// zuckerbeat vol. (1)78 – losing my mind

Mando Diao, meine verehrten Damen und Herren, sind zurück. Nach ihrer illustren B-Seiten-Kollektion, die gut und gerne ein eigenes Album von illustrer Qualität abgeworfen hätte, beehren uns die Herren zur Abwechslung mal mit einer Live-Scheibe. Als gefühlte erste schwedische Band haben sie die Ehre, für MTV aufs Podest zu steigen. Mando Diao bringen das ganze […]

mando-diao-unpluggedMando Diao, meine verehrten Damen und Herren, sind zurück. Nach ihrer illustren B-Seiten-Kollektion, die gut und gerne ein eigenes Album von illustrer Qualität abgeworfen hätte, beehren uns die Herren zur Abwechslung mal mit einer Live-Scheibe. Als gefühlte erste schwedische Band haben sie die Ehre, für MTV aufs Podest zu steigen. Mando Diao bringen das ganze „Unplugged“-Gedöns bei ihrem Gig in Berlin auf ein völlig neues Niveau. Im Hintergrund des musikalischen Wohnzimmers wird die Bandgeschichte nachgezeichnet. Juliette Lewis (zu einer Voodoo-Einlage am Lagerfeuer) und Klaus Voormann (mit ein paar schicken Bildchen) kommen auf die Bühne gestürmt und dann natürlich diese Songs namens „Gloria“ und „All My Senses“, die wie geschaffen sind, um im akustischen Kosmos zu karamellisieren. Sehr zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang übrigens das Doppel-Cd-Set von „MTV Unplugged – Above And Beyond“, das mit insgesamt 23 Songs (auf der Single-Scheibe befinden sich immerhin 15) aufwartet, die allesamt ein softrockiges Erlebnis sind. Eine bessere Herbstplatte wird es in diesem Jahr nicht mehr geben. Genau so war das gemeint, als die Band damals großspurig erklärte, sie würden alles und jeden im Popgeschäft mit ihrer Musik überstrahlen.

le-pop-6Chansons-Freunde dürfen sich derweil über ein neues Release aus dem Hause „Le Pop“ freuen. Auf dem aktuellen Rundumschlag in Sachen Chanson-Pop, geben sich neben der herzallerliebsten Coeur De Pirate (die erst vor Kurzem in diesem Blog für den „Zuckerschock des Monats“ nominiert war und ihn dann auch bekam), illustre französische Künstler der Marke Emanuelle Seigner und Marianne Dissard die Klinke in die Hand. Schmankerl des Samplers ist sicherlich Tom Poisson, der aus dem Chanson-Kontext entflieht, sich die Westerngitarre umschnallt und in romantische Folk-Gefilde abwandert. Ansonsten erfreuen wir uns auf „Le Pop 6 – Les Chansons De La Nouvelle Scène Francaise“ auch an zahlreichen Chören und elektronischen Eskapaden. Soll heißen: der Sound wird breiter, was für viel Abwechslung beim Durchhören sorgt und am Ende dazu führt, dass man unweigerlich das Plattenregal mit zahlreichen Neuentdeckungen der Marke Stéphanie Lapointe und Alexis HK aufstockt.

jurgen-teipelDie Leseratten unter euch möchten wir diese Woche auf den neuen Roman von Jürgen Teipel aufmerksam machen. Der „Verschwende deine Jugend“-Autor widmet sich in seinem ersten Roman „Ich weiss nicht“ drei jungen Leuten, die sich aufmachen, ein Technofestival in Mexiko City zu besuchen. Die spannende Geschichte um ein ehemaliges Pärchen und einen Dritten im Bunde, der von romantischen Gefühlen übermannt wird, vermag einen sofort zu fesseln. Wie Teipel auf knappen 124 Seiten einen Beziehungs-Kosmos entwirft, ist bemerkenswert. Sein Roman, dem er ein wohlwollendes „für alle“ voranschickt, fesselt einen. Die Geschichte beginnt recht unaufgeregt, bisweilen erzählt er sehr detailliert: „Von außen sieht die Kathedrale aus wie eine Felswand unter Wasser. Sie scheint völlig in einen Berg hineingebaut zu sein, sodass sich nur die Fassade abzeichnet. Es gibt Seesterne und Fische, die sich auf dem Grau der Steine befinden. Gleichzeitig ist alles sonnenbeschienen.“ Diese romantischen Sätze haut er einem dann nur umso schonungsloser wieder um die Ohren, wenn die zahlreichen Risse zwischen den Protagonisten mehr und mehr zu Bruchstellen werden. Wer von Airens zweiten Roman „I Am Airen Man“ ein wenig enttäuscht gewesen ist, sollte sich dieses Buch unbedingt zu Gemüte führen. „Ich weiss nicht“ ist zweifelsohne die bessere, weil sprachlich versiertere Alternative.

sea-wolf-white-water-white-bloomSea Wolf sorgen mit ihrem aktuellen Album derweil für charmante Indie-Pop-Atmosphäre der alten Schule. Bands, wie die wunderbaren Built To Spill oder jüngere Schwerenöter, wie die Shins, standen Pate für dieses melancholischen Glückseligkeits-Pop. Wer schon beim letzten Album von Conor Oberst feuchte Hände bekam, sollte sich „White Water, White Bloom“ auf keinen Fall entgehen lassen. Gerade zum Winterbeginn sorgt so ein hymnischer Indie-Pop mit schwelgerischer Fahne für allerhand verträumte Momente in der heimischen Stereoanlage, während man den Blick vom Fenstersims in Richtung Ferne schweifen lässt.

the-whigsFreunde von Kings Of Leon werden derweil schon vor Ehrfurcht erstarren, bevor ihre großen Helden das Blitzlichtgewitter on stage durchschreiten. Im Vorfeld treten nämlich The Whigs auf. Die klingen, als hätten sich die Jungs von Franz Ferdinand plötzlich Bärte stehen lassen, was soviel heißen soll wie: sprengt die Bierdose und dann ab in Richtung Glückseligkeit. „In The Dark“ liefert Indie-Rock vom Feinsten. Die Songs machen auch auf der Tanzfläche eine gute Figur. Wer immer noch nicht genug hat von der Musik der Mando Diaos und The Clashs da draußen, dem möchten wir diese Scheibe hier ganz innig ans Herz legen.

drums-of-death-generation-hexed-__22887_zoomColin Bailey alias Drums Of Death versucht sich derweil an einer „Partyscheibe mit gebrochenem Herzen“. Nach dem atmosphärischen Einstig hat man kurz das Gefühl, man würde einer olle Euro-Dance-Platte von 2 Unlimited lauschen, doch schon nach 30 Sekunden verkehrt er den lebensbejahenden Sound mit schrägen Chören der Marke Hot Chip meets Franz Ferdinand ins Gegenteil und man groovt sich zum Überhit „Science & Reason“ in Ekstase. Natürlich lebt die „Generation Hexed“ auch von dem gewissen Trash-Faktor, den die Musik ausstrahlt (immer wieder werden Erinnerungen an Haddaway und Konsorten wach), aber das Ganze wird so fulminant ad absurdum geführt, dass man Euro-Dance im Nachhinein vielleicht sogar für ein unterschätztes Genre halten könnte. Alles in allem, ein gewagtes Experiment, das am Ende aber voll ins Schwarze trifft. (12.11.)

wildbirds2Wildbirds & Peacedrums schicken derweil zwei illustre EPs vorbei und radikalisieren ihren Sound. Perkussives Getrommel trifft hier auf zuckersüße Melodien und bisweilen werden schöne Erinnerungen an Björks ambitionierte „Medulla“-Phase wach, wenn sich die vertrackten Songs in Richtung Gehörgang schlängeln. „Iris“ ist dabei eher für die abstrackten Momente zuständig, während uns „Retina“ mit ihren Wonneproppen-Wohlfühlchören um den Finger wickelt. Kein Wunder, dass Björk da auch gleich die Ohren spitzte und die beiden Protagonisten für eine Coverversion von „Human Behaviour“ ins schwedische Fernsehen einlud. Wer auf ambitionierte Pop-Entwürfe mit Engelsflügeln steht, sollte unbedingt zugreifen.

the-bewitched-hands-birds-drumsAlle, die sich gerne an schwelgerischen Indie-Klängen mit Beach Boys-Einschlag ergötzen, sollten sich mal in die ausgebreiteten Hände von The Bewitched Hands sacken lassen. Eine Sintflut an Gitarren bricht über einen herein und schon nach wenigen Minuten fühlt man sich so ein bisschen benommen. Am Besten also einfach mal wieder den geschlauchten Körper aufs Sofa plumpsen lassen und die Regler hochdrehen. Die „Birds & Drums“ werden dann den Rest erledigen.Womit wir auch schon wieder draußen sind für heute. Wir lesen uns beim nächsten Zuckerbeat.