// aufgelesen vol. (1)78 – „pop 16“

mit neuen Büchern von Karl Ove Knausgård, Arno Frank, Dirk von Gehlen, Detlef Diederichsen / Florian Sievers und Chris Kraus. // Karl Ove Knausgård hat sich bereits vor Jahren einem echten Mammutprojekt angenommen, das nun mit dem sechsten Buch namens „Kämpfen“ seinen krönenden Abschluss findet. In „Kämpfen“ dreht sich dabei mal wieder alles um den […]

mit neuen Büchern von Karl Ove Knausgård, Arno Frank, Dirk von Gehlen, Detlef Diederichsen / Florian Sievers und Chris Kraus.

// Karl Ove Knausgård hat sich bereits vor Jahren einem echten Mammutprojekt angenommen, das nun mit dem sechsten Buch namens „Kämpfen“ seinen krönenden Abschluss findet. In „Kämpfen“ dreht sich dabei mal wieder alles um den Autor selbst. In seiner autobiografischen Buch-Reihe widmet er sich dabei nicht nur der Kunst und der Literatur, sondern auch in schonungsloser Offenheit den dunklen Seiten seiner Ehe und seiner Krankengeschichte. Dermaßen rücksichtslos hat wahrscheinlich schon lange keiner mehr seinen persönlichen Alltag seziert und man kann gerade deshalb nicht genug bekommen von seinem Werk. Gerade deshalb nämlich, weil Knausgård so schmerzlich all das ausbreitet, was in seinem Inneren und in seinem direkten Umfeld geschieht, gerade deshalb wirkt sein Werk so schonungslos ehrlich und authentisch, wie es nur wenige Werke tun. Der Autor lotet dabei nicht nur konsequent die Schmerzgrenze aller Beteiligten aus, sondern auch seine eigene und ja, jeder muss für sich selbst entscheiden, inwieweit er seinen Aufzeichnungen folgen möchte, geschweige denn sie nachvollziehen möchte. Weil hier allerdings jemand tatsächlich sein Innerstes Preis gibt, ist „Kämpfen“ eine literarische Sensation, wie man sie nicht alle Tage vor den Latz geknallt bekommt. Wenn du also mal wieder etwas wirklich Großartiges lesen möchte, dann lass dir dieses fulminante Gesamtwerk nicht entgehen. Es lohnt sich.

// Arno Frank beschert uns derweil ein wirklich liebenswertes Buch, das uns mit einer zugegeben ziemlich schrägen Ausgangssituation konfrontiert. „So, und jetzt kommst du“ erzählt nämlich nicht nur davon, was es heißt, eine Familie zu gründen, sondern hat auch einen waschechten Krimi-Plot im Gepäck. Die jungen Eltern, die im Mittelpunkt des Geschehens stehen, sind nämlich gerade auf der Flucht vor der Polizei und schleppen notgedrungen ihre Kinder mit sich herum. Was als spannendes Abenteuer beginnt, entwickelt sich dabei immer mehr zu einem waschechten Desaster, das allen Fans von TV-Reihen der Marke „The Detour“ ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubern dürfte. Wenn du also mal ein etwas anderes Road-Movie gepaart mit einer herzerwärmenden Familiengeschichte lesen möchtest, dann lass dir „So, und jetzt kommst du“ auf keinen Fall durch die Lappen gehen. Du wirst aus dem Schmunzeln gar nicht mehr herauskommen und das Werk sicher nicht vor dem Schließen des Rückumschlages wieder aus der Hand legen. Kurz gesagt: Arno Frank hat das perfekte Urlaubsbuch geschrieben. Also schnupper mal rein.

// Wer sich gerne etwas intensiver mit den Medien und der Öffentlichkeit im Allgemeinen beschäftigen möchte, der kommt an der neuesten Veröffentlichung von Dirk von Gehlen nicht vorbei. In „Meta! Das Ende des Durchschnitts“ wendet er sich dem Ursprung von Informationen zu, die immer von einem Absender in die Welt hinaus gesandt werden. Im Zeichen der Digitalisierung kommt es zu zahllosen, bisweilen noch nicht mal vorstellbaren Umwälzungen und so richtet der Autor den Blick auf die Risiken und Chancen dieser Entwicklung. Dirk von Gehlen geht es dabei vor allem darum aufzuzeigen, welche Möglichkeiten für Arbeit, Kultur und Konsum durch die digitale Welt entstehen und fordert von unserer Gesellschaft einen mündigen Umgang mit Daten, um brach liegendes Potenzial vollends auszuschöpfen. Er plädiert für eine Verteidigung der Grundwerte durch die digitale Zivilgesellschaft und man kann gar nicht genug kriegen von seinen spannenden Abhandlungen über unsere so moderne Gesellschaft.

// Bei der Gelegenheit außerdem noch der Hinweis auf den aktuellen Band von Detlef Diederichsen und Florian Sievers. Zusammen machen sie sich in „Pop 16 – 100 Jahre produzierte Musik“ daran die letzten hundert Jahre im Bereich der Musik und deren Einfluss auf technologische Errungenschaften zu skizzieren. Musik spiegelt sich immer auch im alltäglichen Leben wieder und so wendet sich der Band unter anderem der alten Schellack-Schallplatte und dem Grammophon als Abspielgerät zu. Dadurch werden erstmals Sender und Empfänger voneinander getrennt und die Musik findet ihren Weg hinaus in die Welt. Unabhängig von Ort und Zeit hat von nun an jeder die Möglichkeit ein bestimmtes Musikstück zu hören und seine Empfindungen in diesem Zusammenhang der ganzen Welt zu offenbaren. Die Technologie hilft also der Musik dabei sich zu verbreiten und landet in gepresster Form auf dem Plattenteller oder auf dem Handy. Wie es so weit kam? Es lohnt sich mal reinzuschnuppern in dieses spannende Werk, das einem immer wieder neue Sichtweisen auf den zu verhandelnden Sachverhalt zu eröffnen vermag.

// Zu guter Letzt außerdem noch der Hinweis auf ein spannendes Werk von Chris Kraus. Selbige lernt im Rahmen ihres Buches „I Love Dick“ nicht nur den akademischen Cowboy Dick kennen, sie ist auch selbst als Künstlerin aktiv und so freuen wir uns auf eine spannende Geschichte über Obsessionen, die einfach kein Ende finden mögen. Es ist 1994 als Chris Kraus zum ersten Mal auf Dick trifft. Schlagartig von einem Gefühl der Liebe durchdrungen stellt der Kollege ihres Ehemanns ihr ganzes Leben auf den Kopf. In den Briefen, die sie ihm fortan schreibt, welche sie aber niemals abschickt, teilt sie dem Objekt ihrer Begierde selbst ihre intimsten Geheimnisse mit und man kommt als Leser einfach nicht mehr von ihren Zeilen los. Ganz im Gegenteil: Chris Kraus reißt uns mit ihrem Werk in einen regelrechten Sog der Emotionen und man möchte das Buch nicht mehr zur Seite legen, bevor irgendwann der Rückumschlag wieder geschlossen ist. Wenn du also mal wieder nach einem Buch suchst, das nur so strotzt vor Lebensweisheiten, dann bist du hier genau an der richtigen Adresse. Und damit Schluss für heute, bis zur nächsten Leserunde.