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// Würzburg, wo seid ihr? Das 38. Internationale Filmwochenende ist in vollem Gange und gerade mal dreißig Menschen verirren sich am Donnerstagabend in den vierten Saal des Würzburger „Cinemaxx“ um sich die charmante Dokumentation „Do It Again“ (4,5/6 – USA) von Robert Patton-Spruill zu Gemüte zu führen. In dem Film wagt sich der nimmermüde Protagonist […]

p1010386// Würzburg, wo seid ihr? Das 38. Internationale Filmwochenende ist in vollem Gange und gerade mal dreißig Menschen verirren sich am Donnerstagabend in den vierten Saal des Würzburger „Cinemaxx“ um sich die charmante Dokumentation „Do It Again“ (4,5/6 – USA) von Robert Patton-Spruill zu Gemüte zu führen. In dem Film wagt sich der nimmermüde Protagonist daran, die Kinks zu einem Comeback zu überreden. In diesem Zusammenhang gelingt es ihm im Rahmen zahlreicher Interviews so illustre Musiker wie Sting, Peter Buck (R.E.M.) und Indie-Queen Zooey Deschanel vor die Kamera zu zerren und mit ihnen diverse Kinks-Klassiker zum Besten zu geben.

Einen schöneren Einstieg in ein cineastisches Wochenende kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Gleich im Anschluss folgte dann ein französischer Hochgeschwindigkeitsthriller namens „À bout portant“ (3,5/6 – Frankreich), der zwar ein paar logische Schwächen aufweist, darüber hinaus aber schöne Erinnerungen an die rasante Attitüde von „Lola rennt“ wachruft – alles in allem also durchaus empfehlenswert ist.

// Womit wir auch schon am Freitag angelangt wären. Die Sonne scheint unerbittlich über Würzburgs Dächer und man möchte immer wieder Richtung Firmament brüllen: „Verdrückt doch endlich mal endlich ein paar Tränen, ihr nicht vorhandenen Wolken da oben“. Im „Central“ wiederum läuft am frühen Abend harte norwegische Kost in Form des Streifens „Kongen av Bastøy(4/6 – Norwegen), welcher sich um einen 17jährigen dreht, der in eine sadistisches Erziehungsanstalt auf der Insel Bastøy im Fjord vor Oslo gesteckt wird. Der Film geht einem äußerst nahe, was manchen Anwesenden sogar dazu verleitet haben soll, den Saal frühzeitig zu verlassen. Hinterher gab es dann noch den Zeichentrick-Nostalgiefetzen „The Illusionist“ (3,5/6 – UK/Frankreich) zu bewundern, der sich mit einem erfolglosen Zauberer auseinander setzt. Der Film kommt in diesem Zusammenhang fast ohne Worte aus und lebt von der betörenden Atmosphäre. Nachdem der Streifen in der Mitte ein bisschen ins Klischeehafte abdriftet, versöhnt einen das gelungene (und ziemlich traurige) Ende wieder.

// Am Samstag ist dann ein Gewinner des renommierten „Sundance“-Festivals auf dem Filmwochenende zu sehen. „Happy Happy“ (4/6 – Niederlande) von Anne Sewitsky umreißt die Geschichte zweier desillusionierter Ehepaare, die vor der schweren Entscheidung stehen, ob sich ihre Beziehung auch weiterhin lohnt. Der Streifen ist für die Mittagszeit außerordentlich gut besucht und kommt auch bei den Besuchern gut an. Mir persönlich gefällt die schräg-verstrahlte Coming Of Age-Dramödie „The Immaculate Conception Of Little Dizzle“ (5/6 – USA) – auch gerne „Wizzle Diddel“, „Lizzle Dittle“ oder „Shizzle Fizzle“ genannt – wesentlich besser. Das Ganze ist so eine Mischung aus „Big Lebowski“ und „Youth in Revolt“ und dreht sich um einen Typen, der irgendwelche Kekse mampft und dann ein blaues Monster gebärt… mir fällt gerade auf, dass man das nicht so recht beschreiben kann – das muss man einfach gesehen haben. Der Film hat definitiv das Zeug zum Kult-Movie. Und stößt in diesem Zusammenhang genauso auf strikte Ablehnung oder hemmungslose Begeisterung wie „Kalevet“ (2,5/6 – Israel). Man hat zwischenzeitlich das Gefühl plötzlich beim „Fantasy“-Filmfest zu Gast zu sein, nur das die Besucher nicht wirklich darauf vorbereitet sind. Nachdem der eine Typ dem anderen mit einem Vorschlaghammer das Gesicht zertrümmert hat und einige Finger abhandengekommen sind, ist bereits das halbe Publikum wieder rausgegangen. Der Rest allerdings fühlt sich blendend unterhalten von diesem Horror-Geheimtipp und wird mit weiteren blutrünstigen Szenen beglückt. Schade eigentlich, dass die Story darüber hinaus nicht allzu viel hergibt. Aber in einem Horrorfilm kommt es ja eh nur darauf an, ob die Sache schockt. Und das tut sie recht gut. Auch wenn zwischendurch mal kurz der Ton ausfällt und ich der Meinung bin, das man von Seiten der Produktionsfirma in Zukunft Obertitel statt Untertitel einführen sollte. Im „Central“, das ich wirklich sehr schätze und nie wieder missen möchte, ist es praktisch unmöglich einen freien Blick auf die untere Hälfte der Leinwand zu ergattern (zumindest wenn der Saal voll ist). Zu guter Letzt läuft dann noch „Extraterrestre“ (3,5/6 – Spanien) in der Nachtschleife. Wie man mit fünf Darstellern einen solch spannungsgeladenen Streifen hinbekommt, ist schon bemerkenswert. Statt irgendwelche Außerirdischen in Independence Day-Manier die Erde angreifen zu lassen, wird hier nach einer Invasion lieber das Innenleben der Protagonisten ausgeleuchtet. Es fliegen Tennisbälle, statt Laserstrahlen. Und man erliegt dem Charme dieses schrägen Ensembles, welches einige Logik-Lücken in der Handlung wieder vergessen macht.

p1010389// Am Sonntag scheint die Sonne dann weiterhin gnadenlos. Dafür ist der erste Film des Tages exzellent. „Am Ende des Tages“ (4,5/6 – Österreich) erzählt die Geschichte eines Ehepaars, das einen idyllischen Berg-Ausflug plant, in diesem Zusammenhang aber von einem zwielichtigen Typen verfolgt wird. Es entwickelt sich ein spannendes Psycho-Duell, das sich immer weiter zuspitzt, weil der Zuschauer (wie auch die Ehefrau des Protagonisten) lange im Unklaren gelassen werden, wer hier eigentlich die Wahrheit sagt. Das Ende geht einem dann wirklich nahe und sorgt dafür, dass man zum Plastik-Cartoon „Panique Au Village“ (3/6 – Frankreich) zur zu gerne ein bisschen die Seele baumeln lässt. Das Beste an diesem Film ist die brillante Umsetzung. Plastikfiguren als Akteure in solch formvollendeter Form agieren zu sehen, hat schon einen gewissen Charme. Handlungstechnisch hat der Film zwar nicht viel zu bieten, die hübsche Ausstattung trägt den Streifen aber trotzdem über die volle Distanz von 75 Minuten. Womit wir dann auch schon wieder fast am Ende wären. Nachher wird noch der Streifen „Kill List“ (Nachtrag: äußerst komplex und spannend… 4,5/6 – UK) unser persönliches Wochenende beschließen und es bleibt zu hoffen, dass am Ende trotz des guten Wetters genug Zuschauer da waren, um das Festival als Erfolg verbuchen zu können. Ein erstes Statement von Festivalchef Hannes Tietze auf der Homepage stimmt in diesem Zusammenhang schon mal positiv: „Wahrscheinlich werden wir die Zuschauerzahl aus dem vergangenen Jahr spürbar übertreffen. Angesichts des Frühlingswetters ist das ein gutes Ergebnis“.

// Zu guter Letzt fehlen dann eigentlich nur noch die nackten Fakten: Den Publikumspreis hat in diesem Jahr der Film „Lal Gece“ („Stumme Nacht“) von Reis Celik abgestaubt. Zum Besten Dokumentarfilm wurde der Streifen „Gangsterläufer“ von Christian Stahl gekrönt. Bei den Kurzfilmen setzte sich „Der letzte Gast“ vor „La mort est dans le champ“ und „1.000 Gramm“ durch. Außerdem gewann der Film „Axel“ vom Friedrich-Koenig-Gymnasium bei den „Selbstgedrehten“. Alles Weitere (inklusive der Nachspieltermine im „Central“) erfahrt ihr unter: www.filmwochenende.de.