// vom suchen und finden der liebe

Ich bin alleine. Das ist nicht weiter schlimm. Okay, ihr habt mich durchschaut. Ich habe gelogen. Es ist schlimm. Sogar sehr schlimm. Ich bin der alleinigste Mensch auf diesem Planeten. Und zu allem Überfluss sind wir auch noch alleine im Universum – was zwar mit mir jetzt nicht wirklich viel zu tun hat, aber darum […]

Ich bin alleine. Das ist nicht weiter schlimm.
Okay, ihr habt mich durchschaut. Ich habe gelogen. Es ist schlimm. Sogar sehr schlimm. Ich bin der alleinigste Mensch auf diesem Planeten. Und zu allem Überfluss sind wir auch noch alleine im Universum – was zwar mit mir jetzt nicht wirklich viel zu tun hat, aber darum geht es nicht. Es verstärkt mein Gefühl des Alleinseins. Und allein das tue ich im Moment. Mich alleine fühlen. Das kann ich gut. Vielleicht zu gut. Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich Menschen, die nicht alleine sind. Jeder ist immer irgendwie auf dem Weg zu irgendjemanden oder irgendetwas. Und jetzt, wo es gerade Frühling wird, werde ich in solchen Momenten noch melodramatischer. Ich habe alles ausprobiert.

Von StudiVZ über MySpace bis hin zu Lokalisten und friendscout24. Nichts hat geklappt. Manchmal glaube ich, die Mehrheit der Menschen hat einen ziemlichen Schlag weg. Hauptsächlich die weiblichen. Eigentlich nur die weiblichen. Verschmähen die mich. Pah. Meine letzte Freundin hat mich sitzen lassen. Warum? Keine Ahnung. Fragt sie. Ich hab zufällig ihre Handynummer noch gespeichert, falls Sie jemand möchte. Aber glaubt mir: Ich bin durch mit Ihr. Durch sag ich! DURCH!

Schluss mit Trübsal blasen. Es wird Frühling. Und Frühling heißt: Paarungszeit. Bewundernswert. Wir verpflanzen Herzen, Hände, fliegen zu Mond und bald auch zum Mars, weil wir es als höchste Stufe der Evolution in ein paar tausend Jahren geschafft haben, Mutter Erde so was von in den Allerwertesten zu treten; und sobald die ersten warmen Sonnenstrahlen hier eintreffen, die Vögel zwitschern und die Blumen sprießen denken wir alle nur noch: WO FRAU? Respektive WO MANN. Fehlen nur noch die Bärenfelle und die Keulen. Egal. Manche Dinge akzeptiert man besser so wie sie sind. Macht ja auch Spaß. Meistens zumindest. Wenn dir nicht gerade ne Ex-Freundin dazwischenkommt. Möchte niemand die Nummer? Ich hab’ sie hier noch!

Schluss mit Philosophieren. Eine Frau muss her. Und zwar eine echte. So mit Beinen und so. Und weil meine letzten zivilisierten Balz-Tänze in einschlägigen Discotheken und auf virtuellen Flirt-Communities vollkommen gefloppt waren, probierte ich es vor ein Paar Monaten old school style. Nein, nicht mit Fensterln. Mit einer Kontaktanzeige. In einer Zeitung. Für die Unter-18-Jährigen unter euch: Das ist wie das Internet und so. Nur halt auf Papier. Sowas hat man früher am Frühstückstisch gelesen. Frühstück. Also, das ist so wie die Chips, die ihr euch in der Schule zwischen dem ersten Handy-Gewaltporno auf dem Jungsklo und der zweiten Crack-Pfeife reinzieht – nur halt frühs, und gesünder. Soviel zur Belehrung. Setzen, sechs!

Apropos. Also, Kontaktanzeige. Dafür braucht man zuerst eine klare Absicht. Hatte ich. Dann einen guten Text. Hatte ich nicht. Und ich wollte nicht so etwas wie „Traumprinz sucht Prinzessin zum Retten“ oder „Yin sucht Yang“ oder absoluter Worst Case: „Einsamer sucht Einsame zum…“ hust hust…ähm, ja. Also. Das lassen wir mal lieber. Ich darf um Aufmerksamkeit bitten. Mein Werk:

Ich, Mann, 26, suche Dich, Frau, 26 – oder so was um den Dreh. Einfach normal. Ich will keine erotischen Abenteuer, keinen Seitensprung, auch nichts Außergewöhnliches ausprobieren, kein Bungee-Jumping machen, nicht mit weißen Haien schwimmen und werde dir auch nicht sagen, dass dein Vater ein Dieb war, weil der die Sterne geklaut und sie dir in die Augen gelegt hat. Das ganz besonders nicht. Bitte: nur normal. Nett und so – halt. Danke!

Applaus bitte. Ich warte so lang. Mal ehrlich: Klingt gar nicht so übel, oder? Fand ich zumindest und hab meine Anzeige mit Chiffre-Nummer (wirkt mysteriöser, Frauen mögen das, sagt das Fernsehen!) eine Woche später auf den einschlägigen Seiten diverser Lokalzeitungen wieder gefunden. Jetzt musste ich also nur noch warten. Warten. Warten. Warten. Ruf endlich an. Warten. Warten. Keine ruft an. Auch KeineR ruft an. Vielleicht auch besser so. Dann plötzlich: Das Telefon klingelte…nicht. Aber dafür kam eine E-Mail von der Zeitung mit den Zuschriften auf meine Anzeige. Also – genauer gesagt der einen Zuschrift. Kleinvieh. Mist! Egal.

Ich überspringe der Langweile halber die sperrige Kontaktaufnahme mit „Jeanette“ – so hieß „sie“. Foto wollte „sie“ mir keines vorab schicken. Jetzt kommt’s. Vorschlag von „ihr“. Wir treffen uns im Park auf einer ganz bestimmten Bank. Genial. Ihre Stimme klang zwar nett – aber ich hatte den Plan, einfach etwas später als zur verabredeten Zeit zu kommen. Denn (ha, männliches Gehirn, du bist so toll): Falls sie mir optisch nicht gefallen würde (jaja, Charakter, ich weiß, aber ich bin nun mal anders!), könnte ich einfach an der betreffenden Parkbank vorbeigehen. Komisch dass der Vorschlag von ihr kam – dachte ich mir. Vielleicht hat die sich den gleichen Plan überlegt. Aber wer soll mich bitte nicht optisch attraktiv finden? Eben. Völlig abwegige Idee.

Ich saß lange auf der Parkbank. Alleine. Sonst saß niemand auf der Parkbank. Und es kam auch niemand und setzte sich zu mir. Von den taubenfütternden Rentnern mal abgesehen. Gurr Gurr Gurr. Machte mich wahnsinnig. Dabei kam ich extra zu spät. Trotzdem war niemand da. Keine Jeanette. Keine fleischgewordene Venus. Nichteinmal eine fleischgewordene „Naja“-Venus. Wie ich an diesem Tag nach endlosen Warte-Arien nach Hause gekommen bin? Ich bin gefahren worden. Von der Polizei. Nachdem ich nach vier Stunden auf dieser VERDAMMTEN Parkbank saß, schoss mir eine Portion Testosteron ins Gehirn. Ich sprang auf – gurrend (verdammte Rentner!), sprang jedem annähernd weiblich aussehenden Wesen in den Weg und schrie ihnen – von Gurrlauten unterbrochen – in ihre Gesichter „BIST DU JEANETTE?“ „BIST DU JEANETTE“. „IST HIER IRGENDJEMAND JEANETTE“. Lustig, ne? Fand die Polizei nicht. Ich warte noch immer auf die Anzeige. Nicht auf die Kontakt-Anzeige, sondern auf die Straf-Variante von Vater Staat. Und das alles nur wegen dieser bescheuerten Form der Partnersuche. Aber ich wollte nicht aufgeben – das beschloss ich schon, als ich die Treppen in meinem Mietshaus hinaufstieg und der Polizei noch einmal freundlich durch die Haustüre zuwinkte.

Kurz vor meiner Wohnungstür ein „Hi Thomas“. Es war Tanja. Sie wohnt nebenan. Wo ich herkomme, wollte sie wissen. „War nur etwas im Park“, antworte ich. Oh, da würde sie gern mal mit mir zusammen hingehen. Klar, gern. Morgen Abend? Deal!

So schnell kann das Leben sein. Wir sind jetzt seit fast drei Monaten zusammen. Ohne Kontaktanzeige. Ganz einfach. Einfach nur durch Kontakt.
// von thomas brand