// der fahrstuhlmoment

6.30 Uhr der Wecker klingelt zum ersten Mal- „Ach“ denkt“, er sich, drückt auf „Snooze“ und dreht sich wieder um, um sich tiefer in sein Bett zu kuscheln. Neben ihm liegt eine Frau. Hübsch ist sie, doch er kennt sie kaum, weiß nicht viel über sie und frägt sich, wohin es mit ihr führen soll. […]

6.30 Uhr der Wecker klingelt zum ersten Mal- „Ach“ denkt“, er sich, drückt auf „Snooze“ und dreht sich wieder um, um sich tiefer in sein Bett zu kuscheln. Neben ihm liegt eine Frau. Hübsch ist sie, doch er kennt sie kaum, weiß nicht viel über sie und frägt sich, wohin es mit ihr führen soll. Aber eigentlich kennt sie ihn auch verdammt gut und er sie, auf eine seltsame Weise.
Irgendwie hängt ihm noch seine alte Beziehung hinterher. Die war sehr problematisch, einerseits wegen ihm, anderseits wegen ihr.
Jung ist die Frau die neben ihm liegt, viel jünger als er, wenn er sie anblickt, jetzt wo er dann doch nicht mehr schlafen kann, betrachtet er ihr puppehaftes Gesicht. Sie hat ihn besucht, er kennt sie aus dem Internet, über ein Forum, gleiches Problem und gleiche Interessen, haben sie aufeinander aufmerksam gemacht.

Lange hat er gezweifelt ob er sie einladen soll, ob er sie sehen will, das Mädchen hinter dessen Worten er eine unscheinbare, vielleicht sogar nicht so ganz attraktive Frau vermutet hat. Doch so wie sie da liegt, ist sehr attraktiv, vielleicht sogar zu attraktiv.
„Sie ist jung“, denkt er. „Sehr jung – zu jung?!“ Jetzt wo sie da ist, bei ihm, und er nicht nur ihre Zeilen liest, sondern auch ihren Atem hört, jetzt ist plötzlich alles anders und kompliziert. Sie ist real, sehr real. Sie besteht jetzt nicht mehr nur aus Buchstaben und Zeilen, aus schönen Worten, sie hat Haut und Haare.
Sie ist da, wirklich da. Lange hat er sich nach ihr gesehnt, nach der Frau hinter all diesen Zeilen, so verständnisvoll, so gütig, so ehrlich. Nächtelange haben sie über Gott und die Welt geredet, über vieles, aber nicht alles.

Aufgeregt und in freudiger Erwartung kam er von der Arbeit, schaltete seinen PC ein um zu sehen ob sie ihm einen Nachricht geschickt hatte. Aber jetzt wo sie da war, hatte er Angst. Sie ist hübsch, sie ist gütig, sie ist ehrlich. Sie ist so, wie ihre Worte, das Gesamtbild passt.
„Sie hat nicht gelogen“, denkt er. „Sie hat sich nicht verstellt.“ Er hatte sich immer wieder gesagt, wenn sie kommt und sie treffen sich, wird sie nicht so sein, sondern anders. Und sie ist nicht attraktiv, dachte er sich immer wieder. Anderseits hatte ein Teil in ihm immer gehofft, dass sie es vielleicht doch ist. Und nun, da es so ist, macht es ihm Angst. Große Angst. So sehr er sich nach jemanden wie ihr gesehnt hat, so große Angst macht ihm der Gedanke daran jetzt.

Viel hat er schon erlebt in seinem Leben, schöne Beziehungen, komplizierte Beziehungen und immer wieder das Ende einer solchen.
Der Wecker klingelt und reißt ihn aus seinen Gedanken. Duschen, Anziehen und los ins Büro. Er schreibt ihr einen Zettel, lässt sie schlafen und zieht leise die Türe hinter sich zu. „Angst“ denkt er. Ja, die Kraf, sich nochmal auf jemanden einzulassen, wenn man weiß wie schrecklich Trennungen sind, dann doch lieber alleine bleiben dacht er sich. Doch ihre Worte fesselten ihn, er wollte – er musste sie sehen.

„Sie ist jung, sie wird mir davon laufen.“ Ohne, dass auch nur im entferntesten etwas zwischen ihnen gewesen wäre, bis auf, dass sie zusammen in einem Bett geschlafen hatten, macht er sich Gedanken über alles.
„Ich lasse sie“, dacht er, „sie ist jung, sie wird mir davon laufen und ich bin zu kompliziert. Ich habe nicht mehr die Kraft dazu zu lieben. „
Ohne zu merken, dass alleine deswegen, dass er sich solche Gedanken machte, es dafür eigentich schon zu spät war, bestieg der den Fahrstuhl in seinem Bürogebäude.

Plötzlich, ein Zucken, ein Knacken. Und da steht er der Fahrstuhl. „Steckengeblieben, na wunderbar.“ Schnell steigt in ihm die Panik hoch. In engen und in geschlossenen Räumen die sich auch noch bewegen hält er sich nicht gerne auf.
Panik, sein Puls schlägt höher, sein Herz beginnt zu rasen. Auch wenn er weiß, dass ihm eigentlich nichts Schlimmes passieren kann, so kann er sich doch nicht gegen die aufkeimende Panik wehren. „Ich muss hier raus“. Wenn mich niemand hört, geistert es ihm durch den Kopf, es ist Samstag.“

Und da fällt sie ihm ein, wie sie in seinen Bett liegt, wie ein Puppe, friedlich schlafend und eine unglaubliche Wärme und Ruhe austrahlend. Er hat ihr Bild genau vor Augen.
Langsam normalisiert sich sein Puls, der Herzschlag nimmt ab. Er bemerkt es zuerst garnicht, doch dann als er sich selbst den Puls fühlt ist er verwundert. Der Gedanke an sie, hat ihn beruhigt. „Was bin ich ein Idiot“. Ein Ruck und der Fahrstuhl setzt sich wieder in Bewegung. Die Tür geht auf und er verlässt den Fahrstuhl, geht zu den Treppen und eilt sie hinab. „Ich bin auf die Arbeit geflüchtet, an einem Samstag“.

Auf der Straße angekommen ruft er ein Taxi, steigt ein und fährt zurück zu seiner Wohnung. „Hoffentlich komme ich noch rechtzeitig“. Diesmal pumpt sein Herz vor Aufregung. Er stürmt die Treppen nach oben zu seiner Wohnung, lässt seinen Schlüssel vor lauter Eile fallen und schafft es endlich den Schlüssel in die Tür zu bekommen. „Langsam und leise, tief durchatmen“. Langsam und vorsichtig öffnet er die Tür zu seinem Schlafzimmer, da liegt sie immernoch, vorsichtig nimmt er den Zettel von seinem Kopfkissen. Er zerknüllt ihn und wirft ihn in den Mülleimer.
Dann küsst er sie sanft auf die Stirn, wovon sie erwacht. Sie schlägt ihre Augen auf und blickt ihn an. Er lächelt. „Bin ich ein Idiot“, denkt er und nimmt ihre Hand.

Im Mülleimer liegt ein Zettel, auf dem seht. „Es tut mir leid, bitte geh. Ich kann das nicht.“

// ella