// zuckerbeat volume 10

Aus aktuellem Anlass sei hier gleich mal auf ein schickes Release hingewiesen, das derzeit die Plattenspieler der punkrockenden Gemeinde zum Kochen bringt. Die Urheber heißen The Loved Ones (live zu sehen im Schweinfurter Stattbahnhof am 20.Mai). Und zugegeben: „Build & Burn“ (7/10) ist mit seinen zehn Songs jetzt nicht gerade episch ausgefallen, imponiert dafür aber […]

Aus aktuellem Anlass sei hier gleich mal auf ein schickes Release hingewiesen, das derzeit die Plattenspieler der punkrockenden Gemeinde zum Kochen bringt. Die Urheber heißen The Loved Ones (live zu sehen im Schweinfurter Stattbahnhof am 20.Mai). Und zugegeben: „Build & Burn“ (7/10) ist mit seinen zehn Songs jetzt nicht gerade episch ausgefallen, imponiert dafür aber in qualitativer Hinsicht. Songs, wie „Pretty Good Year“ und „The Bridge“ erinnern an die großen Momente von No Use For A Name und feuern fette Sonnenstrahlen in Richtung Aprilwetter. Das allseits beliebte Label Fat Wreck lässt also nach einigen schwächeren Releases mal wieder ein echtes Brett vom Stapel und zertrümmert damit alle miesepetrigen Frühjahrsdepressionen. Wem das Ganze eine Spur zu hektisch ist, der sollte stattdessen mal The New Amsterdams anchecken. Die klingen wie die allseits beliebten, inzwischen leider aufgelösten, Emo-Urgesteine von den Get Up Kids, nur ohne Stromanschluss. Ist ja auch kein Wunder. Ist ja schließlich der gleiche Sänger: Formerly Known as Matthew Pryor. Dessen neues Werk „At The Foot Of My Rival“ (7/10) hat 17 süße Akustik-Alternativ-Perlen im Gepäck, die zeigen, das emotionale Musik nicht immer in gähnender Langeweile dahinschmachten muss. Die Songs schmiegen sich vielmehr an dich, wie kuschelbedürftige Katzen. Das gezeichnete Frontcover, auf dem eine kleine Maus einen Elefanten in die Luft hievt, kann man derweil durchaus kitschig finden, verdeutlicht es dennoch perfekt den Ansatz dieser Musik: Mit wenigen Klängen die Welt des Hörers auf den Kopf zu stellen. Das funktioniert am Besten, wenn man gerade frisch verliebt ist. Und wenn nicht, dann schenkt man sein Herz einfach diesen Songs. Oder rückt ein Stück weiter in verspielte Gefilde mit dem neuen Werk von Florian Horwath. Der wiederum tritt bei seinen Liveshows gerne mal in weißem Gewand auf und sorgt damit für allerhand spirituelles Feeling. Auf seiner zweiten Platte „Sleepyhead“ (7/10) hat er sich nun hymnischeren Gefilden geöffnet und zeigt damit, wie man Melancholie und Romantik das kitschige Gewand auszieht. Schlicht wunderschön ist das Duett „Baby You Got Me Wrong“ mit Cardigans-Sängerin Nina Persson. Und auch die restlichen Songs finden den richtigen Ton zwischen reduzierter Romantik und verträumter, manchmal aufschäumender Popmusik. Da kann man den sommerlichen Sternenhimmel schon fast bildlich vor sich sehen, wie er sich als Bühne für ein kuschelndes Pärchen breit macht. Fehlt eigentlich nur noch die passende Sternschnuppe um die Szenerie zu perfektionieren. Bevors jetzt allerdings zu romantisch wird, lassen wir uns lieber von Franky Kubrick eine Runde um den Block chauffieren. Der ist ja inzwischen beim Savas-Label Optik Records untergekommen und präsentiert auf „Dramaking“ (5/10) ein nachdenkliches Stück Rapmusik, das mit dem Opener „Wenn ich geh“ schon mal ganz viel versprechend loslegt. Wer dazu einen gewissen Hang zu beseelter Atmosphäre der Marke Xavier Naidoo (hier auch gefeatured) mitbringt, dürfte in diesem Album einen echten Freund finden. Alle anderen werden derweil darauf hinweisen, dass hier das Rad des Rap mal wieder nicht neu erfunden wird, sich aber dennoch dabei ertappen, die ein oder andere Line freundlich abzunicken. Letztlich also nicht der schlechteste Einstand für Franky bei Optik, auch wenn ich die persönlich die freakige Attitüde von „Rücken zur Wand“ stark vermisse. Freunde Britrockender Klänge sollten derweil mal einen Klick auf die Homepage der Charlatans werfen. Unter http://www.thecharlatans.net gibt’s deren aktuelles Album „You Cross My Path“ (6/10) nämlich zum kostenfreien und legalen Download. Das nenn ich doch mal Nächstenliebe und wenn das Stück dann auch noch über weite Strecken so elegant rein läuft, wie Tracks like „A Day For Letting Go“ und „Bad Days“ möchte man sich kurzerhand mit Salto-Überschlag ins nächste Freibad verabschieden. Da kann man nämlich mit der Batterie-bestückten-Boombox perfekt das feucht fröhliche Geplänkel der Leute mit der Mucke untermalen. Einen besseren Soundtrack für den Frühling muss man erstmal hinkriegen, auch wenn man das natürlich alles in ähnlicher Form schon mal gehört hat. Sorgt es doch zumindest für ein wohliges 90er Jahre BritRock-Nostalgie-Gefühl mit leicht psychedelischem Einschlag. Selbigen wiederum leben The Brian Jonestown Massacre auf ihrem 13ten(!) Werk „My Blood Underground“ (7/10) vollends aus. Nebelschwaden füllen den Raum, wenn der Opener „Bring Me The Head Of Paul McCartney On Heather Mill’s Wooden Peg (Dropping Bombs On The White House)“ die Gehörgänge passiert. Dabei macht die Band aus Liverpool/Reykjavik mal wieder keine Anstalten, sich in Richtung radiotaugliches Format zu öffnen. Stattdessen verliert sich die Band in Feedbackschleifen, betörender Rhythmik und einer Stimme, die klingt, wie ein fehlgeschlagener Mitschnitt einer Liveaufnahme über die Handy-Lautsprecherboxen. Kurz gesagt: The Brian Jonestown Massacre haben ein sonderbares und gleichsam vereinnahmendes Stück Musik geschaffen, das begeistert. Vorausgesetzt natürlich, man ist bereit, sich auf die Platte einzulassen. Nach diesem Trip kann einen dann erstmal nichts mehr erschüttern. Nicht mal die neue von den Mystery Jets. Die haben sich auf ihrem Zweitling „Twenty One“ (7/10) zunehmend poppigeren Gefilden zugewandt, begeistern aber dennoch mit ihrer Mischung aus Arctic Monkeyscher Sprechsing-Peitsche und verspielter Melodieseeligkeit. Soll heißen: Hier trifft der rhythmische Aspekt der Foals auf große Poprefrains Marke Killers und Snow Patrol. Man könnte jetzt also einfach mal fröhlich im Gänseblümchenfeld randalieren, würden die kleinen Hits, wie „Young Love“ nicht schon von jedem Indie-Radiosender der Nation rauf und runter geträllert, dass einem das Ganze spätestens in einen Monat wieder zum Halse raushängt. Wie auch immer. Was zählt, ist der Moment. Und den haben die Mystery Jets mit diesem Album zweifelsohne auf ihrer Seite. Also einfach mal die Musik genießen. Und sich hinterher mit weit ausgestreckten Armen in eine grüne Wiese fallen lassen. Denn die neue, selbst betitelte Scheibe von Gisbert zu Knyphausen (7/10) macht schier schwerelos. Was da an Melodien rausgepfeffert wird, das stürzt einen… Zitat: „tiefer, tiefer, tiefer, tiefer ins Glück“. Wo nimmt der Junge nur all diese hymnisch, nachdenklichen Songideen her? Jedem Kettcar/Tomte/OlliSchulz/Was auch immer-Fan dürften jetzt schon die Augen tränen vor Freude. „Dein Herz ist schwer, genau wie meins. Komm lass uns gehen…“ und wie wir gehen! Mit diesen Songs kommt man überall hin. Vorausgesetzt man fühlt sich von Gisberts Stimme nicht abgeschreckt. Da herrscht nämlich nur ein ganz schmaler Grad in Richtung „Deutschrock“-Gefilde Marke Reinhard Mey. Ich finds trotzdem klasse. Und freu mich über diesen unerwarteten Regen verträumter Songwriterklänge. Brauch jetzt aber trotzdem noch mal etwas Lebensfreude. Da spült mir das neue Werk der Helsinki-ier(?!?) Band I Walk The Line doch glatt die melancholischen Gedanken in den Abfluss. Schon der Opener „Trouble Seeker“ begeistert durch seine Clash-Anleihen, die hier mit einer ordentlichen Portion hymnischer Refrains versehen wurden. Das Album „Black Wave Rising“ (7/10) ist eines dieser Alben, das man zufällig bei Freunden im Hintergrund hört, nur um anschließend schnurstracks in den Plattenladen zu stürmen, um sich diesen Geheimtipp selbst anzueignen. Wem bei einer Mischung aus Rocket From The Crypt und The Cure das Wasser im Munde zusammenläuft, sollte die Scheibe unbedingt mal anchecken. Es lohnt sich wirklich. Und im Sommer kann man ja gar nicht genug von solch lebensfroher Mitgröhlmucke bekommen. Und während sich die meisten von euch sicher schon fragen, ob ich heute eigentlich aus Prinzip nur 7/10 Punkte vergebe, nähern wir uns so langsam dem Ende. Das leuten die Karlsruher Jungs von Diego (6/10) ein. Die präsentieren auf ihrer gleichnamigen Debüt-EP einen bunten Strauß melancholischen Wave-Pops Marke Editors. Darüber schimmert in großen, bunten Lettern das Wörtchen Pop. Und auch, wenn man das alles schon mal irgendwo gehört zu haben scheint, strahlt der 8-Sitzer hier doch einen gewissen Charme aus. Trotzdem stellt sich bei so viel catchy Songs zwangsläufig die Frage, wie es um die Langlebigkeit der Platte bestellt ist. Selbiges werden wir heute allerdings nicht mehr klären. Dafür freuen wir uns aber darüber, diesmal ganz ohne Verriss ausgekommen zu sein. Gibt eben doch noch sehr viel gute Musik da draußen. Und noch mehr davon im nächsten Zuckerbeat. Also bis bald.

// von alexander nickel-hopfengart