// zuckerbeat vol. (1)10 – lust for life

Huch, wer seid ihr denn? Gibt’s das? Girls, die ihr erstes Album „Album“ nennen. Klingt pragmatisch. Ist es auch. Pragmatisch in Sachen Hitqualität. Was nicht nach Partyformat schmeckt, wird einfach aus der Wohnung gekegelt. Ist wie mit alten Socken. Oder Fotos der Ex. Oder Pizzaschachteln mit Schimmelresten. Die Girls haben keinen Bock auf Herzschmerz, wenn […]

girlsHuch, wer seid ihr denn? Gibt’s das? Girls, die ihr erstes Album „Album“ nennen. Klingt pragmatisch. Ist es auch. Pragmatisch in Sachen Hitqualität. Was nicht nach Partyformat schmeckt, wird einfach aus der Wohnung gekegelt. Ist wie mit alten Socken. Oder Fotos der Ex. Oder Pizzaschachteln mit Schimmelresten. Die Girls haben keinen Bock auf Herzschmerz, wenn überhaupt verspüren sie eine sanfte Melancholie, die dann mit einer gehörigen Portion „Lust For Life“ zurückschlagen wird. Das Video zum gleichnamigen Song ist übrigens das Schönste des Jahres. Es macht einfach Spaß. Reißt dich in eine weich gezeichnete Scheinwelt, in der alle Menschen im eigenen Wohnzimmer Belle & Sebastian auflegen und wie wild im Kreis herum hüpfen. „Album“ ist eine Partyplatte mit ganz viel Soul. Bisweilen erinnert einen die Musik an den Sound der Smiths oder der Pains Of Being Pure At Heart. Girls machen Musik für Studentenpartys, die ihren Höhepunkt bereits überschritten haben. Für den Moment, wenn man verstrahlt auf dem Sofa sitzt und sich das Muster der Zimmerdecke einprägt, während um einen herum eine Kissenschlacht startet. Und da sitzt man dann – im Antlitz des Federnregens. Lehnt sich zurück und versinkt in himmelblauen Gedanken. Ein Album zum Liebhaben – hemmungslos, hoffnungslos süß.

cymbals-eat-guitars-mountainsCymbal Eat Guitars haben es da nicht ganz leicht, hinterher zu kommen. Ihr Album „Why There Are Mountains“ wird zwar ebenfalls von allen einschlägigen Gazetten zum heißesten Scheiß der Gegenwart ernannt, aber große Vorschusslorbeeren sorgen eben bisweilen schon mal für Ernüchterung bei der werten Indie-Pop-Gemeinde. Alles in allem wird man mit diesem Werk hier nur warm werden, wenn man ihm ein paar Durchläufe schenkt. Dann ergibt alles plötzlich Sinn. Die Gitarrenwände, die bisweilen etwas übertriebene, produktionstechnische Fassade der Songs, die U2-Anleihen lösen sich nämlich in Wohlgefallen auf, wenn man sich die Songs erstmal frei geschaufelt hat. Dann machen sie einem sympathischen Wohlgefühl Platz, dessen größte Stärke darin liegt, dass die Band vor lauter Kleisterarbeiten am Sound nicht vergessen hat, dass man auch einfach mal beschwingt in der Gegend herum trällern kann. Alles in allem lebt dieses Album von dem Widerspruch einerseits die Grenzen des Equipments auszuloten, andererseits will die Band aber auch ihrer ungestümen Art freien Lauf zu lassen. Das schafft Reibung. Das macht´s spannend.

stereo-totalUnd wer hätte bittschön gedacht, dass Stereo Total noch mal ein halbwegs erträgliches Album veröffentlichen. Ich jedenfalls nicht. „No Controles“ allerdings ist gut bestückt mit schmissigen Indie-Kratzbürsten, die sich am Körper des Hörers reiben. Reibung erzeugt vor allem der Umstand, dass sich der französische Akzent ihrer Musik diesmal dem spanischen Liedgut annähert. Das klingt so herrlich verschroben, dass man gar nicht anders kann, als zu den Tanzbodenstampfern hier die Hüften zu schwingen. Alles in allem muss man sich zwischenzeitlich allerdings auch mal fragen, ob ein Song, wie das flippige „Bailamos En Cuadrado“ jetzt schon wieder charmant oder einfach nur nervig ist. Wie da immer wieder die gleiche Zeile in Endlosschleife an die Pforten der Box klopft, da verreckt der Witz bisweilen schon im Ansatz. Freunde von Stereo Total sollten dennoch blind zugreifen, Neueinsteiger erstmal einen Durchlauf riskieren. Alles in allem ein netter Zeitvertreib für all jene, die immer noch der guten alten Zeit in der örtlichen Indie-Disse nachtrauern, als noch nicht ununterbrochen die neue Single von Paramore die aufgeheizte Menge in Ekstase versetzte.

rantanplanWer sich derweil schon mal auf den 29. Dezember dieses Jahres vorbereiten möchte, an welchem die Ska-Raketen von Rantanplan in der Würzburger Posthalle auftreten, der kann sich schon mal das aktuellen Live-Album der Band reinziehen. Die Band ballert einem auf „Halt´s Maul, mach Musik“ 27 grölfähige Hymnen aus der 15jährigen Bandgeschichte um die Ohren, weshalb auch so wunderbare alte Kracher, wie „Ich erinner mich an alles“ wieder mal aus der Kiste gekramt werden. Insgesamt der perfekte Sound, um sich gedanklich zurück in die wärmenden Hände der Sommerfestivals zurück zu beamen oder einfach nur einen Ententanz um die nächste Regenpfütze zu fabrizieren. Da geht die Sonne auf. Partypunk für Fortgeschrittene. Also dann. Maul halten. Musik für sich selbst sprechen lassen.

krautrock-masters_and_echoes_-300x300Dass derweil endlich mal jemand das Genre Krautrock in passgenaue Häppchen zerstückelt und noch mal auf die hungrige Meute loslässt, darauf haben ja insgeheim schon viele gewartet. Nun also ist es soweit. Auf „Krautrock – Masters + Echoes“ findet sich alles, was in der Szene Rang und Namen hat(te). Die „Masters“-Scheibe liefert das volle Programm in Sachen Vergangenheitsbewältigung. Alle sind am Start: Neu!, Guru Guru, Amon Düül II und Embryo. Wer sich bisher noch nicht mit dem ausufernden Sound der Jungs beschäftigen konnte, sollte das unbedingt nachholen. Wohl rationiert fungiert dieses Teil hier als charmanter Startschuss für weitere Nachforschungen. Dazu gibt es auf der „Echoes“-Scheibe noch die Infizierten: The Horrors, Jesus And The Mary Chain, Gravenhurst, LCD Soundsystem, Terranova und International Pony. Der Einfluss dieser Musik auf die popkulturelle Gegenwart ist enorm. Mit diesem Sampler wird deutlich, wie sehr. Ein Rundum-Glücklich-Paket für verstrahlte Nächte. Von dieser Musik sollte man sich einfach nur treiben lassen.

expedriateExpatriate machen darauf erstmal ordentlich Druck. Gleich zu Beginn wird in bester Indie-Glückseligkeit drauf los gepoltert, dass man sich in ein weißes Bettlaken stürzen und als nimmermüder Geist vergangener 90er Jahre Indierockzeiten die Nachbarn mit dem Dröhnen des Gitarrenfeedbacks aus dem Schlaf reißen möchte. „Get Out Give In“ und ich bin mittendrin. Verdammt! Was für ein Auftakt – im Anschluss hätten die Jungs dann zwar gerne mal ein paar Misstöne im Soundgewand unterbringen können und sie drehen bisweilen auch ein bisschen zu stark an der Killers-Schraube, aber Spaß macht die Scheibe trotzdem. Wer auf der Suche nach neuem Futter für die Indie-Disco-Tanzflächen der Nation ist, bekommt auf „In The Midst Of This“ das volle Programm um die Ohren gehauen. Songs über „Schmerz, Leid, Unzufriedenheit – und natürlich Mädchen“. Gut gebrüllt, Löwe. Indierock-Thron – mach dich auf Nachschub gefasst.

zweohrEtwas weniger umwerfend, dafür äußerst vielseitig geht’s auf dem neuen Soundtrack zu „Zweiohrkücken“ zu. Der Film strotzt ja nur so vor Klischees, dafür wurde aber zumindest soundtechnisch für eine recht gelungene Untermalung gesorgt. The Tunics machen Mando Diao Konkurrenz und Plushgun sorgen für ein sanftes Säuseln im Ohr. Ebenso gelungen sind die Tracks von Better Than Ezra und Roman Fischer. Zwischenrein ein paar Kompositionen aus dem Original Score und dazu viel Kurzweil a la Amy Macdonald. Insgesamt lässt sich sagen: auch wenn ich auf Paul Van Dyk und Schiller gerne verzichtet hätte. Das perfekte Weihnachtsgeschenk für Menschen, die sich sonst nicht so sehr für Musik interessieren.

pillow_coverPillow Fight Club wiederum wandeln zum Abschluss auf dem schmalen Grad zwischen C86-Mixtape-Nonchalance und romantischen Hymen, die immer spröde genug sind, um auch beim zehnten Durchlauf noch einen a ha – Effekt beim Hörer auszulösen. Freunde von Sonic Youth kommen hier ebenso auf ihre Kosten, wie Menschen, die immer noch gerne die alten „Immergutrocken“-Sampler aus dem Schrank kramen, um sich in nostalgische Stimmung zu versetzen. Alles in allem ist „About Face And Other Constants“ die perfekte Platte, um sich die Zeit zwischen zwei Durchläufen Pains Of Being Pure At Heart mit einer Portion romantischen Lärms zu vertreiben. Ein Album zum Liebhaben. Also kuschelt euch ein. Bis zum nächsten Zuckerbeat.