// aufgelesen vol. (1)68 – „realitätsgewitter“

mit neuen Büchern von Benjamin von Stuckrad-Barre, Julia Zange, Bob Dylan, Elena Ferrante und Gerhard Jäger. // Benjamin von Stuckrad-Barre scheint sich derzeit in einem wahren Veröffentlichungswahn zu befinden. Während uns schon „Panikherz“ und „Nüchtern“ nahezu atemlos hinterließen, schließt sein neuestes Werk nun nahtlos an seine Biografie an und widmet sich ausgiebig dem Thema Udo […]

mit neuen Büchern von Benjamin von Stuckrad-Barre, Julia Zange, Bob Dylan, Elena Ferrante und Gerhard Jäger.

udo// Benjamin von Stuckrad-Barre scheint sich derzeit in einem wahren Veröffentlichungswahn zu befinden. Während uns schon „Panikherz“ und „Nüchtern“ nahezu atemlos hinterließen, schließt sein neuestes Werk nun nahtlos an seine Biografie an und widmet sich ausgiebig dem Thema Udo Lindenberg. Der tauchte ja bereits in „Panikherz“ immer wieder auf der Bildfläche auf, also scheint es nur naheliegend, dass Stuckrad-Barre jetzt noch einmal nachlegt. In „Udo fröhliche!“ wird noch einmal alphabetisch das Leben des renommierten Musikers durchdekliniert und man bekommt allerhand amüsante Passagen über den Alkohol , die einsetzende Panik und die Träume des Protagonisten beschert. Im großen Albumformat veröffentlicht, bleibt außerdem noch viel Platz für jede Menge Illustrationen und Fotografien, die das Werk überaus kurzweilig machen. Noch dazu gibt Udo zu Beginn des Buches auch noch selbst zu Protokoll, dass ihm so mancher Inhalt des Werkes eigentlich gar nicht mehr so bewusst gewesen ist. Es ist also für alle Beteiligten ein lohnenswertes Unterfangen und vor allem ein großer Spaß sich durch dieses „Lindenberg-Lexikon“ zu wühlen. Schließlich schreibt hier ein Großer über einen anderen Großen im Geschäft. Und was Besseres kann einem in dieser kalten Jahreszeit eigentlich überhaupt nicht passieren.

julia-zange// Ebenfalls sehr empfehlenswert ist das aktuelle Werk der Schauspielerin und Autorin Julia Zange. Die in Berlin Tätige veröffentlicht in diesen Tagen ihr zweites Werk nach dem 2006er Buch „Die Anstalt der besseren Mädchen“. In „Realitätsgewitter“ steht dabei eine junge Frau namens Marla im Mittelpunkt, deren Leben äußerst chaotisch verläuft. Vor allem im virtuellen Raum ist Marla sehr aktiv, aber auch sonst befindet sich in ihrem Leben alles in Bewegung. Marla kommt damit äußerlich gut klar, doch innerlich überkommt sie immer wieder ein Gefühl von Traurigkeit, das ihr Schritt für Schritt den Boden unter den Füßen wegzureißen droht. Kurz bevor sie zu Boden fällt, beschließt sie deshalb zurück in ihre Heimatdorf zu gehen und sich ein wenig mit den Geistern der Vergangenheit auseinander zu setzen. Was dann passiert? Am besten du schnupperst selbst mal rein in diesen famosen Roman zum Thema Erwachsenwerden. Einen besseren literarischen Jahresabschluss kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.

bob-dylan// Nach dem Nobelpreis für Literatur in diesem Jahr, war der Aufschrei groß. Nicht wegen der Wahl von Bob Dylan für den renommierten Preis, sondern weil selbiger sich scheinbar nicht wirklich darum scherte, dass ihn jemand in die Liste der Literaturnobelpreisträger wählte. Inzwischen sind die Wogen weitestgehend geglättet und vor allem erscheinen endlich mal wieder einige seiner Werke in hiesigen Gefilden. Im Verlag „Hoffmann und Campe“ zum Beispiel kann man seit Neuestem der ersten Band seiner „Chronicles“ erwerben, die überaus lesenswert sind. Ursprünglich bereits im Jahre 2004 hierzulande auf den Markt geworfen, macht sich der Protagonist daran, sein Innerstes nach außen zu kehren. Statt sich stringent an seiner bereits bekannten Lebensgeschichte zu orientieren, bekommt man als Fan hier tiefe Einblicke in die Gedankenwelt des Künstlers und Musikers. Bob Dylan ist ein Poet und sein Werk lässt, wie auch sein musikalisches Lebenswerk, viel Interpretationsfreiraum offen. Darüber hinaus gibt es natürlich zahlreiche Hintergrundinformationen zu den Songs und doch muss man sich am Ende wieder selbst entscheiden, welcher Bob Dylan hier zu einem spricht. Bleibt am Ende eigentlich nur zu hoffen, dass schon bald der dem Titel bereits einverleibte zweite Teil seiner „Chronicles“ erscheint. Man möchte nämlich unbedingt mehr von diesem wunderbaren Literaten und Musiker lesen.

elena-ferrante// Eines der besten Werk des vergangenen Jahres hört derweil auf den schönen Namen „Meine geniale Freundin“. Die internationale Presse feierte das Werk bereits über alle Maßen in den vergangenen Monaten und auch wir müssen zugeben: an dem Roman von Elena Ferrante ist wirklich etwas dran. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen dabei zwei unzertrennliche Freundinnen namens Lila und Elena, die eines Tages getrennt werden. Eine von ihnen ist nämlich spurlos verschwunden und so begibt sich die andere in der gemeinsamen Vergangenheit auf Spurensuche, um herauszufinden, wo sie denn abgeblieben ist. Die Story selbst ist dabei anfangs im Neapel der 50er Jahre angesiedelt, wo die beiden zusammen aufwachsen. Lila ist in diesem Zusammenhang als Schustertochter eher draufgängerisch, während Elena eher schüchtern anmutet. Nachdem sich ihre Wege im Rahmen der ersten Berufswahl erstmals trennen, reißt das Band der Freundschaft dennoch nicht ab und die beiden bleiben sich auch weiterhin eng verbunden. Etwas allerdings ist anders als früher, die Beziehung komplizierter und vom Leben gekennzeichnet. Liegt darin auch der Schlüssel von Lilas Verschwinden? Ihr dürft gespannt sein auf dieses literarische Meisterwerk.

Cover

// Ein alter Mann, den eigenen Tod schon vor Augen, möchte eine Sache noch klären: Sein Cousin war 1950 spurlos verschwunden. Also macht sich der Greis auf seine letzte Reise um zu erfahren, was passiert war. Er bereut die Reise so lange aufgeschoben zu haben. In den letzten Jahren hat er immer wieder an den Umstand gedacht, aber sein Frau Rosalinde und sein Beruf brachten ihm Ablenkung. Was war wohl passiert? 1950 kam also ein junger Historiker aus Wien, Max Schreiber, der Cousin des Alten, in ein Tiroler Bergdorf. Das Leben in der Bergwelt ist geprägt von harter Knochenarbeit, Misstrauen zu allem was fremd ist und das Recht des Stärkeren. Schreiber, kürzlich von seiner Freundin verlassen, möchte über ein historisches Ereignis, eine Hexenverbrennung, einen Roman schreiben. Dafür gab er sein bequemes Leben und Arbeiten in Wien auf. Im Dorf bekommt er aber kaum eine Zeile zustande. Seine Recherchen sind ehr unbefriedigend und er wird schließlich in die Dorfangelegenheit eingezogen und ist doch der einsame Fremdling. Die Zuneigung zu einer Frau aus dem Dorf, erleichtert die Situation in keiner Weise. Gerhard Jägers Debütroman „Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod“ (Karl Blessing, ISBN 9783896675712) ist eine spannende Spurensuche. Die Schnee- und Lawinenlandschaft ist authentisch und beklemmend beschrieben. (Euro 22,99)