// aufgelesen vol. (1)91 – „träumen“

mit einer Spezial-Ausgabe zu Karl Ove Knausgård. // Wir möchten heute nochmal die Gelegenheit nutzen euch einen wirklich besonderen Autor vorzustellen, über dessen Werke wirklich heftig diskutiert werden darf. Bereits im vergangenen Monat haben wir euch auf das autobiografische Gesamtwerk von Karl Ove Knausgård aufmerksam gemacht, welches nun mit dem sechsten Buch namens „Kämpfen“ seinen […]

mit einer Spezial-Ausgabe zu Karl Ove Knausgård.

// Wir möchten heute nochmal die Gelegenheit nutzen euch einen wirklich besonderen Autor vorzustellen, über dessen Werke wirklich heftig diskutiert werden darf. Bereits im vergangenen Monat haben wir euch auf das autobiografische Gesamtwerk von Karl Ove Knausgård aufmerksam gemacht, welches nun mit dem sechsten Buch namens „Kämpfen“ seinen krönenden Abschluss fand. Wir wollen heute die Gelegenheit nutzen euch nochmal auf Knausgårds aktuelles Buch aufmerksam zu machen, gleichzeitig aber auch die vorherigen Werke des Autors im Rahmen dieses Artikels etwas genauer unter die Lupe nehmen. Über „Kämpfen“ konntet ihr diesbezüglich bereits folgendes von uns erfahren: Im Abschluss seiner autobiografischen Buch-Reihe widmet sich Knausgård nicht nur der Kunst und der Literatur, sondern auch in schonungsloser Offenheit den dunklen Seiten seiner Ehe und der Krankengeschichte seiner Frau. Dermaßen rücksichtlos hat wahrscheinlich schon lange keiner mehr seinen persönlichen Alltag seziert und man kann eben deshalb nicht genug bekommen von seinen Worten. Gerade deshalb nämlich, weil Knausgård so schmerzlich all das ausbreitet, was in seinem Inneren und in seinem direkten Umfeld geschieht, gerade deshalb wirkt sein Werk so schonungslos ehrlich und authentisch, wie es nur wenige Bücher schaffen. Der Autor lotet dabei nicht nur konsequent die Schmerzgrenze aller Beteiligten aus, sondern auch seine eigene und ja, jeder muss für sich selbst entscheiden, inwieweit er seinen Aufzeichnungen folgen möchte, geschweige denn sie nachvollziehen kann. Gerade wenn er sich den Depressionen seiner Frau zuwendet oder sich mit Hitlers „Mein Kampf“ auseinander setzt, ist das alles andere als leichte Kost. Weil hier allerdings jemand tatsächlich sein Innerstes nach außen kehrt, ist „Kämpfen“ eine literarische Sensation, wie man sie nicht alle Tage vor den Latz geknallt bekommt. Bereits Jahre zuvor erschienen diesbezüglich die weiteren Bände seines Projekts, von denen wir euch heute noch einmal drei etwas ausführlicher vorstellen möchten. Zum Auftakt wenden wir uns seinem Buch „Sterben“ zu, welches via „btb“ nun auch in einer kostengünstigen Taschenbuch-Variante vorliegt und der dreht sich um das schwierige Verhältnis von Knausgård zu seinem Vater.

Spielen von Karl Ove Knausgard

Als Selbiger stirbt, wendet sich der Autor zusammen mit seinem Bruder dessen Nachlass zu und legt noch einmal dar, wie sehr der Vater das Leben der beiden beeinflusst hat. Schonungslos offen kehrt er seine Gefühlsleben nach außen und gerade zu Beginn des Projekts zeigten sich zahlreiche Leser regelrecht erschüttert von seinen Aufzeichnungen. In „Kämpfen“ wohlgemerkt, dem Abschlussband seines autobiografischen Projekts, reflektiert er diesbezüglich noch einmal die Ereignisse im Rahmen der Veröffentlichung und wirft einen neuen Blick auf sein Schaffen. Zuvor allerdings kamen noch vier weitere Bücher auf den Markt, von denen wir euch vor allem den gefeierten dritten Band namens „Spielen“ empfehlen möchten. Gerade weil er das Leben hier aus zwei Sichtweisen, der der Kinder und der der Erwachsenen, schildert, geht einem im Laufe des Romans immer wieder ein Licht auf und die beinahe schon philosophischen Abhandlungen des Autors sind überaus bemerkenswert. Kein Wunder also, dass das Buch auch bezüglich seiner Breitenwirksamkeit alle Erwartungen übertraf und eine einzigartige Erfolgsgeschichte fortschreibt, deren Kehrseite nur umso düsterer ist. Im fünften Buch der Reihe namens „Träumen“ schreibt Knausgård derweil über seine Zeit in Bergen, einer norwegischen Küstenstadt, die er erst nach 14 Jahren, dann aber regelrecht fluchtartig verließ. Im Mittelpunkt stehen dabei die erfolglosen Jahre seines Lebens, seine erste Ehe scheitert und der Versuch sich als Schriftsteller zu etablieren ebenfalls. Aufgeben allerdings ist keine Option und doch gehen die ersten Erfolge als Künstler mit noch extremeren Alkoholexzessen einher. Wir warnen deshalb schon einmal alle Leser vor. Es tut bisweilen wirklich weh, diese Werke zu lesen, sie überschreiten Grenzen, die man normalerweise niemals überschreiten darf und wir sind buchstäblich von Seite zu Seite hin- und hergerissen, die Bücher einfach zu schließen und beiseite zu legen – gleichzeitig allerdings haben wir es hier mit dem Werk eines großen Literaten zu tun, entscheidet also am Besten selbst, ob ihr euch dieses ebenso fulminante wie schonungslose Gesamtwerk zu Gemüte führen möchtet…

… alle anderen können sich stattdessen auch mal an die sogenannten „Jahreszeiten“-Bände des Künstlers heranwagen. Selbige starten mit dem gefeierten Werk „Im Herbst“, das sich wie eine einzige Liebeserklärung an die Welt um uns herum liest. Darin finden sich nicht nur Briefe an eine ungeborene Tochter, sondern auch jede Menge Erfahrungen aus dem Alltag. Die Ausgangslage dabei ist folgende. Ein Kind wird bald geboren werden und der Autor setzt sich an seinen Schreibtisch und schreibt ihm einen Brief. Er möchte das Kind vorbereiten auf das, was es erwartet, ihm die Sonne zeigen und die Einsamkeit. Die Liebe und das Leben. Den Tag und die Nacht. Im Grunde genommen möchte er ihm die ganze Welt zu Füßen legen und schreibt dabei auch über die Einsamkeit, während das Kind im Dunkel heranwächst. Wenn du also auch das Leben feierst, wie es ist – in all seinen Facetten und mit all seinem Reichtum, aber auch mit seinen Schattenseiten, dann widme dich diesem Werk. Du wirst es ganz sicher nicht bereuen.