// zuckerbeat vol. (1)92- wolkenhunde

Drei bayrischen Rapper sorgen in diesen Tagen dafür, dass ich deutschen HipHop doch wieder ins Herz schließe. Alle, die auch heute noch denken, dass die alten Scheiben von Blumentopf, Eins Zwo und Konsorten zum Besten gehören, was in Sachen Rapmusik hierzulande entstanden ist, die sollten ihre Ohren spitzen und sich neben Summsemann und Umse auch […]

doppel-d_b-aya-n_cover_webDrei bayrischen Rapper sorgen in diesen Tagen dafür, dass ich deutschen HipHop doch wieder ins Herz schließe. Alle, die auch heute noch denken, dass die alten Scheiben von Blumentopf, Eins Zwo und Konsorten zum Besten gehören, was in Sachen Rapmusik hierzulande entstanden ist, die sollten ihre Ohren spitzen und sich neben Summsemann und Umse auch den Namen Doppel D notieren. Die „B-Aya-N“ machen auf ihrem gleichnamigen Album einen äußerst entspannten Eindruck und lassen alle Fans von Deichkinds „Bon Voyage“ auf Kopfnicker-Modus schalten. Das ganze Album ist so knackig und luftig produziert, dass man wie von selbst seine Birne in die Leerstellen schlagen möchte, welche die Musik und Cuts von Konstantin Gramalla, Franz Liebl und Markus Hinkelmann hinterlassen. Inhaltlich lassen die die beiden erstgenannten ihren Gefühlen freien Lauf und scheuen sich auch nicht, Stieber Twins-mäßig die eigene Herkunft herauszukehren. Soll heißen: Hier wird auf bayrisch gerappt, was dazu führt, dass allerhand charmante und auch neue Wortspiele dabei rumkommen. Der absolute Überhit ist sicherlich das gewitzte „Schausd Guad Aus“, das eigentlich alle Vorzüge der Jungs in einem Song vereint. Wer mal reinhören möchte kann sich hier auch noch das dazugehörige Remix der Scheibe reinziehen. Mit freundlicher Unterstützung von Roger Rekless & Cajus (Blumentopf). Da geht einiges: http://doppeld.bandcamp.com/album/re-b-aya-n-album

rumer_seasons_of_my_soul_packshot_albumDie Liedermacherin Rumer wird derweil schon als größte Nachwuchshoffnung aus Großbritannien gehandelt. Ihr aktuelles Album „Seasons Of The Soul“ klingt so schrecklich melancholisch, dass alle, die nah am Wasser gebaut sind, dafür sorgen sollten, dass ein großer Vorrat an Tempotaschentüchern bereit steht, um die Tränenflüssigkeit abzufangen, bevor sie die Schminke versaut. Die Künstlerin, die ihre Kindheit in Pakistan verbrachte, versteht es, Liebeslieder zu schreiben, die trotz aller Eingängigkeit nicht langweilig werden. Das Tempo wird nur sehr selten angezogen, macht aber nichts, weil sie es schafft, Zeilen der Marke „I Got The Blues in Sprintgtime“ so zu intonieren, dass man ihr die ganze Sache tatsächlich abnimmt. Dieses Album klingt, als würde man jemandem dabei zuhören, wie er seinen Weltschmerz in Songs überführt. Da braucht es keine großen Knalleffekte… hier stimmt das Gefühl.

coconamiEinen charmanten Beitrag zur Überwindung von Grenzen und Barrieren fabrizieren derweil die beiden Wahl-Münchner Miyaji und Nami. Mit ihrem Projekt Coconami bewegen sie sich im musikalischen Grenzgebiet von Japan und Deutschland und erinnern dabei ein wenig an Stereo Total, die ähnliches schon unter anderen kulturellen Vorraussetzungen versuchten. Mit Ukule und Karimba machen sie sich fortan auf, dem „Ananas Man“ zu huldigen und von „Tagträumern“ zu phantasieren. Daneben wird unter anderem Slash und Liesl Karlstadt gehuldigt, deren Songs in sympathischer Weise zweitverwertet werden. Wer es gerne „besonders“ mag und auf Lo-fi-Pop steht, sollte sich „Ensoku“ also auf keinen Fall entgehen lassen. Den Hörer erwartet ein herzliches, lebensbejahendes Album.

bored-man-overboard-rogue-l-abdjjsDie Kollegen von Bored Man Overboard scheinen derweil den Sound von The National ins Schwedische übersetzen zu wollen. Mit englischen Texten zwar, aber dennoch mit einer gehörigen Portion Enthusiasmus säuseln sie sich durch dynamische Songs, die jedem Fan von The Arcade Fire auf der Stelle die Herzklappen öffnen. „Rogue“ ist ein üppig arrangiertes Werk, das niemals unter seiner bombastischen Produktion zusammenzubrechen droht. Die Songs wirken niemals überladen, stattdessen fühlt man sich in einen Rausch der Emotionen versetzt. In Sachen akustischen Folk hat man in diesem Winter nur wenig Vergleichbares vorgesetzt bekommen. Deshalb zuschlagen und genießen. „“Rogue“ ist Album, das aufrüttelt.

chikinki-bitten-1917Und wie lange haben wir darauf bitte warten müssen. Chikinki sind zurück. Und zugegeben, das zweite (bzw. eigentlich dritte) Album der Jungs war im Gegensatz zum wunderbaren „Lick Your Ticket“, auf dem sie gekonnt vor Augen führten, wie man Elektro- und Indie-Pop miteinander verheiratet, so dass einen die Dynamik dieser Beziehung fast zerreist, das zweite Album also war vielleicht eine kleine Enttäuschung, weshalb ich nur umso freudestrahlender durch den Raum wandle, während mich der aktuelle Opener „Harry´s Last Hurrah“ mit einem dämonisch-elektronischen Grinsen anblickt. Nach dem etwas eintönigen, zweiten Werk scheinen die Jungs auf „Bitten“ wieder nach Luft zu schnappen, um nun alles und jeden umzupusten. Spätestens, wenn „Catch Up“ ertönt, ist man verliebt. Es fühlt sich an, wie damals. Die Jungs zeigen wieder ihre Zähne und beißen sich an den Hälsen ihrer Hörer fest. Herzlich willkommen, Chikinki, zurück in meinem Herz.

hochtiefUnd es wurde ja auch Zeit, dass unser Lieblings-Emo-Label „Arctic Rodeo“ endlich mal eine Band aus hiesigen Gefilden veröffentlicht. Hoch/Tief aus Stuttgart-Sillenbuch eignen sich schon deshalb ganz vortrefflich dafür, weil sie es schaffen deutschsprachige Rockmusik zu schreiben, ohne dabei in peinliche Radioformat-Rock-Klischees zu verfallen. Stattdessen klingt gleich der Opener „Schade, dass“ so herzergreifend aufmuckend, dass man das Gefühl hat, Selig hätten plötzlich den Wüstenrock für sich entdeckt. Überhaupt schafft es die Gruppe, sich immer wieder über die gängigen Standards hinweg zu setzen und ihre Musik im Grenzgebiet von Emo-Haudegen wie Sunny Day Real Estate und Far zu verorten. Ich weiß wirklich nicht genau, wie ich es beschreiben soll, aber immer dann, wenn sich bei mir in Sachen deutschsprachiger Rockmusik der Fremdschäm-Modus einzustellen droht, kriegen die Jungs hier die Kurve und stoßen direkt zwischen meine Herzklappen vor. „Hoch/Tief“ ist ein Wirbelwind von einem Album. Mitreißend arrangiert und mit imposanten Lyrics ausgestattet. Wer Deutschrock schon immer herzhaft gehasst hat, sollte unbedingt mal reinhören, um sich doch noch vom Gegenteil überzeugen zu lassen.

jupiter-jonesJupiter Jones haben sich ja schon mit ihrem letzten Album vom Punk in Richtung Pop verabschiedet. Allerdings vermisste man darauf ein bisschen die euphorischen Momente des Debüts. Ihr gleichnamiges, neues Album schiebt nun dem Sättigungsgefühl von vorne herein einen Riegel vor. Der Opener mit dem passenden Titel „Ansage“ ist zwar nicht minder fett produziert, wie zahlreiche Tracks des Vorgängers, aber plötzlich kommen die Emotionen wieder dort an, wo sie hingehören. Man merkt den Jungs an, dass sie viel Herzblut in dieses Werk gesteckt haben und in einer gerechten Welt wird der Knaller-Track „Hey ! Menetekel“ auch bald in jeder guten Indie-Disse rauf und runter laufen.

liebling-luitpoldAuf der Trikont-Compilation „Liebling Luitpold“ finden sich neben „Tagträumer“ von Coconami noch weitere 19 Swing- und Rumpa-Raketen, die jede Kaffee-Bar in ein Tollhaus verwandeln. In den 20er und 30er Jahren war es gang und gäbe in den örtlichen Kaffeehäusern mit den Hüften zu schwingen. Die musikalische Abhandlung zum Thema „Swing, Rumba & Kaffeehaus-Blues“ verschafft einen interessanten Einblick in Sachen Kaffeehaus-Bohnen-Pop und hat mit Louis Armstrong, Nina Simone und Billie Holiday auch allerhand Hochkaräter im Gepäck. Alles in allem ist „Liebling Luitpold“ ein gefundenes Fressen für Menschen, die sich gerne von anspruchsvollen Klängen umschmeicheln lassen Ob man nun melancholischen, jazzigen oder exotischen Momenten zugeneigt ist. Hier ist für jeden etwas dabei. Deshalb einfach mal zurücklehnen und genießen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.