Wer sich regelmäßig am Bahnhofskiosk herumtreibt, der ist wahrscheinlich schon des Öfteren auf ein Magazin namens „Dummy“ gestoßen. In selbiger Zeitschrift werden in regelmäßigen Abständen Artikel zu einem übergeordneten Themengebiet veröffentlicht. Möchte man es sich einfach machen, könnte man sagen: „Dummy“ ist das ideale Futter für Neon-Leser, die sich gerne rundum mit z.B. Jugend, Liebe, Sex, Glauben, Provinz oder Angst auseinandersetzen möchten. Wer bisher noch nicht in das wirklich gelungene Heft reinschmökern durfte, an welchem immer wieder zahlreiche renommierte Autoren unterschiedlicher Magazine und Tageszeitungen beteiligt sind, der hat nun die Möglichkeit einen Schnelldurchlauf in Sachen „Dummy“ zu absolvieren. Im großen „Dummy-Buch“, das gerade im „Kein & Aber“-Verlag erschienen ist, wurde das Beste (und Schlimmste) aus 30 Ausgaben „Dummy“ zusammengekratzt und so viel vorneweg: es ist ein einziger Augenschmaus. Über die Distanz von beinahe 500 Seiten wird man mit illustren Storys überschüttet, die einerseits amüsant getextet sind, aber darüber hinaus auch zahlreiche Denkanstöße zu den unterschiedlichsten Themengebieten liefern. In den Geschichten selbst dreht sich alles um lebenslängliches Hausverbot bei Aldi, Mikado-Spielen mit gekochten Makkaroni und freie Liebe in Bielefeld. Die Zeitschrift steht in diesem Zusammenhang in gewisser Weise dem, heute leider nicht mehr in seiner ursprünglichen Form veröffentlichten, „Jetzt“-Magazin der Süddeutschen Zeitung nahe (welches seit Kurzem allerdings im neuen Look und in unregelmäßigen Abständen wieder den Montagsausgaben der SZ beiliegt). Die Geschichten wurden darüber hinaus in elf schicke Kapitel wie „Politik“, „Liebling“, „Schlimme Dinge“, „Selbstversuche“, „DUMMY inside“, „Sex“, „Berlin“, „Diktatoren“, Kriminalfälle“, „Familienalbum“ und „Extrem“ eingegliedert, was dazu führen sollte, dass am Ende wirklich für jeden Leser etwas Passendes dabei ist. Unser Fazit: Aufgrund seiner schrägen, aber immer charmanten Themen-Auswahl, ist das „Dummy-Buch“ nahezu perfekt dafür geeignet, selbst die ödesten Partys mit interessanten Diskussionsstoffen zu versorgen.
Darüber hinaus kann man es im Bücher-Regal passgenau neben dem aktuellen, ähnlich konzipierten Endlos-Wälzer „Die Welt von VICE“ einsortieren. Das Vice-Magazin, welches ihr in Würzburg unter anderem im „Zeitzeichen“ abgreifen könnt, existiert bereits seit 1994. Seither beschäftigt sich das Heft vorwiegend mit Jugendkulturen, Sex, zeitgenössischen Trends und sozialen Missständen. Eine gewagte Mischung, die schon zu manch skandalträchtiger Geschichte geführt hat, darüber hinaus sind die Storys allesamt spannend getextet und so erscheint es nach all den Jahren nur folgerichtig, endlich einen schick aufgemachten Rundumschlag im Hardcover auf die Leserschaft zu starten. Eingeläutet wird das ganze Unterfangen von einem Plausch der beiden VICE-Verantwortlichen Tom Littlewood (Chefredakteur von VICE Deutschland) und Andy Capper (globaler Chefredakteur des Magazins). Anschließend treffen Berliner Punks auf Arsch-Invasionen. Die Geschichte von Al-Qaida wird genauso unter die Lupe genommen, wie Prominente der Marke Karl Lagerfeld und David Lynch. Syrische Bordelle werden im Undercover-Modus ausspioniert, genauso wie Japans Kriegsschiff-Insel. VICE überschreitet ganz bewusst jegliche Schmerzgrenzen, rückt aber bisweilen auch Nichtigkeiten in den Fokus einzelner Beiträge. Es ist eine ganz eigene Sprache, die man hier spricht. Alle Texte vermitteln einen das Gefühl, hautnah dabei zu sein, viele Artikel sind noch dazu überaus selbstironisch geschrieben. Man merkt den Textern an, dass sie bereit sind, wirklich alles aus sich herauszuholen. Da werden zwischenzeitlich sogar Foltermethoden am eigenen Leib auf Wirksamkeit überprüft. VICE geht dahin, wo es weh tut, schießt in diesem Zusammenhang zwar hin und wieder über das Ziel hinaus, eines aber ist dieses Magazin nie: ermüdend und langweilig. Und so sollten sich alle Nachzügler und Neueinsteiger unbedingt diese 375seite Hommage an eines der sicher eindrucksvollsten Magazine unserer Zeit zu Gemüte führen. Einen besseren Zeitvertreib in Sachen Jugendkulturen wird man sicher nicht mehr allzu schnell vor den Latz geknallt bekommen. Wenn ihr also noch keine gute Idee für Weihnachten habt. Mit unseren zwei Monatstipps könnt ihr schon mal vorbauen (und euch die die Schinken in den drei Monaten zuvor schnell noch selbst zu Gemüte führen).
UND WAS NUN?