// zuckerbeat vol. (1)48 – ole ole ole harz for

Schon das Artwork seines neuen Albums lässt keine großen Zweifel aufkommen. Micah P. Hinson macht keine Gefangenen. Der texanische Liedermacher zielt direkt auf das Herz des Hörers. Hoch gepusht von der orchestralen Anmut des Openers „A Call To Arms“ entfaltet sein gleichnamiges Album mit den Pioneer Saboteurs einen abseitigen Charme, der anmutet, als würde sich […]

micahSchon das Artwork seines neuen Albums lässt keine großen Zweifel aufkommen. Micah P. Hinson macht keine Gefangenen. Der texanische Liedermacher zielt direkt auf das Herz des Hörers. Hoch gepusht von der orchestralen Anmut des Openers „A Call To Arms“ entfaltet sein gleichnamiges Album mit den Pioneer Saboteurs einen abseitigen Charme, der anmutet, als würde sich gerade eine Einheimische mit einem mannigfaltigen Orchester ein Psycho-Duell vorm Saloon liefern. Psychedelische Chöre treffen auf Lagerfeuer-Romantik und zwischenrein kommen schöne Erinnerungen an die Frühphase von Bright Eyes hoch. Dieses Werk steckt so voller Details, dass man noch Stunden später gefesselt von der Musik ist.

the-black-keys-brothers-300x300Den Black Keys ist derweil endlich mal zu wünschen, dass sie hierzulande aus der Nische heraus krabbeln. Denn jeder, der sich schon immer mal gefragt hat, wie das wohl klingen würde, wenn Gnarls Barkley und die White Stripes zusammen in den Ring steigen, sollte sich das neue Album „Brothers“ zu Gemüte führen. Auf die Mattscheiben der Nation gepusht von ihrem Single Hit „Tighten Up“, fabrizieren Patrick Carney und Dan Auerbach eine ganze Reihe Genickbrecher vor dem Herrn, die so poppig-verspuckt anmuten, dass man sich das Ganze auch 15 Akte lang zu Gemüte führt, ohne von einer ausgiebigen Gähnattacke befallen zu werden. The Black Keys haben ein Album voller Hits geschrieben. Mal wieder. Dreht die Regler auf Anschlag und erfreut eure Nachbarn mit diesem Sound. Sie werden vor Glück gegen die Wand trommeln.

eminemEminem hatten wir derweil eigentlich schon abgeschrieben. Und die „Recovery“ des Künstlers erschien nicht unbedingt nahe liegend, wenn man sich das unsägliche Covermotiv des gleichnamigen, neuen Albums zu Gemüte führt. Komischerweise allerdings bündelt er auf seinem aktuellen Album mal wieder seinen Hang zum pompösen Pop-Moment mit spritzigen Raps, die zwar von einer gewissen Routine durchzogen sind, aber trotzdem zum Mitnicken einladen. Kurz gesagt: Eminem funktioniert plötzlich wieder als Bass-Monsters für die durchgesessenen Autosessel. Songs, wie „Talkin´ 2 Myself“ mit Unterstützung von Kobe und der Rihanna-Säusler „Love The Way You Lie“ gehören zum Besten, was dem Künstler in den letzten Jahren über die Lippen kam. Der Rest der Scheibe sorgt zwar nicht unbedingt für einen großen A-ha-Effekt beim Hörer, weshalb Eminem mit dieser Scheibe wohl nicht zum innovativsten Rapper 2010 gekürt wird, unabhängig davon aber ist „Recovery“ ein zeitgemäßes Rap-Album, das man gut durchhören kann. Lediglich das unsägliche „Won´t Back Down“ mit P!nk und die Haddaway-Hommage „No Love“ mit Lil Wayne trübt die Stimmung ein bisschen, alles in allem aber keine schlechte Quote, bei 14 Tracks.

linusZwischendurch mal ein kurzer Hinweis auf eine schöne Lesung im Jugendkulturhaus Cairo in Würzburg. Am 23. Juli stehen da Jens Friebe und Linus Volkmann, seines Zeichens schreibender Schlaumeier aus dem Hause „Intro“, auf der Bühne. Letztere liest aus seinem neuen Buch mit dem imposanten Titel „Wie sehr muss man sich eigentlich noch verstellen, um endlich natürlich rüber zu kommen?“. Ein gefundenes Fressen für all diejenigen, die sich lieber im heimischen Wohnzimmer genüsslich eine dreiviertel Stunde Musik reinziehen, statt sich mit netten Bekannten in einem Café zu treffen. Ein gefundenes Fressen, nicht nur für Nerds, weil witzig geschrieben und scharfsinnig beobachtet. Also schaut mal rein. Um 20 Uhr geht’s los. Präsentiert von komm küssen.

hgichtHGich.T (sprich HaGeIchTee) frönt auf seinem neuen Album „Mein Hobby: Arschloch“ seinen Vorlieben und schiebt uns ein paar charmante Punk-Hymnen der Marke „Harz For“ unter, die zum sympathischsten gehören, was uns in Sachen Gaga-Pop zuletzt aus hiesigen Gefilden um die Ohren gehauen wurde. Elektro-Klopper, wie „Hauptschule“ treffen auf Genick-Brecher, wie „Franz Kafka“. „Oleoleole, Harz For“ – feiert den Sozialstaat – so geht Gesellschaftskritik. So kontert man Gesellschaftskritik. So gesellschaftet man Kritik. So klingt HGich.T. „Mama, ich muss a a“? Meint der jetzt den Staat oder die Mutti, also die Merkel. Noch Fragen? „Mein Hobby: Arschloch“ weiß die Antwort.

tokyo-police-club-champ-cover-artDer Tokyo Police Club könnte derweil Bloc Party Konkurrenz machen, so einen verschlungenen, zum Ende hin explodierenden Opener haben wir schon lange nicht mehr vor den Latz geknallt bekommen. Auf „Champ“ geht’s aber auch hinterher noch äußert sommerlich und poppig zu. Zu „Favourite Colour“ wippt der Minirock im Takt, und zu „Wait Up (Boots Of Danger)“ darf hemmungslos geknutscht werden. Mit diesem Album machen Tokyo Police Club fast schon den Wannadies Konkurrenz und schreiben lauter schmissige „You And Me Songs“, die einem angrinsen, als wollten sie die Sommersonne in die Indie-Disco schupsen.

au-revoir-simoneAu Revoir Simone werden derweil von zahlreichen Kollegen durch den Remix-Wolf gedreht und so entstehen ein paar Tanzflächen-Hits, die für ordentlichen Wumms im Club sorgen. Eingeläutet wird „Night Light“ von Neon Indian, der mit seiner Version von „Another Likely Story“ alle T-Shirts mit Schweißränder verziert. Jens Lekman lässt es anschließend erstmal etwas ruhiger angehen, bevor zu Jensen Sportags Remix von „All Or Nothing“ endgültig ein astreiner Hüftschwung geübt werden darf. Die Musik von Au Revoir Simone hat trotz aller melancholischen Zwischentöne ja immer etwas Beschwingtes ausgestrahlt. Dieses Album ist ein gefundenes Fressen für all jene, die gerne mal hinter die Tränen in ihren Augen blicken möchten.

keleKele, seines Zeichens Frontmann von Bloc Party, vermittelt mit dem Artwork seines Solo-Albums „The Boxer“ das Gefühl, als wollte er zum R&B-Künstler transformieren. Skeptisch schiebt man die Scheibe in den Player uns ist hoch erfreut, dass er stattdessen den Weg weitergeht, den Bloc Party auf ihrem letzten Album eingeschlagen haben. Soll heißen. Es knirscht und zischt an allen Ecken und Enden. Die elektronischen Eskapaden lassen ihn zwar zwischenzeitlich etwas ins Kiesbett schlittern, wenn er die Melodie hinter den Effekt-Reigen zurückstellt, der Musiker findet aber immer wieder in die Spur zurück und liefert alles in allem zahlreiche gute Gründe, warum man demnächst in jeder Indie-Disco die Hüften zu seinen neuen Songs schwingen sollte. Womit wir dann auch schon wieder am Ende wären. Genießt die Hitzewelle. Bis zum nächsten Zuckerbeat.