändern wird. Auf den ersten Blick scheint Ettore ein gewöhnlicher Junge aus gutem Hause zu sein. Doch hinter der Fassade verbirgt sich eine tiefe Unsicherheit, genährt von den Spannungen zwischen seinen Eltern, die kaum noch miteinander sprechen, und einer Welt, die ihm zunehmend fremd erscheint. Die einzige Konstante in seinem Leben ist seine Großmutter Elsa, der er all seine Ängste und Gedanken anvertraut – zumindest bis zu dem Moment, als er in die Fänge der Federazione, einer faschistischen Jugendorganisation, gerät. Es ist ein eindringliches Plädoyer dafür, hinzusehen und zu verstehen, bevor es zu spät ist.
Die Begegnung mit Giulio, einem charismatischen Mitschüler, markiert den Wendepunkt in Ettore’s Leben. Giulio bietet ihm das, was er bisher vermisst hat: Gemeinschaft, Anerkennung und eine scheinbar klare Richtung. Der schleichende Übergang vom unschuldigen Jungen zum radikalisierten Jugendlichen wird von Coppo in einer atmosphärisch dichten und beunruhigenden Erzählweise geschildert, die den Leser förmlich in die Gedankenwelt des Protagonisten hineinzieht. Ettore fühlt sich erstmals stark und bedeutend, als er Seite an Seite mit Giulio und den anderen auf die Straße geht, um für das zu kämpfen, was er für gerecht hält. Doch diese Stärke ist trügerisch und mündet schließlich in eine Spirale aus Hass und Gewalt, die Ettore immer weiter von seiner Familie und vor allem von Elsa entfernt. Coppo versteht es meisterhaft, die Ambivalenz und die gefährliche Faszination extremistischer Ideologien darzustellen. Er zeigt, wie leicht eine verletzliche Seele in den Sog radikalen Denkens geraten kann und welche katastrophalen Folgen das für das Individuum und sein Umfeld haben kann. Der Roman ist nicht nur eine packende Erzählung, sondern auch eine dringende Warnung vor den Gefahren, die in der Gesellschaft lauern, wenn Orientierungslosigkeit und Verzweiflung auf manipulatives Gedankengut treffen. Die Übersetzung von Jan Schönherr fängt die Intensität und Nuancen von Coppos Prosa hervorragend ein und macht „Der Morgen gehört uns“ zu einem Werk, das unter die Haut geht. Auf knapp 250 Seiten gelingt es Coppo, eine Geschichte zu erzählen, die weit über die Lektüre hinaus nachhallt und den Leser dazu zwingt, über die subtilen Mechanismen der Radikalisierung nachzudenken. „Der Morgen gehört uns“ ist ein erschütterndes und wichtiges Buch, das aufwühlt und aufrüttelt.
UND WAS NUN?