// aufgelesen vol. (2)57 – „nie wieder“

mit neuen Büchern von Mariana Lekys, Andrea Camilleri, Danielle Graf/Katja Seide, Natascha Wegelin und Friedrich Ani. // Luise lebt mit ihren Eltern und ihrer Großmutter in einem abgeschiedenen Dorf im Westerwald. Mit ihrem besten Freund Martin wächst sie quasi bei ihre Oma Selma und deren Verehrer, den allen nur den Optiker nennen, auf. Alle haben sich mit dem Leben und […]

mit neuen Büchern von Mariana Lekys, Andrea Camilleri, Danielle Graf/Katja Seide, Natascha Wegelin und Friedrich Ani.

// Luise lebt mit ihren Eltern und ihrer Großmutter in einem abgeschiedenen Dorf im Westerwald. Mit ihrem besten Freund Martin wächst sie quasi bei ihre Oma Selma und deren Verehrer, den allen nur den Optiker nennen, auf. Alle haben sich mit dem Leben und den Umständen gut arrangiert und sind damit irgendwie zufrieden, bis es zu einem tragischen Unfall kommt und Martin dabei stirbt. Die Situation wird auch nicht leichter, mit dem Umstand, dass Selma von einem Okapi geträumt hatte und nach solch einem Traum ein Bekannter innerhalb 24 Stunden starb. Die eigentliche Geschichte von Mariana Lekys Buch „Was man von hier aus sehen kann“ (Dumont, ISBN 9783832198398“ beschreibt die (nicht) Liebesgeschichte von Luise und Frederik, einem buddhistischen Mönch, aus Japan. Tatsächlich treffen sie im Buch nur dreimal aufeinander und doch verbindet die beiden über Jahre ein nicht ohne einander können. 700 Briefe werden geschrieben und doch geht für Luise das Leben weiter. Wobei Luise ihr Leben nie aktiv steuert, sondern sich alles irgendwie so ergibt. Die Buchhändlerlehre in der nächsten Kreisstadt, die 1-Zimmer-Wohnung oder die kurze Beziehung zum Andreas, den sie aus der Berufsschulklasse kennt. Überhaupt wimmelt es im Buch von längst Dingen, aus einer anderen Zeit – Mon Cherie, eine Mutter, die für sämtliche Dorf-Anlässe Kränze bindet oder einem betrunkenen Jäger, der manchmal vor sich selbst beschützt werden muss. Die Sprache der Autorin ist besonders zu Beginn des Buches etwas nüchtern und es kostet etwas Mühe dran zu bleiben. Das weiterlesen lohnt sich aber, so feinfühlig und situationsgenau bzw. so trefflich werden selten Gedanken und Verhaltensweisen beschrieben bzw. die Erklärung gleich mitgeliefert. Selten kann man sich so intensiv mit den Figuren mitfühlen. Nicht umsonst steht das Werk schon seit einigen Wochen auf der Spiegel-Bestsellerlist und die ersten Motive aus dem Roman wurden WDR-Hörspiel „Der Buddhist und ich“ sehr gut angenommen. (Euro 20,00)

// Commissario Montalbano ist älter geworden, stolpert häufiger und so manches Essen kann er schlechter vertragen. In „Eine Stimme in der Nacht“ (Lübbe, 97837885726129) gilt es den Tod von Signor Borsellino, den Marktleiters eines Supermarktes in Mafiahand, aufzuklären. Erschwerend kommt hinzu, dass er sich mit der Berichterstattung bezahlter Journalisten herumschlagen muss und auch seine Lebensgefährtin Livia fast schon nervt. Zusätzlich handelt er sich Ärger mit Giovanni Strangio, Sohn eines einflussreichen Lokalpolitikers, ein. Fast wäre dieses Ärgernis beigelegt, keimt der Verdacht, dass dieser in das Verbrechen verwickelt ist. Selbstverständlich ist in diesem pikanten Fall keine Unterstützung vom Polizeipräsidenten zu erwarten und auch sein debiler Mitarbeiter Fazio, macht die Lösung des Falls nicht unbedingt einfacher. Montalbano löst den Fall dann doch, aber nicht zur gänzlichen Zufriedenheit. Ein fader Nachgeschmack bleibt ihm. Auch der 20zigste Band um den sizilianischen Kommissar aus Vigàta überzeugt durch das gekonnte, realistische Setting in einem fatalistischen Italien, das gleichzeitig anziehend und abstoßend zu gleich ist: die Lebensart, mit Meer, Sonne und gutem Essen, die uns genauso anzieht, wie die abstoßende Verstrickung eines Teils der Bevölkerung, mit einem archaischen Rollenverständnis von Mann und Frau oder der lähmenden Korruption. Und so gilt es auch für uns „Camilleris Charme kann man sich nicht entziehen.“ In diesem Sinne freuen wir uns auf den nächsten, 21. Band. (Euro 22,00)

// Kleine trotzige Kinder können Außenstehende nicht nur an der Supermarktkasse oder im Schwimmbad richtig nerven. Allerdings hat man es als Unbeteiligter nach diesem Kontakt mit der anderen Art nur kurz. Anders sieht es für die Eltern aus, die erleben extreme Trotzanfälle möglicherweise mehrmals am Tag. Danielle Graf und Katja Seide gingen mit ihrem Blog www.gewuenschtestes-wunschkind.de zu diesem Thema 13.02.2013 ans Netz. Der große Zuspruch (Follower, Likes, Kommentare Seitdem konnten wir über 24 Millionen Zugriffe verzeichnen) machte den Beltz-Verlag auf die beiden Aufmerksam, sodass 2016 schließlich ihr Buch „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen“ (ISBN 978-3407864222) erschienen. Die beiden Autorinnen beschreiben, auch mit vielen Beispielen aus Kommentaren Bloglesender Eltern, in welchen Situationen und Entwicklungsphasen die Wut eskaliert – nicht immer nur auf Seiten der Kinder. Ob euer Kind nun eine „Trödelliese“ oder ein Kleiderverweigerer ist, ein Windelsparer oder Essenwegwerfer im 281-seitigen Taschenbuch findet ihr viel Verständnis, Aha-Erlebnisse und Tipps und sicher große Erleichterung, dass es bei anderen eben auch nicht anders ist. (Euro 14,95)

// „Die Altersarmut“ soll ja Frauen früher oder später besonders hart treffen. Keine Rente ist auch keine Lösung, dachte sich Natascha Wegelin (*1985) und schloss mit 26 Jahren bei einer „unabhängigen“ Finanzberaterin eine private Rentenversicherung ab, die mehrere 1.000 Euro Gebühren kostete. Nach dieser Zäsur, beschloss sie, sich mit ihren eigenen Finanzen nun auskennen möchte und würde nun in ihre finanzielle Bildung investieren. Allerdings war es für die Zielgruppe „junge Frauen“ nicht einfach an geeignete Informationen zu kommen. Deshalb startete sie mit dem blog madamemoneypenny.de, einem der größten Finanzblogs Deutschland. Außerdem veranstaltet sie Online-Kurse, allerlei Events und veröffentlichte den unterhaltsamen Ratgeber „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“ (rororo, ISBN 9783499633744). Das 239-seitige Buch hat was von einem Episodenroman. Erfahrungen der Autorin mit der eigenen Familie wechseln sich ab mit Interviews von Frauen die ihre Finanzen geregelt haben. Außerdem gibt es in jedem Kapitel eine Challenge, mit der sich die Leserin langsam dem Thema Finanzen näher soll. Das Buch richtet sich an alle, die sich an alle Frauen, die sich noch nie mit Finanzen beschäftigt haben. (Euro 10,99)

// Tabor Süden, Vermisstenfahnder, hatte seine Tätigkeit als privater Ermittler für die Detektei Liebergesell eigentlich aufgegeben. Der letzte Fall endet so tragisch uns fatal, dass er nicht mehr so weiter machen konnte. Als ihn seine ehemalige Chefin vom Verschwinden des Kriminalautors Cornelius Hallig erzählte, waren sie wohl beide überrascht, dass er auf die Frage, ob man den Fall annehmen sollte mit „Unbedingt!“ antwortete. In „der Narr und seine Maschine“ (Suhrkamp, ISBN 9783831204717) versuchen die beiden die letzten Jahre des vereinsamten, kranken alten Manns zu rekonstruieren. Wobei es scheinbar eben nichts zum Rekonstruieren gibt. Schließlich lebte seit Jahrzehnten im selben Hotel und dessen Leiter hatte auch die Detektei engagiert. Sein Zimmer verliest er nur selten und dann auch nicht um Bekanntschaften zu machen. Die letzte leibliche Verwandte, Tante Gerda, hatte er seit 4 Jahren nicht mehr gesehen, dabei gab es aber keinen Streit oder Zwist zwischen den beiden. Wenn sich Süden dann ins Hotel einquartiert und eine Nacht im Zimmer vom Schriftsteller verbringt, ist seine Situation wohl nicht weniger trostlos wie die des abgehalfterten, gebrechlichen Autors. Die Suche nach dem gebrechlichen und unnahbaren Autor ist ein Wettlauf gegen die Zeit ohne den großen Aktivismus. Am Ende wird der Alte gefunden, aber damit ist die Lage sicher nicht gut. So endet auch dieser Tabor Süden Fall wieder mit der klaren Botschaft: weiter Ermittlungen von Süden in München wird es so schnell nicht mehr geben. Ein spannendes Büchlein (143 Seiten) von Friedrich Ani, der uns nun schon mit 20 Fällen von Tabor Süden in seinen Bann gezogen hat. (Euro 18,00)