// aufgelesen vol. (2)07 – „der gefährlichste ort der welt“

mit neuen Büchern von Virginie Despentes, Margaret Atwood, Lindsey Lee Johnson, Andreas Schimmelbusch und Juli Zeh. // In dem neuen Roman von Virginie Despentes dreht sich eigentlich alles nur um eine Frage. Wer ist Vernom Subutex eigentlich? Die Geschichte, die in Frankreich nach ihrer Veröffentlichung im Jahre 2015 für jede Menge Aufregung sorgte, führte nicht […]

mit neuen Büchern von Virginie Despentes, Margaret Atwood, Lindsey Lee Johnson, Andreas Schimmelbusch und Juli Zeh.

// In dem neuen Roman von Virginie Despentes dreht sich eigentlich alles nur um eine Frage. Wer ist Vernom Subutex eigentlich? Die Geschichte, die in Frankreich nach ihrer Veröffentlichung im Jahre 2015 für jede Menge Aufregung sorgte, führte nicht nur die handelsüblichen Bestsellerlisten an, sie bekam auch zahlreiche Nominierungen für die unterschiedlichsten Preise und die Kritiker waren ebenfalls hin- und hergerissen. Im Mittelpunkt steht dabei der soziale Abstieg der Hauptfigur des Buches. Jener Vernom Subutex muss nämlich seinen Plattenladen schließen und als dann auch noch einer seiner besten Freunde stirbt, welcher ihn noch dazu finanziell unterstützte, verliert er endgültig den Halt unter seinen Füßen und die Zeichen stehen auf Abstieg. Weil er sich selbst seinen sozialen Niedergang allerdings nicht eingestehen will, greift er zu einer Notlüge und quartiert sich auf diese Weise reihum bei all seinen Bekannten und Freunden zuhause ein. Dabei begegnet man als Leser nicht nur den unterschiedlichsten Typen aus allen Milieus, die Autorin schafft es daraus auch einen spannenden Rundumschlag zusammenzusetzen, der die Ängste der Mittelschicht kongenial aufgreift. Gerade im Rahmen der Digitalisierung zeichnet Despentes in „Das Leben des Vernon Subutex“ das Bild einer Gesellschaft, die kurz davor ist, in sich zusammen zu fallen und so können wir allen Lesern nur raten, sich dieses desillusionierende und gleichzeitig so nachvollziehbare Werk mit nach Hause zu nehmen. Es lohnt sich.

// An Margaret Atwood kommt man derzeit nicht vorbei. Während im „Berlin Verlag“ gerade ihr wunderbarer Back-Katalog noch einmal aufgelegt wird, möchten wir euch heute auf einige kleine Erzählungen der Trägerin des „Friedenspreises des Deutschen Buchhandels“ aufmerksam machen. In „Die steinerne Matratze“ gelingt es der „Queen der kanadischen Literatur“ (Literarische Welt) auf formvollendete Weise uns in einen regelrechten Sog der Emotionen zu ziehen. Dabei treffen wir unter anderem auf Verna, die auf einer Reise in die Arktis alles hinter sich lassen möchte, doch statt zu entspannen, trifft sie dort auf einen Mann, der ihr Leben bereits vor vielen Jahren für immer veränderte. Nun aber scheint die Zeit für ihre späte Rache gekommen zu sein und so schmiedet sie einen perfiden Plan, um es dem ehemaligen Footballstar heimzuzahlen. Ob sie ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzt? Lass dich ein auf diese und acht weitere Geschichten aus dem Margaret Atwood-Kosmos, die allesamt mit zahlreichen Überraschungsmomenten gesegnet sind.

// Die in Kalifornien aufgewachsene Autorin Lindsey Lee Johnson beschert uns in diesen Tagen ebenfalls einen echten Hingucker. „Der gefährlichste Ort der Welt“ nimmt seinen Ausgangspunkt fünf Jahre bevor die eigentliche Handlung einsetzt. Damals wurde Tristan Bloch von seiner Angebeteten Calista verraten und so fragen wir uns gemeinsam mit der werten Dame, wie es eigentlich so kommen konnte. Die Abschlussparty jedenfalls nahm ein wirklich dramatisches Ende und ein altes Klassenfoto scheint für Calista dennoch das Tor zu einer längst vergangenen Zeit aufzuschlagen. Damals, als ein bestimmter Ryan noch der umschwärmte Captain des Baseball-Teams und Abigail ihre beste Freundin gewesen ist. Alle zusammen lebten oder leben sie in Mill Valley – einem vermeintlichen Paradies über der Bucht von San Francisco und doch sind sie nun allesamt vom Leben gezeichnet. Wie es soweit kommen konnte? Wann sich die ersten Risse hinter dem schönen Schein nicht mehr kaschieren ließ? Und warum sich in all den jungen Menschen, die Teil dieser Clique gewesen sind, eine solch innere Leere ausgebreitet hat? Lass dich ein auf dieses fantastische Buch, das uns auf spannende Weise die Kehrseite unseres jetzigen Lebensstils vor den Latz knallt.

// Andreas Schimmelbusch wiederum stammt zwar aus Frankfurt am Main, wuchs aber ebenfalls eine gewisse Zeit lang in den vereinigten Staaten auf. In seinem Werk „Habe nichts mehr ausser mir“ scheinen alle vor irgendetwas auf der Flucht zu sein. Sie reisen nach Reykjavik, nach Frankfurt, nach New York oder Kalifornien und doch kommen sie nie so wirklich irgendwo an. Die Geschichten in seinem Buch erzählen vom Alltag der handelnden Personen und sie handeln davon, was passiert, wenn man sich ständig mit anderen vergleicht. Es finden sich Liebesgeschichten in diesem Werk, die aber genauso eine Geschichte von Einsamkeit erzählen. Sie zeigen auf, dass wir überall und nirgends zu Hause sind. Entwurzelt. Auf uns allein gestellt. Ganz egal, ob wir nun als Banker, Schauspieler oder Trickbetrüger unseren Lebensunterhalt verdienen. Das Leben wird zur groß angelegten Inszenierung und alles, was vor uns liegt, bildet die Bühne unseres Lebens. Ob es aus diesem Dilemma ein Entkommen gibt? Lass dich ein auf dieses vielschichtige Werk. Du wirst es ganz sicher nicht bereuen.

// Für alle Hörbuch-Fans außerdem noch einmal der Hinweis auf den Juli Zeh-Bestseller „Unterleuten“ gelesen von Helene Grass. Im Hause „Der Hörverlag“ erscheint nämlich in diesen Tagen das passende Hörbuch zum großen Gesellschaftsroman der Autorin und der hat es in sich. Die Autorin nimmt im Rahmen des Buches die Sichtweise zahlreicher Charaktere ein und schildert dabei deren subjektive Sicht der Dinge. Erst langsam fügt sich mosaikartig ein Gesamtbild zusammen, das von Seite zu Seite faszinierender anmutet. Wenn man nämlich bedenkt, dass es in dem gleichnamigen Ort eigentlich nur um ganz alltägliche Probleme geht, schafft es die Autorin dennoch ihre Leser in bester Thriller-Manier zu unterhalten. Die Bruchstellen wiederum zwischen den einzelnen Sichtweisen darf der Leser selbst füllen und so ist „Unterleuten“ nicht nur ein unterhaltsames Werk, sondern auch eines, das einen zum Nachdenken anregt. Gerade dann nämlich, wenn Zeh den Fokus immer mehr auf die Innenansichten ihrer Figuren richtet, dann werden aus ganz gewöhnlichen Dingen plötzlich überlebensgroße Herausforderungen. „Unterleuten“ ist damit der wahrscheinlich glaubwürdigste und einer der hintersinnigsten Romane unserer Zeit und wurde von uns verdientermaßen zum Buch des Jahres 2016 erklärt. Lasst euch dieses Spektakel im Audio-Format also auf keinen Fall entgehen.