// aufgelesen vol. (5)73 – „hüte dich vor der frau“

mit dem Werk „Hüte dich vor der Frau“ von Megan Abbott. // Megan Abbott ist eine Meisterin der unterschwelligen Spannung. Sie schreibt keine klassischen Thriller mit wilden Verfolgungsjagden oder plötzlichen Gewaltausbrüchen. Stattdessen arbeitet sie mit psychologischen Abgründen, unausgesprochenen Ängsten und einem ständig drohenden Gefühl der Beklemmung. Hüte dich vor der Frau ist genau so ein […]

mit dem Werk „Hüte dich vor der Frau“ von Megan Abbott.

// Megan Abbott ist eine Meisterin der unterschwelligen Spannung. Sie schreibt keine klassischen Thriller mit wilden Verfolgungsjagden oder plötzlichen Gewaltausbrüchen. Stattdessen arbeitet sie mit psychologischen Abgründen, unausgesprochenen Ängsten und einem ständig drohenden Gefühl der Beklemmung. Hüte dich vor der Frau ist genau so ein Roman – ein fiebriger, beunruhigender moderner Schauerroman, der seine Leser*innen mit elegantem Sog in eine düstere, klaustrophobische Welt zieht. Die Geschichte beginnt harmlos genug: Die junge, frisch verheiratete Jacy ist schwanger und reist mit ihrem Ehemann Jed in die Upper Peninsula von Michigan, um seinen Vater zu besuchen. Dr. Ash, ein charismatischer, väterlicher Mann, scheint ein fürsorglicher Gastgeber zu sein, während seine Hausverwalterin Mrs. Brandt eher abweisend wirkt. Doch als Jacy plötzlich Blutungen bekommt, verwandelt sich das scheinbare Idyll in einen Albtraum. Das weitläufige Blockhaus, umgeben von endlosen Wäldern, wird von einem Zufluchtsort zu einem Gefängnis. Und je länger Jacy bleibt, desto stärker wird das Gefühl, dass sie in einem perfiden Spiel gefangen ist, dessen Regeln sie nicht versteht.

Abbott setzt auf eine subtile, fast schleichende Bedrohung. Anfangs ist nicht klar, ob Jacy sich die Dinge nur einbildet oder ob tatsächlich etwas Dunkles im Haus lauert. Ihr Unwohlsein beginnt mit kleinen, scheinbar belanglosen Momenten – einer unpassenden Bemerkung, einem besorgten Blick, einer Tür, die nicht mehr offensteht, obwohl sie es zuvor tat. Doch nach und nach wächst die Spannung, bis man als Leser*in förmlich in die Seite schreien möchte: „Lauf!“ Der Roman spielt gekonnt mit klassischen Gothic-Elementen. Das einsame, große Haus inmitten der Natur erinnert an Schauergeschichten wie Rebecca von Daphne du Maurier oder Spannung in Yellow House von Shirley Jackson. Doch Abbott verleiht der Geschichte eine moderne, feministische Dimension. Hüte dich vor der Frau ist nicht nur ein Thriller, sondern auch eine scharfsinnige Reflexion über Geschlechterrollen, Besitzansprüche und die Frage, wie viel Selbstbestimmung eine Frau über ihren eigenen Körper hat. Besonders eindrucksvoll ist die Dynamik zwischen Jacy und den Männern in ihrem Umfeld – ihrem fürsorglichen, aber zunehmend unheimlichen Schwiegervater und ihrem Mann, der vielleicht nicht so harmlos ist, wie er anfangs scheint. Die Atmosphäre des Romans ist bedrückend und intensiv. Die Upper Peninsula mit ihren endlosen, fast undurchdringlichen Wäldern verstärkt das Gefühl der Isolation, während das Haus selbst eine düstere Bühne für Jacy wird. Die Räume scheinen zu groß, zu still, zu voller Schatten. Die dichte, lebendige Sprache von Abbott zieht einen immer tiefer hinein, bis man das Gefühl hat, selbst in diesem dunklen Labyrinth gefangen zu sein. Doch was diesen Roman wirklich auszeichnet, ist die Art, wie Abbott Spannung aufbaut. Es gibt keine typischen Schockmomente, keine plötzlichen Enthüllungen, die alles auflösen. Stattdessen steigert sich das Unbehagen mit jeder Seite, bis der Roman fast körperlich spürbar wird – fiebrig, drückend, unentrinnbar. Das Ende ist dabei ebenso verstörend wie konsequent. Hüte dich vor der Frau ist ein brillanter, verstörender Thriller, der lange nachhallt. Abbott beweist einmal mehr, dass wahre Angst nicht in übernatürlichen Wesen oder blutigen Morden liegt, sondern in der subtilen Manipulation, in der Unsicherheit, in der wachsenden Erkenntnis, dass man in eine Falle geraten ist. Für Fans von psychologischen Thrillern, düsteren Schauerromanen und feministischer Spannungsliteratur ist dieser Roman ein absolutes Muss.