// zuckerbeat vol. (1)19 – ich bin bis auf weiteres eine demonstration

Die „Welt verbrennt“ und Festland scheinen sich einen feuchten Dreck darum zu scheren. Gibt ja schließlich eine charmante Rücklauf-Funktion im Pop, mit der man sich einfach wieder in die 80er katapultieren kann, um dort ein bisschen auf die Kacke zu hauen. Ergüsse aus dem Poesialbum treffen hier auf Porno-Pop im House-Gewand. Man merkt den Jungs […]

festlandDie „Welt verbrennt“ und Festland scheinen sich einen feuchten Dreck darum zu scheren. Gibt ja schließlich eine charmante Rücklauf-Funktion im Pop, mit der man sich einfach wieder in die 80er katapultieren kann, um dort ein bisschen auf die Kacke zu hauen. Ergüsse aus dem Poesialbum treffen hier auf Porno-Pop im House-Gewand. Man merkt den Jungs an, dass sie die Atmosphäre der Elektro-Clubs ebenso infiltriert haben, wie ihr Faible für Gedichtbände gnadenlos ausleben. Schon nach wenigen Minuten ist man dem Charme dieser Rasselbande erlegen, die sich um Regierungs-Trommler Thomas Geier versammelt hat. Man lässt sich fallen, mal so richtig die Gehörgänge von den sanften Indie-Pop-Klängen des Festlands durchpusten und freut sich, wenn sie in „Unsere Stadt“ auch mal ein bisschen Lärm machen. Am Freitagabend (19.2.) steht die Band im Pleicher Hof in Würzburg auf der Bühne. Solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen.

sade-soldier-of-love-artworkVon Sade habe ich derweil ganz ehrlich nicht mehr viel erwartet. Der Wohlfühl-Pop des Openers „The Moon And The Fly“ ihres neuen Albums „Soldier Of Love“ fällt dann auch nicht sonderlich spektakulär aus. Lust auf mehr bekommt man erst, wenn sich im gleichnamigen Titelsong plötzlich eine elektrische Gitarre ein Duell mit einem Schlagzeug liefert, als wollte die werte Sade der aktuellen Popstargilde mal eben vor Augen führen, wie man Popklänge mit Langlebigkeit ausstattet, ohne das Ganze allzu sehr zuzukleistern. Ansonsten bekommt man viel Piano-Pop zu hören. Ein paar verschwurbelte Beats, die für Abwechslung sorgen und eine Stimme, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Alles in allem haut einem die Scheibe nicht unbedingt vom Hocker, sorgt aber für eine angenehm zurückgelehnte Atmosphäre, während sich andere Pop-Acts nur noch darin zu überbieten scheinen, wer denn nun den größeren Wumms a la Timbaland aus dem Mischpult rauspresst.

viennaDas sympathische Label „Vienna Scientists“ präsentiert derweil passend zum zehnjährigen eine bunte Mischung der angesagtesten Disco-, Funk- und Soulklänge der Gegenwart. Da kommen die Protagonisten noch mal zu Wort, die den Sound des Labels im vergangenen Jahrzehnt geprägt haben. Die Scheibe wirkt derweil dermaßen stimmig, dass man sich fühlt, als bekäme man hier von einem guten Freund eine Stunde lang dessen Lieblingsplatten vorgestellt. Da passt einfach alles. „Vienna Scientists V – The 10th Anniversary“ punktet zum Auftakt mit hypnotischem Minimal-Sound der Marke „Freedom Satellite“ und entlässt einen mit den entspannten Schunkler „Some Kind Of Moanin´“ von Scheckter in die Nacht. Fans von Nightmares On Wax sollten ungehört zugreifen. Der Rest sollte erst mal einen Durchgang riskieren und es ihnen anschließend gleich tun.

fantasFantas Schimun klingt erstmal nach einem verqueren Zwitterwesen aus subtiler Elektronik und Indie-Rock der tanzbaren Sorte. Fantas Schimun hat mit all dem allerdings gar nichts am Hut. Fantas Schimun ist vielmehr eine begnadete Solistin, die ihr breites Aufgebot an Klangfetzen und Disharmonien nahezu unvermittelt auf den Hörer zuschleudert, so dass man sich fragt, ob da vielleicht ein Abspielfehler auf dem Tonträger vorliegt. Nachdem man feststellt, dass dies nicht der Fall ist, findet der Hörer mit zunehmender Dauer Zugang zu diesem Sammelsurium aus Klängen, Melodien, schnellen Wechseln, verqueren Experimenten, Sound-Collagen und dieser Stimme, die alles im Innersten zusammen hält und die so bezaubernd ist, dass man sich gar keinen schöneren Soundtrack zur Vertonung solch vielschichtiger Themen, wie „Variationen über die Freiheit eines Anderen / Der Himmel ist blau – Ein Alptraum in Stereo“ wünschen könnte. Gustav hat vorgelegt. Fantas Schimun verwandelt. Alles in allem: alles andere als verhandelbar, diese Musik.

peter-von-poehlPeter von Poehl ist ein Getriebener. Im ständigen Wechsel haust er in den Bruchstellen diverser Städte von Berlin bis Paris und saugt die Einflüsse, die dort in der Luft liegen, vollends in sich auf. Auf seinem Werk „May Day“ spaziert er im Spannungsfeld von Cello-Elektronika und Songwriter-Pop. Im Opener klingt das bisweilen noch etwas schräg und unerhört, doch mit zunehmender Dauer findet man sich zurecht in der Musik, die trotz ihres meist akustischen Ansatzes nur so strotzt vor Details. Freunde von Monta und Bright Eyes dürften daran genauso ihre Freude haben, wie Anhänger von Brian Wilson und Phoenix. „May Day“ klingt bisweilen etwas abwegig, was im Falle von Peter von Poehl aber ausdrücklich positiv gemeint ist. Diese Scheibe konnte nur in dieser Form erscheinen. Und vielleicht wird man sich in ein paar Jahren ja an diesem seltsam ausladenden Sound zurückerinnern, der einen sofort von sich einnimmt. Vielleicht wird einen dann ein wohliges Gefühl durchströmen. Vielleicht wird es anmuten, wie eine flüchtige Erinnerung an eine romantische Nacht unterm Riesenrad – zu zweit – Arm in Arm – bevor alles im Dunkel der Nacht zu ertrinken drohte.

stereophonics-keep-calm-and-carry-on-2009-front-cover-22131Die Stereophonics haben sich derweil auf ihren letzten Alben immer weiter dem Mainstream angenähert und dabei auch nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Ihr neues Werk beginnt schmissig, wie erwartet, nur findet man diesmal überraschend schnell Gefallen an den Songs, wie zum Beispiel dem treibenden Opener „She´s Alright“. Sollte da tatsächlich noch was gehen im Hause Stereophonics? Die Waliser üben auf „Keep Calm And Carry On“ zwar weiter die Pose als überambitionierte Stadionrocker, nur pfeift man ihre Songs diesmal noch Stunden später vor sich her. Vielleicht liegt es ja an den elektrofizierten Rändern, welche die Stück einrahmen. Auf jeden Fall hört man sich die Scheibe diesmal zumindest bis zur Mitte hin wirklich gerne an, selbst wenn der Band mit zunehmender Lauflänge dann leider doch wieder die Luft ausgeht. Alles in allem: mehr, als man von diesen Jungs noch erwarten durfte, aber ganz sicher nicht mehr der große Wurf, als welcher die Band zu Beginn ihrer Laufbahn mal gedealt wurde.

erik-sumo-bandDie Erik Sumo Band köchelt uns derweil ein wohl schmeckendes musikalisches Süppchen mit Allerlei Inhaltsstoffen aus dem Haus Jazz, Dub, Pop und Folk. Nahezu im Minutentakt wird man von einem Stil zum nächsten geschifft, ohne dass man auch nur einem Moment das Gefühl bekommen würde, die Band könnte an den hochgesteckten Ambitionen zerschellen. „The Trouble Soup“ will am Ende einfach gute Laune machen. Das Album mutet an, als hätte jemand die schönsten Melodien alter TV-Serien mit einer Prise Balkan-Flair und hippen Melodien versehen. Klingt zwischenzeitlich dann, als würden Beirut und Amy Winehouse Ringelreih tanzen. Dann wieder, als würden die Pet Shop Boys einen Song von Arcade Fire remixen. So geht’s dann weiter. Afro-Blues trifft Dream-Dance. 80er Jahre Revival meets Songwriter-Pop. Alles ist möglich und was dabei am bemerkenswertesten ist: all das funktioniert. Keine Ahnung, wie die Band das hinkriegt.

aufgangif10061Nachdem SomethingALaMode zuletzt schon ein bemerkenswertes Album im Grenzgebiet zwischen klassischer Musik und Pop aus der Hüfte schüttelten, machen sich nun Aufgang daran, selbiges Konzept mit zwei Pianisten und einem Schlagzeuger in jazzige Gefilde zu überführen. Anfangs irritiert einen diese Melange ein bisschen, aber nach einer gewissen Eingewöhnungszeit findet man durchaus Gefallen an den neun Klangeskapaden, die bisweilen auch auf elektronischen Festivals zur Erweckung der Morgensonne dienen dürften. Die beiden Protagonisten Rami Khalifé und Francesco Tristano aus New York hatten schon immer einen Faible für Tanzbares und mit „Channel 8“ vielleicht noch den passenden Sound zum nächsten Update der „Freddy Krüger“-Reihe am Start. Mal sehen, was da noch nachkommt. Die Zeiten, in denen Klassik, Pop und Jazz nur ein peinlicher Furz im Einheitsbreit der Charts gewesen sind, scheinen endgültig vorbei zu sein. Hier entsteht etwas Ansprechendes, nahezu Schlüssiges. Musik, zu der man sich fallen lassen möchte. Also kuschelt mal schön. Bis zum nächsten Zuckerbeat.