// aufgelesen vol. (1)03 – „wir fanden uns ziemlich bedeutend…“

mit Büchern von Georg Klein, Ulrich Tukur, Tim Renner & Sarah Wächter, David Markson und Peter Mattei. // Der Augsburger Georg Klein wurde für seine Werke schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er neben dem Brüder-Grimm-Preis auch den Preis der Leipziger Buchmesser für seinen „Roman der Kindheit“. Mit „Die Zukunft des Mars“ erscheint nun […]

mit Büchern von Georg Klein, Ulrich Tukur, Tim Renner & Sarah Wächter, David Markson und Peter Mattei.

georg-klein// Der Augsburger Georg Klein wurde für seine Werke schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er neben dem Brüder-Grimm-Preis auch den Preis der Leipziger Buchmesser für seinen „Roman der Kindheit“. Mit „Die Zukunft des Mars“ erscheint nun ein zauberhaftes Werk im retro-futuristischen Look, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Im Rahmen der Geschichte wird man als Leser in Richtung Mars transferiert, wo die Menschen unabhängig von ihren Urahnen auf der Erde ein selbstbestimmtes Dasein fristen.

So hat sich inzwischen auch der Analphabetismus auf dem Planeten breit gemacht, ein junger Arzt allerdings will sich damit nicht abfinden und beginnt einige leere Blätter mit seinen eigenen Erkenntnissen zu füllen. Was das Ganze mit einem rätselhaften Wesen aus den Gesteinsschichten des Planeten zu tun hat und einem fröhlichen alten Herren, der sich daran macht auf dem Planeten Erde die defekten Geräte wieder in Stand zu setzen? Georg Klein gelingt es mit seiner fantastischen Erzählung die Grenzen des literarisch-möglichen auszuloten und erzählt eine Geschichte, die von der menschlichen Sehnsucht nach Fortschritt und Weiterentwicklung handelt. Fazit: „Die Zukunft des Mars“ ist ein wirklich außergewöhnliches Werk.

tukur// Ebenfalls im klassischen Look biegt das aktuelle Werk von Ulrich Tukur um die Ecke, das man sich als Fan von poetischer Sprache und der Magie von Musik auf keinen Fall durch die Lappen gehen lassen sollte. Während man jedenfalls so durch die Zeilen des Buches schweift, wird man immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob hier eigentlich alles mit rechten Dingen zugeht. „Die Spieluhr“ ist ein Roman, der sich immer wieder zwischen den Zeilen bewegt. Realitätsebenen werden übersprungen und die Dinge damit zwangsläufig in Frage gestellt. Im Grunde genommen ist das Werk aber eine Liebesgeschichte, die immer wieder in Richtung Abgrund blickt. Ein Labyrinth tut sich vor dem Auge des Lesers auf und entlässt einen nicht mehr in Richtung Freiheit, bevor auch die letzte Zeile des Werkes ausgelesen ist. Der bekannte Schauspieler macht also auch in literarischer Hinsicht alles richtig und fesselt seine Leser, indem er sie konsequent an der Nase herumführt. Ob am Ende alle heil aus der ganzen Geschichte herauskommen? Am besten du findest es selbst heraus und freust dich über diese poetische Sprache, die einem noch Tage später im Kopf herumschwirrt.

renner// Eine Abrechnung getarnt als schickes Buch erscheint in diesen Tagen unter dem Banner des oftmals bemühten Die Sterne-Zitats „Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten“. Tim Renner macht sich darin zusammen mit Sarah Wächter auf, der gut geölten Pop-Maschinerie ein paar fette Bremsklötze zwischen die Zahnräder zu pfeffern. So werden wir nicht nur mit reichlich Hintergrundinfos bezüglich zahlreicher Stars und Sternchen versorgt, sondern auch mit den Hintermännern konfrontiert, die sich oftmals für alles Mögliche, aber ganz sicher nicht für die Qualität der Musik interessieren. Inmitten zahlloser Musikverrückter und Falschspieler entwerfen die beiden ein treffsicheres Bild der Szene und spicken ihren Text mit einer gehörigen Portion an Selbstironie. Wenn du also auch „Die Wahrheit über die Popindustrie“ wissen möchtest und schon an John Nivens fabelhaftem Roman „Kill Your Friends“ deine helle Freude hattest, dann schnupper mal rein. Es lohnt sich.

markson// Mit dem Werk „Wittgensteins Mätresse“ kommt in diesen Tagen außerdem ein wirklich bemerkenswertes, amerikanisches Meisterwerk auch hierzulande in den Handel. Die deutsche Übersetzung des bereits 1988 veröffentlichten Roman hat eine gefühlte Ewigkeit in Anspruch genommen und präsentiert uns eine Protagonistin namens Kate, die sich für den letzten Menschen auf unserer Erde hält. Als Leser wird man in diesem Zusammenhang lange im Unklaren darüber gelassen, ob Kate nun verrückt ist oder man den Worten der Hauptfigur Glauben schenken darf. Währenddessen darf man die Protagonistin allerdings dabei beobachten, wie sie ihre Erinnerung auf Bücher und Kunstwerke durchforstet und somit die Geschichte der Menschheit noch einmal unter veränderten Bedingungen miterleben. Immer wieder sieht man sich als Leser mit zahllosen Behauptungen konfrontiert. War Homer eine Frau? Lispelte Aristoteles? „Wittgensteins Mätresse“ von David Markson wirft existenzielle Fragen auf und ist im wahrsten Sinne des Wortes genau das, was David Foster Wallace über dieses Werk behauptete: „Ein Geniestreich“.

mattei// Zu guter Letzt wollen wir euch noch auf das literarische Debüt des Theater- und Filmregisseurs Peter Mattei aufmerksam machen, das in diesen Tagen via „Rowohlt“ in den Handel kommt. „Der grosse Blowjob“ ist ein Werk, das von den Abgründen der menschlichen Existenz erzählt, indem es sich an einem bis dato skrupellosen Angestellten in einer Werbeagentur heranwagt. Eric ist von Beruf Rausschmeißer und er ist verdammt gut in seinem Job. Niemand mag ihn, aber er begreift das als Kompliment. Eines Abends aber nimmt er eine Praktikantin mit nach Hause und sie erweist sich als wahrhaft verrückt. Jedenfalls kommt dem Protagonisten sehr schnell die Idee, seine Feinde könnten die junge Lady auf ihn losgelassen haben. Als sie am nächsten Tag auch noch mit einer Verletzung im Gesicht im Krankenhaus auftaucht und Eric des Übergriffs beschuldigt wird, scheint sein Schicksal bereits besiegelt. Nun findet er sich selbst in der Rolle all jener wieder, die er in den vergangenen Jahren mit seiner kalten Haltung in ihren existenziellen Grundfesten erschütterte. Ob es am Ende ein Entrinnen aus dieser Abwärtsspirale gibt? Am besten du riskierst selbst mal einen Blick in das Werk. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.