Get Well Soon wird ja hin und wieder vorgeworfen, er würde seine Stücke allzu sehr zukleistern – mit Sounds und vor allem mit Gefühl. Das wirkt auf die Dauer leider etwas ermüdend. „Vexations“ ist demnach auch wieder ein echter Brocken von Album geworden. Die Leichtigkeit, die beim Vorgänger noch in Nuancen aufblitzte, scheint verflogen. Stattdessen steuert die Scheibe immer auf das ganz große Gefühl zu. Stellt sich nur die Frage: Wer soll so viel Herzschmerz und große Momente aushalten soll, ohne verzweifelt unter die Bettdecke zu kriechen und die Welt mit Ignoranz zu strafen. Bitte nicht falsch verstehen: Dosiert eingesetzt entfalten Stücke, wie der klebrige Opener oder das pulsierende „We Are Free“ mit ihren Engelschören durchaus ihren Charme. Aber leider krankt das Album daran, das hier ein Höhepunkt auf den nächsten folgt. Zuviel Zucker macht Bauschmerzen. Etwas Zeit zum Durchschnaufen hätte der Scheibe nun wirklich nicht geschadet. Und auch die schönste Melodie fällt einem irgendwann auf die Nerven, wenn man immer wieder aufs Neue von ihr überrannt wird. Deshalb am besten die schönsten Stücke in dosierter Form aufs nächste Mixtape packen. Vielleicht kriegt einen das Album dann ja im Lauf des Jahres. Vielleicht nehme ich dann auch alles zurück, was ich hier geschrieben habe. Zum gegeben Zeitpunkt ist „Vexations“ aber einfach zu viel des Guten.
Die White Rabbits schließt man derweil sofort ins Herz, wenn sie auf ihrem Zweitling da anfangen, wo sie beim Debüt aufgehört haben. Eine Prise Radiohead, eine Hand voll Foals und eine Hymne Strokes. Das Album klingt so zeitgemäß, dass sich jede Crowd in der örtlichen Indie-Disse darauf einigen dürfte. Die Songs werden außerdem immer von einer charmanten, abseitigen Klangeskapade gekontert und wirken damit bejubelnswerter, als das gleichförmige Gejammer von den werten Kollegen aus den Blogs, die meinen, ein hektisches Schlagzeug und etwas Gesäusel würde schon den nächsten großen Hype rechtfertigen. Die White Rabbits zielen mit diesem Album auf Langlebigkeit. Einen Durchlauf im Antlitz der Tanzflure wird ihnen trotzdem niemand verwehren. „It´s Frightening“ – kein bisschen.
Strong Arm Steady wurden derweil von niemand geringerem als Madlib soundtechnisch unterstützt und präsentieren auf „In Search Of Stoney Jackson“ einen imposanten Mix aus zurückgelehnten Sounds und entspannter Chill Out-Schnauze. Wie die Scheibe schon losgeht: „Best Of Times“ – ein Schunkler vor dem HipHop-Herren. Snoop Dogg würde verzückt übers Gras hüpfen. Nachfolgend weisen platzierte Soul-Samples den Weg durch die 19 Tracks, die jedem ein Lächeln ins Gesicht zaubern, der sich zu Sprechgesang lieber aufs Sofa verzieht, als die Clubs unsicher zu machen. Rap zum Hinhören. Mit freundlicher Unterstützung von Talib Kweli himself. Da konnte ja nichts schief gehen.
Klassische Musik findet derweil immer mehr Zuspruch im Popsektor und wenn man mal davon absieht, dass da in der Vergangenheit ziemlich viel in die Hose ging, ist es umso bemerkenswerter, dass dem Fauré Quartett der Brückenschlag zwischen „Popsongs“ und Klassik so vortrefflich gelungen ist. Da wird nicht einfach plump nachgespielt, sondern das jeweilige Motiv von den Pet Shop Boys („Dreaming Of The Queen“) über Feist (Gatekeeper“) bis hin zu N.E.R.D. („Wonderful Place“), Ryan Adams (Amy“) und Polarkreis 18 („River Loves The Ocean“) imposant auf Piano, Geige, Bratsche und Cello übersetzt. Schön auch zu sehen, dass hier nicht nur die offensichtlichen Charthits der jeweiligen Bands auf dem Tonträger platziert wurden. Das macht am Ende neugierig und zeugt davon, dass man in Sachen Klassik und Pop in Zukunft noch so einiges erwarten darf.
Die Eels üben sich derweil daran, ihr kreatives Schaffen nahezu im Jahrestakt auf die treue Hörerschaft abzufeuern. Protagonist Mark Oliver Everett a.k.a. „E“ macht auf seinem neuen Album „End Times“ eine gewohnt gute Figur – zumindest wenn es darum geht, das eigene Outsider-Image zu fördern und dem Spätwerk von Johnny Cash die letzte Ehre zu erweisen. Der geborenen Außenseiter bietet „buisness as usual“ und dürfte dafür von seinen Fans gefeiert werden, als ob es kein Morgen gäbe. In der eigenen Nische lebt es sich eben doch am Besten. Die Scheibe droht nie langweilig zu werden, weil „E“ gekonnt das Tempo variiert und sich auch textlich mal wieder einige raffinierte Momente aus den endlosen tiefen seines ollen Bartes schält. Ich jedenfalls kann mit dieser Scheibe äußert gut den nimmer enden wollenden Winter vor der Haustür als zauberhaftes Geschenk des Himmels verklären.
Und erfreue mich hinterher am neuen Werk von Tommy Finke, der auf „Poet der Affen / Poet Of The Apes“ ein und dasselbe Album gleich zweimal in unterschiedlichen Sprachen darbietet. Beide Alben bieten das perfekte Futter für all diejenigen, die hoffnungslos am Sound der 60er kleben. Die deutschsprachige Scheibe könnte dabei auch all jene mitten ins Herz treffen, die Rio Reiser schon immer geil fanden, sich aber irgendwann aufgrund der hohen Balladendichte von ihm abwandten. Spätestens bei der Oasis-Hommage „Stop The Clocks“ wird es zwar etwas kitschig, wenn da Zeilen erklingen, wie „Halt alle Uhren an, hier kommt der Masterplan“, aber dann versetzt man sich einfach in die Live-Situation – und dann wird man dieses Stück feiern. Als größtes von allen. Und zwar gerade wegen dieses viel zu groß geratenen Kitschfaktors.
Genepool wollen sich dann hinterher die Krone krallen, die den Gods Of Blitz zuletzt leider verwehrt blieb. Beatsteaks in tanzbar könnte man die Mucke schimpfen. „Lauf! Lauf!“ laaaaauuuuuuf… verdammte scheiße. Was für ein Auftakt. Da klebt der rechte Socken plötzlich an dem schweiß-versifften Clubhimmel, weil einem beim Herumspringen die Socken abhanden kamen. Selbige zieht einem dann im weiteren Verlauf leider kein Song mehr aus, trotzdem gewinnt das Album mit jedem weiteren Durchgang. Die ollen Anleihen an Gang Of Four gepaart mit charmanten Pop-Punk-Melodien der Marke The Clash, machen auch beim zehnten Durchlauf noch Spaß. Alles in allem ein äußerst gelungen (Ska)-Rock-Werk mit ordentlich Feuer unterm Popo. Alles in allem: pompös, das Getös.
Da muss man hinterher aus Liebe zu den alten Zeiten doch gleich den neuen Silberling aus dem Hause Blondie in die Player-Buchse schmeißen. Wirken gar nicht so staubig, wie erwartet, die ollen Schmonzetten der Marke „Call Me“, „Sunday Girl“ und „Hanging On The Telephone“ noch mal aufs Brot geschmiert zu bekommen. „Blondie Singles Collection: 1977-1982“ versammelt alle großen Hits der verqueren New Waver aus New York, deren Einfluss bis heute nachwirkt. Schön auch, dass das unsägliche Comeback namens „Maria“ hier nicht drauf ist. Bands im Legendenmodus sollten einfach nicht auf Comebackmodus schalten. Viel zu oft kommt da nur scheiße bei heraus. Hier allerdings gibt’s ganz großes Kino. Nachzuhören auf dem hier vorliegenden Nostalgieflash der Woche. Glückwunsch und damit Schluss für heute, bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?