// angela unter uns

Strahlender Sonnenschein bei CSU- blauem Himmel und fast 5000 Würzburger in Volksfeststimmung, die ihrer Kanzlerin in weiten Teilen begeistert zujubeln- so kann man den Besuch unserer Angela in einem Satz zusammenfassen. Der untere Markt platzte förmlich aus allen Nähten, und wer einen guten Platz mit freier Sicht auf die Bühne ergattern wollte, hatte schon ab […]

Strahlender Sonnenschein bei CSU- blauem Himmel und fast 5000 Würzburger in Volksfeststimmung, die ihrer Kanzlerin in weiten Teilen begeistert zujubeln- so kann man den Besuch unserer Angela in einem Satz zusammenfassen.
Der untere Markt platzte förmlich aus allen Nähten, und wer einen guten Platz mit freier Sicht auf die Bühne ergattern wollte, hatte schon ab fünfzehn Uhr keine guten Karten mehr. An einen Sitzplatz im umzäunten VIP- Bereich war für den Normalowürzburger eh nicht zu denken, diese Plätze waren der Stadtprominenz sowie den strammsten CSU-Anhängern vorbehalten.
Verschiedene Sicherheitsvorkehrungen und die Präsenz von gefühlten 8000 Polizisten sorgten dafür, dass es von kleinen Zwischenfällen mal abgesehen eigentlich recht ruhig zuging am Marktplatz, trotz der vielen Zuschauer. Dass man mit einer solchen Menschenmasse nicht gerechnet hatte, zeigte schon die sehr ungünstige Platzierung diverser Schankwägen und Bratwurstbuden im direkten Sichtfeld der Zuschauer in den hinteren Bereichen. Die Würzburger standen dann auch bis zum oberen Markt und bis in die Seitengassen.

Da Angela Merkel im Rahmen des CSU Wahlkampfes zur Europawahl nach Würzburg gekommen war, und die CSU sich bekanntermaßen gerne Volksnah gibt, mussten die Besucher ab ca. 16 Uhr zunächst ein recht niveauloses Vorprogramm der „Dorfrocker“ über sich ergehen lassen. Der Musikgeschmack jedes einzelnen ist ja etwas sehr persöhnliches, und wer auf diese Art von Musik steht soll sie hören. Aber unsere Angela hätte schon etwas besseres verdient. Was auf dem Oktoberfest Spaß macht, denn daher sind die Dorfrocker den meisten wohl noch ein Begriff, taugt noch lange nicht bei einer politischen Veranstaltung. Wo so was möglich ist, braucht sich in der CSU keiner zu wundern, warum der Partei und ihrer Anhängerschaft in großen Teilen Deutschlands immer noch der Ruf der ständig betrunkenen Bauernhorde vorauseilt, die ihr Land lieber heute als morgen zum Königreich erklären und meterhoch einzäunen würde. Naja, die Stimmung blieb überschaubar beim Auftritt der Dorfrocker, die übrigens aus den Haßbergen kommen. Wenigstens hat keiner randaliert.

Um kurz nach 17 Uhr war es dann endlich so weit. Horst Seehofer übergab nach einer kurzen Einleitung das Wort an unsere Kanzlerin, die in Begleitung der halben Franken-CSU angereist war. Für alle, die Angela Merkel noch nicht live erleben durften, wurde recht schnell klar, warum gerade diese Frau aus dem Osten Deutschlands, die in den Medien ja gerne mal als sauertöpfische Landpommeranze mit massiven Durchsetzungsschwierigkeiten dargestellt wird, unser Land regiert. Sie hat eine enorme Bühnenwirkung und ist, gerade was Wahlkampf angeht, ein Vollprofi. Da werden störende Zwischenrufe eiskalt abgeschmettert oder einfach stoisch ignoriert- irgendwann ist schon wieder Ruhe. Das beeindruckt. Vor allem die älteren Zuhörer, deren Leistung beim Wiederaufbau der Stadt von Frau Merkel gleich zu Beginn der Rede gewürdigt wurde, schienen vom Auftritt unserer Angela recht angetan. Überhaupt waren unter den Zuhörern recht viele ältere Semester.

Die Rede der Kanzlerin war ein Querschnitt durch alle aktuellen politischen Themen, wobei die wichtige Rolle der EU in allen Bereichen hervorgehoben wurde.
Gerade in der Wirtschaftskrise profitiere Deutschland von Europa und speziell dem Euro, genauso wie Europa von einer starken Wirtschaft in Deutschland profitiere und diese als Motor brauche. Die Kanzlerin betonte im Rahmen ihrer Rede noch einmal, wie wichtig die Rettungspakete für die deutschen Banken gewesen waren, und gab sich zuversichtlich, dass die Bürger einen großen Teil des hierfür investierten Geldes in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wieder zurückbekommen würden. Den Reaktionen der Anwesenden nach zu urteilen war sie mit dieser Meinung aber alleine. Es wurde gebuht und teilweise herzhaft bis bitter gelacht.
Der ein oder andere Besucher hätte sich ganz offensichtlich gewünscht, gerade in der Diskussion um den Milchpreisstreit in Europa eine konkrete Stellungnahme von Frau Merkel oder auch Herrn Seehofer zu erhalten. Eine große Zahl an Plakaten und Fahnen zu diesem Thema machten dies deutlich. Aber mehr als die Versicherung, zusammen mit dem Bayrischen Ministerpräsidenten alles zu tun, um den Milchbauern zu helfen, war ihr das Thema an diesem Nachmittag nicht wert. Wäre wahrscheinlich auch nicht im Interesse des Wählkampfes gewesen. So hören sich Floskeln an, und die anwesenden Bauern und Bäuerinnen aus der Region waren sichtlich verärgert und enttäuscht.

Lautstark um die Aufmerksamkeit der Kanzlerin buhlte auch eine Gruppe von Studenten, die sich als selbsternannte „Bildungsopfer“ mit Parolen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung raubt“ bemerkbar machten. Sie schafften es immer wieder, Merkel zu Sprechpausen zu zwingen. Diese betonte die Wichtigkeit von Bildung und die Pflicht des Staates, in diese zu investieren. Mit Blick auf die Protestler erklärte sie aber, dass jeder froh sein solle, der in Bayern in die Schule gehen könne. Der habe wenigstens ein gescheites Abitur. Im Übrigen sei es den Unzufriedenen jederzeit problemlos möglich, in ein anderes europäisches Land auswandern- auch so ein Vorteil der EU- und zu schauen, ob es da so viel besser sei.
Die Reaktionen der anwesenden Zuhörer zu den Protest der Studenten war gemischt, eine Gruppe von Rentnern zumindest war der Meinung, dass es den „Bildungsopfern“ so schlecht gar nicht gehen könne, immerhin hätten sie ja noch genug Geld für Bier und Zigaretten übrig.

Mit der Aufforderung Merkels an die Würzburger, doch bitte am 7. Juni zur Europawahl zu gehen, hätte die Veranstaltung nun enden können. Das tat sie aber nicht, denn scheinbar lässt man derartige Veranstaltungen mit dem Singen von Hymnen ausklingen. Sonderbarerweise schien Frau Merkel mit dem Text der Bayernhymne keine Schwierigkeiten zu haben, ganz anders als viele der restlichen Anwesenden. Landeshymnen gehören scheinbar zum Kanzlerrepertoir.

Alles in allem war der Auftritt von Frau Merkel sicherlich recht gelungen, vor allem mit Blick auf die Europawahl. Denn trotz der Proteste gegen Milchpreis, Studiengebühren und Co machten die Würzburger Bürger einen recht zufriedenen Eindruck, nicht wenige waren sogar restlos begeistert von unserer Kanzlerin. Dass es sich dabei mehrheitlich um Parteigänger der CSU handelte, brauchet man nicht extra zu erwähnen. Es war ja auch ihre Veranstaltung.
Würzburg kann zumindest stolz auf seine vielen Bürger sein, die, ob restlos begeistert oder eher kritisch reserviert, gezeigt haben, dass es in Würzburg politisches Interesse und Meinungsvielfalt gibt.

// anne