mit dem neuen Buch von Coco Mellors.
// Bücher über Trauer gibt es viele, aber Coco Mellors’ neues Werk, „Blue Sisters“, sticht wie ein heller Stern am düsteren Himmel hervor. Dies ist kein typischer Roman über Verlust und Versöhnung, sondern eine wilde Fahrt durch die Abgründe und Höhen des Menschseins, in der New York selbst als pulsierender, unbarmherziger Hintergrund mitschwingt. Avery, Bonnie und Lucky – diese drei Frauen sind nicht einfach nur Schwestern. Sie sind ein ungleiches Trio, das mit gebrochenen Flügeln durch eine Welt stolpert, die nach Nickys Tod nur noch in Grautönen schimmert. Der Unfalltod von Nicky, der unsichtbare, aber allgegenwärtige vierte Punkt dieses Schwesternkompasses, ist wie ein Riss im Gefüge ihrer gemeinsamen Geschichte.
New York, die Stadt, die niemals schläft, scheint mit jeder Seite lebendiger zu werden und spiegelt das Chaos in den Herzen der drei Überlebenden wider. Hier ist keine Rede von klischeehaften Erweckungserlebnissen oder einem leicht verdaulichen Happy End. Stattdessen nimmt uns Mellors mit auf eine schwindelerregende Achterbahnfahrt durch Verzweiflung, Wut, Hoffnung und Humor. Die Frage, ob die Schwestern die Bruchstücke wieder zusammensetzen können, hängt über jeder Seite wie eine dunkle Wolke, aber die Sonne bricht immer wieder unerwartet durch – manchmal als scharfer, ironischer Witz, manchmal als Moment tiefster Zärtlichkeit. Die Stärke des Romans liegt in seiner Unberechenbarkeit. Gerade wenn man denkt, man wüsste, wohin die Reise geht, zieht Mellors den Teppich unter den Füßen weg und man stürzt kopfüber in eine neue, unerwartete Richtung. Die psychologischen Feinheiten, die sie dabei entfaltet, sind atemberaubend: Jede der Schwestern kämpft ihren eigenen, inneren Krieg, und doch sind sie untrennbar miteinander verbunden. Es geht um mehr als nur den Verkauf des Elternhauses – es geht um das Fundament, auf dem all ihre Bindungen aufgebaut sind. Mellors‘ Sprache ist wie ein Ballett aus Worten – mal kraftvoll und energisch, mal zart und fragil. Und sie schert sich nicht darum, ob wir als Leser uns dabei wohlfühlen oder nicht. Sie stößt uns in die Ecken der Seele, die wir lieber nicht beleuchten würden, und zwingt uns, genau hinzusehen. Es ist eine brutale, aber auch unglaublich befreiende Erfahrung. Am Ende bleibt kein Stein auf dem anderen, und genau das macht „Blue Sisters“ so besonders. Es ist nicht nur eine Geschichte über Verlust, sondern auch über die erstaunliche Fähigkeit, aus dem existenziellen Scherbenhaufen etwas völlig Neues zu erschaffen. Ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann und das lange nachhallt – ein wahres literarisches Wunderwerk, das Coco Mellors hier geschaffen hat. Wer sich traut, in die Tiefen des menschlichen Herzens zu tauchen, sollte sich diesen Roman nicht entgehen lassen.
UND WAS NUN?