mit den ersten beiden Bänden der Manga-Reihe „Haikaisha“.

// Yuhei Suzuki legt mit Haikaisha – Der Grenzgänger eine Horrorreihe vor, die sofort unter die Haut geht. Schon der erste Band entfaltet eine düstere, fast beklemmende Atmosphäre, die man so nur selten im modernen Horror-Manga findet. Suzuki verlegt das Grauen nicht in verlassene Tempel, Wälder oder abgelegene Häuser, sondern mitten in den pulsierenden Alltag einer Großstadt – dort, wo Menschen dicht an dicht leben, immer in Eile, immer im Strom der Masse, und trotzdem unendlich allein. Genau hier treibt die groteske Gestalt ihr Unwesen: ein Scherenwesen in zerschlissener Bahnwärter-Uniform, das sich wie ein stummes Mahnmal aus einer anderen Realität durch die Menschenmenge bewegt. Tsukiko, eine unscheinbare Studentin, trägt die Bürde, die meisten anderen nicht teilen müssen: Sie sieht die Kreatur. Dieses „Sehen“ wird bei Suzuki nicht einfach als Gabe erzählt, sondern als Fluch — als täglicher Kampf zwischen Angststarre, Ohnmacht und der Sehnsucht nach Normalität. Besonders intensiv wird der erste Band, als ihr Ex-Freund ins Visier des Monsters gerät.
Ab diesem Moment spürt man förmlich, wie Tsukikos Welt enger wird, wie sich die Luft im Manga verdichtet und alles auf eine unausweichliche Konfrontation zusteuert. Der zweite Band führt diese Spannung nahtlos fort, aber Suzuki wagt einen Perspektivwechsel, der emotional überrascht: Akiko, ein Opfer des Monsters, ist als Geist zurückgekehrt. Sie ist jung, lebensfroh, fast leuchtend gewesen — und in dieser verletzlichen Form beginnt sie nun gemeinsam mit Tsukiko und dem rätselhaften Noguchi den Kampf gegen das Scherenwesen.

Was sich zunächst wie ein klassisches „Geisterjäger“-Setting anhört, entwickelt sich schnell zu einem nachdenklichen, stellenweise tragischen Kapitel über Schuld, unerledigte Dinge und den schmalen Grat zwischen zwei Welten. Besonders bedrückend ist die Idee, dass Akiko selbst in Gefahr ist, zu einer „Grenzgängerin“ zu werden — einer verlorenen Seele zwischen Leben und Tod, gefangen im Fluch, den sie eigentlich brechen wollte. Dieser drohende Verlust verleiht Band 2 eine ungeahnte emotionale Schwere, die lange nachhallt. Suzuki hat ein gutes Gespür dafür, Horror nicht nur über Schockelemente, sondern über Schicksale und Atmosphäre zu erzählen. Die Zeichnungen von Hakaru Takarai unterstreichen das: scharf, düster, oft fast filmisch, mit einer Körpersprache, die mehr erzählt als Worte es könnten. Haikaisha ist nichts für schwache Nerven, aber genau das macht die Reihe so packend: Sie trifft das Unheimliche an der Schnittstelle zwischen Übernatürlichem und Realität, zwischen U-Bahn-Treiben und nächtlichen Hinterhöfen. Ein urbaner Horror, der zugleich modern und tief in der japanischen Erzähltradition verwurzelt ist. Wer anspruchsvolle, atmosphärische Horror-Manga sucht, findet hier eine Reihe, die schon mit den ersten beiden Bänden zeigt, wie viel erzählerisches Potenzial in ihr steckt — düster, kompromisslos und intensiv.
UND WAS NUN?