mit neuen Büchern von James Franco, Katrin Seddig, Attilio Bolzoni, Ed Falco & Mario Puzo und René El Khazraje alias MC Rene.
// Wenn Schauspieler zu Schriftsteller werden, kann das schon mal in die Hose gehen. Nicht so bei James Franco, der den Meisten von euch wahrscheinlich noch aufgrund seiner gelungenen Verkörperung von Aron Ralston – der Hauptfigur aus Danny Boyles Oscar-nominierten Streifen „127 Hours“ im Gedächtnis geblieben ist. In seinem ersten Buch „Palo Alto“, welches aus mehreren Kurzgeschichten besteht, dreht sich alles um das Leben diverser Heranwachsender.
Dabei zeichnet der Autor ein überaus düsteres Bild einer Generation, die sich im stetigen Rauschzustand befindet. Die einzelnen Geschichten spielen vorwiegend in den Suburbs von Palo Alto – einer Stadt im Silicon Valley in Kalifornien. Die Protagonisten kommen allesamt aus wohl-behüteten Elternhäusern und müssen sich mit den üblichen Fragestellungen zum Thema Erwachsenwerden auseinander setzen. Das Thema der Rebellion wird also mal wieder in den unterschiedlichsten Varianten durchgekaut und dennoch gelingt es Franco, nicht ins Klischeehafte abzudriften. Stattdessen ist vor allem die Rücksichtslosigkeit bemerkenswert, mit welcher die einzelnen Akteure hier vorgehen. Im Antlitz der Reizüberflutung scheint ihnen schlicht und ergreifend der eigene Gefühlshaushalt durcheinander gekommen zu sein. Sie wissen die Dinge nicht mehr einzuordnen. Was die Akteure allerdings dazu bringt, die Beule im Auto des Vaters plötzlich wichtiger zu nehmen, als die Fußgängerin, die dabei ums Leben gekommen ist, das enthält uns Franco vor. Der Autor versucht nämlich gar nicht erst in die Köpfe seiner Protagonisten zu schauen. Er lässt sie einfach gewähren… „Palo Alto“ ist ein Buch, das einen nachdenklich macht. Es wirft Fragen auf… lässt den Leser aber selbst nach Antworten suchen.
// Die Strausberger Autorin Katrin Seddig hat ein wirklich grausam-schönes Buch geschrieben. Nach ihrem Debüt-Roman „Runterkommen“ hat sie sich inhaltlich an den Alltag eines Pärchens herangewagt und zeigt, was dabei herauskommt, wenn sich zwei Menschen plötzlich voneinander entfernen. Ihr Roman dreht sich in diesem Zusammenhang um eine gewisse Ava Grünebach, die mit ihrem Mann Danilo seit ihrem sechzehnten Lebensjahr in einer gemeinsamen Wohnung haust. Anfangs sind die beiden noch schwer verliebt und heiraten schließlich. Dann aber beginnt das Eintönige sie zu erdrücken. Die beiden sprechen kaum noch miteinander und stellen immer öfter fest, dass sie unterschiedliche Vorstellungen von einem erfüllten Leben haben. Aus Nähe wird Frust und der Alltag immer mehr zur Zerreisprobe. Die Autorin begegnet diesem Umstand mit einer gehörigen Portion Humor und zeigt im Laufe des Buches auch die unterschiedlichsten Bewältigungsstrategien der Protagonistin auf, die plötzlich auf einer anderen Frequenz sendet wie ihr liebster Danilo. Immer wieder fragt man sich, warum die beiden ihre Beziehung nicht einfach beenden. Ava und Danilo stecken in einer Sackgasse aus welcher sie aus eigener Kraft nicht mehr heraus kommen. Und doch machen sie weiter – sie reißen sich zusammen. Und genau diese Bitterkeit ist es, die einen als Leser am Meisten fasziniert. Sie ist es, die Katrin Seddigs Buch zu einem durchweg packenden Lesevergnügen macht. Ob Ava und Danilo am Ende noch zusammen sind? Am besten du findest es selbst heraus. Es lohnt sich.
// Wer sich etwas eingehender mit der Mafia auseinander setzen möchte, sei bei dieser Gelegenheit auf das aktuelle Werk von Attilio Bolzoni verwiesen. Im Rahmen seines Buches verspricht er 100 Antworten auf 100 drängende Fragen und versucht auf diese Weise die komplexe Struktur der Organisation verständlich zu vermitteln. Die einzelnen Kapitel widmen sich in diesem Zusammenhang jeweils einer konkreten Fragestellung und geben auf wenigen Seiten Auskunft darüber, was das Wort „Mafia“ eigentlich bedeutet und wann die Organisation entstanden ist. Wie schon Roberto Saviano äußert sich Attilio Bolzoni in Interviews offen gegen die Mafia und fordert mit seinem Werk dazu auf, die richtigen Fragen zu stellen. Das ist nicht nur informativ für den Leser, sondern trägt auch dazu bei, so manches Mysterium zu lüften. Ganz im Gegensatz zu einem weiteren Buch, das in diesen Tagen bei „Klett-Cotta“ erscheint. „Die Corleones“ erzählt die Vorgeschichte des Paten. Der Roman von Ed Falco basiert auf dem Original-Drehbuch von Mario Puzo und spielt im New York der 30er Jahre. Zu dieser Zeit liegt die Aufhebung der Prohibition bereits in der Luft und der erste italienisch-stämmige Bürgermeister wird ins Amt gehievt. Im Rahmen des Buches wird der Aufstieg des Vito Corleone thematisiert, der sich gegen zahlreiche Kontrahenten, aber auch gegen irische Gans durchsetzen muss. Gleichzeitig gilt es die eigene Familie vor den kriminellen Machenschaften fernzuhalten, in welche er selbst verstrickt ist. Das Buch liefert in diesem Zusammenhang zahlreiche Details, die das spätere Handeln Corleones nachvollziehbarer erscheinen lassen. Darüber hinaus ist der Roman aufgrund seiner zwischenzeitlichen Dialogdichte wie geschaffen, um als Vorlage für einen weiteren Pate-Streifen zu fungieren. Die Charaktere wirken glaubwürdig in Szene gesetzt und die Atmosphäre des Originals wird gekonnt aufgegriffen. Darüber hinaus wird im Rahmen des Buches auch die Beziehung zwischen Vito und seinem Sohn Sonny unter die Lupe genommen. Nachdem Vito den Jungen anfangs noch aus seinen kriminellen Angelegenheiten heraushalten will, drängt der 17jährige sich immer mehr auf und wird schließlich zum Partner des Paten. Um es kurz und knapp zu sagen: „Die Corleones“ ist ein Pflichtkauf für jeden Pate-Fan. Wie schon bei den vorherigen Geschichten wird zwar im großen Stil mystifiziert, das wiederum macht aber auch den Charme der Reihe aus.
// MC Rene war mal einer derjenigen, dem hierzulande eine große Zukunft prophezeit wurde. Der HipHopper hatte das Zeug dazu, die großen Bühnen das Landes zu rocken und jetzt…? Ist er weitestgehend in Vergessenheit geraten. Dabei hat er vor zwei Jahren 102 Auftritte in nur 365 Tagen absolviert. Das ganze Land hat er beackert und zwar mit nur einer Bahncard 100 und seinem Koffer im Gepäck. MC Rene alias René El Khazraje hat sich aus dem bürgerlichen Leben verabschiedet und alles auf eine Karte gesetzt. Fortan tingelt er durch Deutschland, um sich als Stand-up-Comedian zu verdingen. Kein Landgasthof oder Provinzbahnhof ist vor ihm sicher. 146.560 Schienenkilometer legt er zurück. Immer auf der Suche nach etwas, das ihm dabei hilft, Halt zu finden. Davon erzählt nun auch sein erstes Buch „Alles auf eine Karte“. Der Roman umreißt die skurrilen Stationen und verrücktesten Auftritte, welche er auf Tour erlebt hat. Vor allem aber erzählt er die Geschichte eines Ruhelosen, der sich erst während der Fahrt so richtig bewusst wird, wonach er eigentlich sucht. Ob er am Ende irgendwo ankommt? Am besten du findest es selbst heraus. „Alles auf eine Karte“ ist nicht nur ein schrecklich witziges, sondern auch liebenswertes Werk. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?