// people are strange, when you’re a stranger (jim morrison)

Die Bilder, die er malt, sind farbenfroh, die Wohnung ist hell und in warmen Farben eingerichtet. Die Begrüßung könnte kaum fröhlicher und optimistischer ausfallen und die CD, wegen der wir gekommen sind, schließt unter anderem mit den Worten: „Das Leben ist schön“. Doch Johannes Menzels CD „Irre Lieder“ erzählt eine andere Geschichte, die Geschichte eines […]

Die Bilder, die er malt, sind farbenfroh, die Wohnung ist hell und in warmen Farben eingerichtet. Die Begrüßung könnte kaum fröhlicher und optimistischer ausfallen und die CD, wegen der wir gekommen sind, schließt unter anderem mit den Worten: „Das Leben ist schön“. Doch Johannes Menzels CD „Irre Lieder“ erzählt eine andere Geschichte, die Geschichte eines Menschen, der Höhen und Tiefen erlebt und gemeistert hat.
Johannes Menzel, 1956 geboren, ist mittlerweile seit 25 Jahren Hauptschullehrer und das auch gerne. Doch 1997 gaben ihm Probleme in der Ehe, die spätere Scheidung und das Burnout-Syndrom als Folge privater und beruflicher Überlastung fast den Rest. Depressionen und Selbstmordgefährdung waren die Folgen, doch er beschloss, etwas dagegen zu unternehmen. Er ging in Psychotherapie, war ein halbes Jahr in der Psychiatrie, zeitweise auch in der geschlossenen Abteilung. Doch dank dieser professionellen Hilfe und der seiner Freunde, Familie und seiner neuen Lebensgefährtin hat er zurück ins Leben gefunden. Er zog aus, fing neu an, begann wieder Unterricht zu geben und auch zu seinen Kindern hat Johannes nach wie vor ein sehr gutes Verhältnis. Als wir kommen, ist gerade „Männertag“ mit seinem 16-jährigen Sohn angesagt. Er hat es also,
auch dank der Kunst und der Musik, „einfach raus“ geschafft. So auch der Titel seines ersten Liedes, das diesen Weg schildert und nun anderen helfen und die Vorurteile in unserer Gesellschaft gegenüber Menschen mit seelischen Problemen abbauen soll. Von diesen Erlebnissen, seiner Musik, ihrer Bedeutung für ihn und andere sowie Vorurteilen erzählte er uns – und stellte dabei so manches Klischee auf den Kopf.
Du singst über deinen Weg aus der seelischen Krise, es war „leichter gesagt als getan“ (Zitat aus einem seiner Lieder). Wie schwer ist es in so einer Zeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen und wieder so positiv zu werden wie du?

Die Entscheidung, den Schritt in die Therapie zu wagen und später auch auszuziehen war sehr schwer. In so einer Depression ist man gelähmt, in einem Tal ganz unten und nicht mehr selbst entscheidungsfähig. Man fühlt sich wie in Watte gepackt, als könne jeder mit einem tun was er will. In dieser Situation habe ich gemerkt: Ich muss „einfach raus“ (ebenfalls ein Zitat). So schwer es auch ist und so schwer man es sich in diesem Moment auch vorstellt.

Ist deine CD „Irre Lieder“ eine persönliche Aufarbeitung deiner Erlebnisse oder eher ein Appell an andere? Welche Botschaft willst du den Hörern mitgeben?

Die CD ist eine Erzählung aus meinem Leben, über die Erfahrungen, die ich gemacht habe. Die Lieder sind alle authentisch und sollen daher natürlich auch ein Appell sein, der allen Menschen Mut machen soll, die in solchen schwierigen Situationen sind. Daher bezeichne ich mich auch als „Mutmacher“. Das Thema Depression soll enttabuisiert werden. Mit dieser CD versuche ich die Vorurteile gegenüber psychisch Kranken abzubauen.

Bestehen deiner Meinung nach große Vorurteile in unserer Gesellschaft gegenüber Menschen mit seelischen Problemen, die zur Psychotherapie gehen?

Viele lassen dich fallen und interessieren sich plötzlich nicht mehr für dich. Unter einer geschlossenen Anstalt stellen sich alle immer Gummizellen vor, doch das ist nicht so! Es gibt viel zu viele solcher Vorurteile gegenüber der sogenannten „Klapse“, dabei ist das im Grunde ein ganz normales Krankenhaus für Menschen, die seelisch, statt körperlich krank sind. Eine Zwangsjacke beispielsweise habe ich nicht ein einziges Mal gesehen.

Also ist die CD auch ein Aufruf an uns alle, Vorurteile abzubauen. Welche Botschaft sollte jeder, der das Glück hat, nie in einer solchen Situation gewesen zu sein, mitnehmen?

Menschen, die sich freiwillig einer solchen Behandlung unterziehen, sind meiner Meinung nach gesünder als diejenigen, die merken, es stimmt etwas nicht, und nichts dagegen unternehmen. Es gibt bestimmt mehr Verrückte in Freiheit, als in der „Klapse“, und die Menschen, die hier draußen rumlaufen und nur „IchIchIch“ sehen, sind kranker als diejenigen, die an sich selbst zweifeln und Krisen bewusst durchleben. Und denen, die un er Selbstzweifeln und Depressionen leiden, will ich helfen. Daher das Lied „Einfach nur raus“.

Hattest du selbst unter Vorurteilen zu leiden?

Meine Schüler, die Kollegen und vor allem auch Freunde und meine Familie haben mich immer unterstützt. Für sie war es keine Schwäche, sich einer Therapie zu unterziehen, sondern mutig und die richtige Entscheidung. Sie standen immer voll hinter mir. Doch es gibt immer Getuschel: „Der spinnt doch“, „Der hat einen an der
Klatsche“, so etwas spricht sich schnell herum und in der ersten Zeit bemerkt man schon die zweifelnden Blicke. In solchen Situationen zeigt sich dann schnell, wer wirklich zu einem hält. Da trennt sich die Spreu vom Weizen und nur einige wirklich guten Freunde bleiben übrig.

Wie könnte man Menschen in einer solchen Lage am Besten helfen?

Auf gar keinen Fall totschweigen! Es ist wichtig, dass man die Möglichkeit hat, über seine Probleme zu reden. Wenn sie nicht zu lösen sind, dann sollte man professionelle Hilfen annehmen. Ein Psychologe kann die nötige neutrale Person zum Reden sein, die zuhört. Die Gesellschaft darf solche Probleme nicht ins Vergessen schweigen und Menschen wie mich als „Sensibelchen“ oder „Spinner“ abtun, sondern muss sie ernst nehmen. Menschen, die zuhören,
auf dich eingehen, retten dich in solchen Situationen. Ich hatte Glück und in meiner neuen Partnerin einen wunderbaren Rückhalt.

Wie haben die Menschen um dich herum auf deine Offenheit, sozusagen dein Outing und auf deine CD reagiert?

Tatsächlich sehr, sehr gut! Es kamen keinerlei negative Äußerungen, im Gegenteil. Vor allem meine Schüler von damals reagierten unglaublich positiv. Sie haben mir eine
Karte in die Klinik geschickt auf der stand, ich solle schnell wieder gesund werden. Und für die Schüler meiner jetzigen 5. Klasse bin ich mit meiner Musik eine Art „Star“, den sie am liebsten bei „DSDS“ sehen würden. Kinder sind in dieser Hinsicht verdammt ehrlich, sie verstellen sich nicht und sind daher auch ein wichtiger Gradmesser für mich. Aber auch die Eltern der Kinder und meine Kollegen haben begeistert auf mein Projekt und meine Offenheit reagiert, tatsächlich wurde dadurch vieles leichter.

Hast du bereits Feedback von Menschen erhalten, die ähnliches durchgemacht haben? Haben sie sich in der Musik wiedergefunden und konntest du ihnen auf diese Weise helfen?

Viele waren sehr offen. Ich habe unwahrscheinlich viele Briefe und E-Mails von Menschen erhalten, die auch unter Depressionen litten oder leiden. Die Ähnliches erlebt haben, und die vor allem meine Offenheit in Bezug auf dieses Thema und die Art, damit umzugehen, schätzen.
// von lara falkenberg