// generation arschloch …

Wir haben keine Namen. Niemand wird sich je an uns erinnern, oder an das, was wir getan haben. Weil wir nichts getan haben. Wir sind die Generation Arschloch. Wir sind keine Kinder der Revolution und die meisten von uns fuhren nie einen 1er Golf, mit Schaltern aus Holz und wir mussten nie jahrelang unser Taschengeld […]

Wir haben keine Namen. Niemand wird sich je an uns erinnern, oder an das, was wir getan haben. Weil wir nichts getan haben. Wir sind die Generation Arschloch. Wir sind keine Kinder der Revolution und die meisten von uns fuhren nie einen 1er Golf, mit Schaltern aus Holz und wir mussten nie jahrelang unser Taschengeld in D-MARK für ein zweites Auspuffrohr sparen. Unsere Autos heißen nicht GOLF, sie haben futuristische Bezeichnungen wie Yaris , Corsa oder Micra und bestehen zu 90 Prozent aus recyceltem Plastik. Auch haben wir sie nicht gekauft, wir mussten nicht sparen – nein – wir haben sie geleast …



Die Mondlandung ist für uns nur eine schlechte Science-Fiction-Produktion irgendwo aus der Wüste von Nevada, JFK nur ein Typ aus einem wackeligen Film und der zweite Weltkrieg eine Endlos-Soap auf N24 und Phoenix. Regie: Guido Knopp. Geboren wurden wir Anfang der Achtziger Jahre des letzten JAHRTAUSEND! Als irgendein Depp in Tschernobyl auf den falschen Knopf drückte, sind wir noch in Windeln um den Weihnachtsbaum gelaufen und als die Berliner Mauer fiel, hatten wir uns gerade daran gewöhnt, dass WIR die guten waren und DIE DA DRÜBEN die Bösen. Danke, wer auch immer!


Alles was wir hatten, wurde uns immer kaputtgemacht. Wir hatten nie die Chance, uns mit irgendetwas zu identifizieren. In den frühen Neunzigern gewöhnten wir uns unter Kotzen und Spucken das Rauchen an, heimlich unter irgendeiner alten Holzbrücke. Auf einmal sagte man uns, das Rauchen impotent macht. Na und – sagen wir heute – es ist uns egal, wir wollen uns sowieso nicht fortpflanzen, denn wir sind die Generation Arschloch. Doch damals, da träumten wir davon, wie der Marlboro Mann durch die amerikanische Prärie zu reiten, wild und frei. Aber es wurde nichts daraus, denn wie wir heute alle wissen: Amerika ist schlecht. Damals hatten wir alle die Stars and Stripes stolz über unseren Kinderzimmerbetten hängen….heute hängt dort das Konterfei von Che Guevara. Und wenn uns jemand fragt, was der gemacht hat, dann antworten wir: „Keine Ahnung, irgendwas mit Revolution halt“. Egal, fest steht: Amerika ist Scheisse!


Wenn uns jemand nach unserer Kindheit fragt, dann sagen wir: „joah, die Neunziger halt. Was war noch mal in den Neunzigern? Ahja, Techno und so.“ „Und sonst…..?“ „Öhm, Irak-Krieg? Langweilig … is ja heut auch.“ „Ahso, joah …“ Die Neunziger waren das langweiligste Jahrzehnt der Weltgeschichte. Und selbst wenn es das nicht war, wir waren noch zu jung und zu behütet um etwas davon mitzubekommen. Als sich Curt Kobain 1994 die Kugel gab, kaufte ich mir meine erste CD … 2-Unlimited. Es war für uns ein Jahrzehnt ohne Gesicht, ohne Charakter, wir, die Generation Arschloch.


Jeder Besuch bei Mac Donalds war früher für uns wie Geburtstag und Weihnachten zusammen. Damals musste man von uns aus noch zum nächsten Mac Donalds FAHREN, über die Autobahn, damals, als es noch die JUNIOR Tüte gab und nicht das Happy Meal. Ja, wir wurden mit kleinen matschigen Burgern aufgezogen, damals, in den Neunzigern. Aber dann kam die Bovinespongiformeenzefalopatie, eine Krankheit, die einen so bescheuerten Namen hat, dass es nur eine Erfindung sein kann. Aber trotzdem wurde uns wieder alles kaputtgemacht, Generation Arschloch. Dann Jahrtausendwende. Und wir dachten: Geil, wir werden die Generation sein, die endlich den Weltuntergang miterlebt, weil ein Computerfuzzi bei der Programmierung der ersten Rechner ein paar Bytes Speicherplatz sparen wollte. Würde uns zwar nix bringen, weil die Welt dann ja untergegangen wäre….aber es geht ums Prinzip! Wir wollten nur einen Namen! Und was war? Nix war. War klar, dass nix war. Zwei Wörter: Generation Arschloch.


Das war unsere Jugend. Dann wurden wir erwachsen. Wir machten das Abitur an einer Halbtagsschule, in 13 Jahren mit LEISTUNGSKURSEN und ohne Kern-Kompetenenz-Neigungs-Schwuchtelfach. Den Führerschein bekamen wir mit 18 und fortan stand uns die Welt in unseren kleinen japanischen Plastikbällchen offen. Wieder einmal waren wir die Könige. Wir waren wie damals: die Pimps der 1a. Nur besser, größer und mit mehr Gel in den Haaren. Und dann kam der elfte September, live auf N-TV und CNN. Wir alle kramten unsere US-Flaggen wieder heraus und hissten sie. Auf einmal waren wieder alle für Amerika, und gegen die blöden Taliban und Bin Laden. Mein persönlicher Hass verstärkte sich durch die Tatsache, dass das wohl beste Rockkonzert der Welt im November 2001 – Blink 182, Sum 41 und Jimmy Eat World für 25 D-MARK – wegen des 11. September abgesagt wurde. Bin Laden, kiss my ass! Aber nun dachte sich ein völlig bescheuerter Typ aus Texas mit einem IQ einer ranzigen Brezel: Hm … Krieg wär gut. Und dann war Amerika auf einmal wieder scheisse, alle waren gegen Amerika und gegen Bush und das einzige was wir mit unseren Flaggen machen konnten, war, sie bei großen Demonstrationen zu verbrennen und wieder irgendwas mit Revolution zu machen. Generation Arschloch.


Doch nicht mal mehr verbrennen dürfen wir sie jetzt, jetzt gibt es nämlich die neuste Erfindung. CO2, Klimaerwärmung, und da sind nun auch alle dagegen, weil: „Nee … ey … Klima und so, das muss man schützen, weil sonst kommt Aiman Abdallah, Sonja Kraus von Pro7 und der Bono von U2 und schlagen dir die Fresse ein!“ Live Hurt! Wir sind die Generation Arschloch, eine Generation ohne Identität. Die Flamme unserer Jugend, Britney Spears, ist heute eine abgehalfterte, glatzköpfige Drogensüchtige, die nicht verstanden hat, wozu es Unterwäsche gibt. Noch einen „Wodka-Brause“ Baby, one more time! Währenddessen wälzt sich der Held unserer Kindheit – David Hasselhoff – sternhagelvoll auf einem Youtube-Video
und jeder Kleinwagen hat heute mehr Technik an Bord als Kit. David Hasselhoff von damals gibt es heute nur noch als Klingelton. Aber wir können ihn uns nicht runterladen, weil wir zu langsam geworden sind, um die modernen Handys zu kapieren und unsere Augen schon zu schlecht sind, um das ganz Kleingedruckte in der TV-Klingeltonwerbung lesen zu können. Einen aus der Generation Arschloch erkennt man daran, das sein Handy heute immer noch so klingelt: dü-düd…dü-düd. Und während wir die Kurzmitteilungen auf unseren dreizeiligen Nokia-Displays lesen beschimpfen uns 14 jährige Pickelgesichter mit Ausdrücken, die wir nicht verstehen, weil die in irgendeiner komischen neuen Sprache reden und uns dabei mit ihren 4 Gigapixeln Handykameras filmen.


Wir sind zu alt geworden für das 21. Jahrhundert und zu jung um in der Kneipe um die Ecke unsere Mittwochabende in alten Kriegsgeschichten zu ertränken. Wir sind zu jung für die Vergangenheit und schon zu alt für die Zukunft. Wir hängen zwischen den Welten. Wir haben nichts geleistet, aber viel zu meckern. Wir werden uns nicht vermehren, wir werden aussterben, getilgt aus den Geschichtsbüchern, nur dieser Text wird an uns erinnern … wir die Generation Arschloch … zwischen damals und heute. Zwischen kaltem Krieg und Globalisierung, zwischen Doom und Bowling for Columbine, zwischen dem HB-Männchen und Lungenkrebs, zwischen FastFood und Bio, zwischen Baywatch und Hardcore-Porno, zwischen Otto und Stefan Raab und zwischen Nirvana und Tokio Hotel. Zu jung zum Sterben, zu alt zum Zurechtfinden.
Immer mitten in die Scheisse!


// text: thomas brandt // photo: luise aedtner

3 KOMMENTARE ZUM FAKE

  1. S. hat diese Meinung am on 10. November 2007 hinzugefügt| Permalink

    Ich war voll begeistert, als ich diesen Artikel heute Nacht im Zuckerkick gelesen habe.

    Wollte insgesamt nochmal sagen, dass ich es super finde, dass es den Zuckerkick kostenlos für die Würzburger Region gibt und dass ihr euch jedes mal so viel Mühe gebt. Macht weiter so!!!

    Ich freue mich immer schon auf den nächsten Monat- und die nächste Ausgabe vom Zuckerkick.

  2. admin hat diese Meinung am on 11. November 2007 hinzugefügt| Permalink

    thank you very much & keep on reading

  3. K. hat diese Meinung am on 17. März 2008 hinzugefügt| Permalink

    Ich liebe diesen Artikel… hab schon Angst gehabt, dass der weg ist weil ich meine alte zuckerkick net gefunden hab. Ein hoch auf das Internet, und grosses kompliment an den autor. weiter so!!