// aufgelesen vol. (2)80 – „saison der wirbelstürme“

mit neuen Büchern von Fernanda Melchor, Tara Isabella Burton und Jens Balzer. // Es gibt Werke, die ziehen einen von der ersten Seite an in ihren Bann. Die 1982 im mexikanischen Staat Veracruz geborene Schriftstellerin Fernanda Melchor hat mit „Saison der Wirbelstürme“ ein solches Werk veröffentlicht und das wurde nun mit Hilfe der Übersetzerin Angelica […]

mit neuen Büchern von Fernanda Melchor, Tara Isabella Burton und Jens Balzer.

// Es gibt Werke, die ziehen einen von der ersten Seite an in ihren Bann. Die 1982 im mexikanischen Staat Veracruz geborene Schriftstellerin Fernanda Melchor hat mit „Saison der Wirbelstürme“ ein solches Werk veröffentlicht und das wurde nun mit Hilfe der Übersetzerin Angelica Ammar auch auf deutsch veröffentlicht. Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine verlassene Gegend in der Provinz Mexikos namens La Metosa. Eine Gruppe von Kids entdeckt dort im Zuckerrohrdickicht eine Leiche, die seltsam grinst. Es soll sich bei der Toten der Legende nach um eine Hexe handeln, die von den Dorfbewohnern gefürchtet wurde. Dementsprechend ist auch schnell eine große Anzahl an Leuten vorhanden, die ein Interesse am Tod der Frau hatten. Was das Ganze mit einem Schatz, schrecklicher Eifersucht und dem Drogenhandel in der Gegend zu tun hat? Fernanda Melchor legt den Finger in die Wunde und entwirft das Bild einer Gesellschaft am Rande des Abgrunds. „Saison der Wirbelstürme“ ist ein Aufschrei doch endlich vernünftig zu sein. Mit einer gehörigen Portion an Sprachgewalt schafft es die Autorin einen in einen regelrechten Sog der Emotionen zu reißen und so möchten wir allen unseren Lesern nur dringend empfehlen, sich dieses famose Werk zu Gemüte zu führen.

// Wer auf richtig fiese Bücher steht, der kommt im neuen Roman von Tara Isabella Burton auf ihre Kosten. Darin transferiert uns die Autorin ins schicke New York und entführt uns in die Welt der Reichen und Schönen. Wir treffen auf Louise, die irgendwie nicht hübsch genug ist, um dort hinein zu passen. Und auch das liebe Geld spitzt nicht en Masse aus ihrer Geldbörse. Weil sie aber täglich den anderen beim Offenbaren ihres ach so perfekten Lebens über die Schulter schauen muss, entschließt sie sich etwas dagegen zu unternehmen. Passend geeignet dafür erscheint ihr die erste kürzlich getroffene Lavinia, die nur so nach Kohle stinkt. Sie ist ihre Eintrittskarte in die Welt voller Glanz an der Upper East Side und doch wird schnell deutlich, dass es einzig und alleine an Lavinia liegt, wie lange Louise an diesem Schlaraffenland teilhaben darf. Oder etwa doch nicht? In ihrem Debüt gelingt es der Autorin nicht nur treffend den Lifestyle vor Ort auf Papier zu transferieren, sie schafft es auch eine bitterböse Gesellschaftssatire aus dem Ärmel zu schütteln, die man so schnell nicht wieder vergisst.

// Zu guter Letzt machen wir zusammen mit Jens Balzer noch einen Abstecher in die 70er Jahre. Selbiger hat sich nicht nur als Kolumnist für die Spex oder den Rolling Stone einen Namen gemacht, er lehrt auch Popkritik an der „Berliner Universität der Künste“. Seine Geschichte beginnt mit der Mondlandung im Jahre 1969 und streift fortan ein Jahrzehnt, in welchem die Zeichen auf Veränderung stehen. Wenn man es dabei genau nimmt, wurde all das, was wir in diesem Werk vorfinden bereits zu Genüge thematisiert, aber der Autor schafft es spielend den vorliegenden Ereignissen noch neue Facetten abzuringen. Die Hippies stellen unser Lebensmodell in Frage. Antiautoritäre Erziehung wird en vogue und auch mit dem „Personal Computer“ stehen wir am Anfang einer Entwicklung, die unfassbare Folgen nach sich ziehen wird. Dabei schafft es der Autor immer wieder spannende Fragen aufzuwerfen und Verbindungen zwischen den Ereignissen zu kennzeichnen, die man so nicht auf dem Schirm hatte. In diesem Fall ist „Das entfesselte Jahrzehnt – Sound und Geist der 70er“ also nicht nur für Nostalgiker interessant. Also schnuppert mal rein. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.