// aufgelesen vol. (5)66 – „sonnenhang“

mit dem Werk „Sonnenhang“ von Kathrin Weßling. // Kathrin Weßling hat ein besonderes Talent dafür, das Gefühl der Orientierungslosigkeit in der modernen Gesellschaft in Worte zu fassen. Ihre Bücher sind schonungslos ehrlich, oft schmerzhaft nah an der Realität, aber immer mit einer feinen Prise Humor und Menschlichkeit durchzogen. „Sonnenhang“ ist da keine Ausnahme. Der Roman […]

mit dem Werk „Sonnenhang“ von Kathrin Weßling.

// Kathrin Weßling hat ein besonderes Talent dafür, das Gefühl der Orientierungslosigkeit in der modernen Gesellschaft in Worte zu fassen. Ihre Bücher sind schonungslos ehrlich, oft schmerzhaft nah an der Realität, aber immer mit einer feinen Prise Humor und Menschlichkeit durchzogen. „Sonnenhang“ ist da keine Ausnahme. Der Roman erzählt von Katharina, einer Enddreißigerin, die sich in einem Leben wiederfindet, das nicht dem entspricht, was sie sich einst erträumt hat. Während ihr Umfeld scheinbar nahtlos ins klassische Erwachsenendasein mit Familie, Karriere und Glück übergeht, fühlt sie sich verloren. Besonders eindringlich ist der Moment, in dem Katharina erfährt, dass sie keine Kinder bekommen kann. Ein Leben, das sich bislang wie ein offenes Feld voller Möglichkeiten anfühlte, verengt sich schlagartig. Plötzlich scheint all das, womit sie ihre Zeit gefüllt hat – Arbeit, Trash-TV, durchzechte Nächte – nicht mehr zu reichen, um die Leere zu füllen.

Es ist ein Gefühl, das viele Leserinnen und Leser wohl kennen: die Angst, dass einem das Leben durch die Finger rinnt, während man selbst nicht genau weiß, wo man eigentlich hin will. Die Wendung kommt in Form einer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Seniorenresidenz Sonnenhang – ein Ort, der auf den ersten Blick wenig mit Katharinas Welt gemein zu haben scheint. Doch gerade dort, zwischen Eierlikör, Kniffelrunden und der Gesellschaft älterer Menschen, entdeckt sie etwas, das ihr fehlt: echte Verbindungen. Weßling zeichnet die Begegnungen zwischen den Generationen mit großer Wärme und Tiefe. Die Senioren sind keine bloßen Nebenfiguren, sondern bringen Katharina neue Perspektiven und stellen Fragen, die sie sich selbst nie erlaubt hat. Was diesen Roman besonders macht, ist die Art, wie Weßling ernste Themen behandelt, ohne ins Larmoyante oder Kitschige abzudriften. Sie beschreibt die Einsamkeit der Protagonistin ohne überzogene Dramatik, sondern mit einer Präzision, die wehtut. Ihre Sprache ist direkt, oft lakonisch, aber immer mit einem scharfen Blick für Zwischentöne. Besonders eindrucksvoll sind die Dialoge – mal bitter, mal humorvoll, mal voller leiser Melancholie. „Sonnenhang“ ist ein Roman über die Suche nach Sinn in einer Welt, die ständig vorgaukelt, dass jeder seinen Platz bereits gefunden haben sollte. Es geht um Freundschaften, die Generationen überbrücken, um den Wert von kleinen Momenten und darum, dass das Leben nicht immer so verläuft, wie man es geplant hat – und dass genau darin vielleicht eine Chance liegt. Wer sich jemals gefragt hat, ob es noch mehr gibt als das, was Instagram und gesellschaftliche Erwartungen vorgeben, wird in diesem Buch viel Vertrautes finden. Weßling zeigt auf berührende Weise, dass das große Glück manchmal genau dort wartet, wo man es am wenigsten erwartet.