// aufgelesen vol. 69 – „mr. chips becomes scarface“

mit Büchern von Christine Lang / Christopher Dreher, Jens Schröter, Sylvia Plath und Hermann Hesse. // Ein kleines, aber feines Buch zum Thema „Quality-TV“ ist inzwischen von der Filmemacherin und Literaturwissenschaftlern Christine Lang und dem Merz Akademie-Professor Christoph Dreher erschienen, welche sich zusammen daran manchen, diverse Geheimnisse um die TV-Reihe „Breaking Bad“ zu lüften. In […]

mit Büchern von Christine Lang / Christopher Dreher, Jens Schröter, Sylvia Plath und Hermann Hesse.

breaking-bad// Ein kleines, aber feines Buch zum Thema „Quality-TV“ ist inzwischen von der Filmemacherin und Literaturwissenschaftlern Christine Lang und dem Merz Akademie-Professor Christoph Dreher erschienen, welche sich zusammen daran manchen, diverse Geheimnisse um die TV-Reihe „Breaking Bad“ zu lüften. In „Breaking Down Breaking Bad – Dramaturgie und Ästhetik einer Fernsehserie“ widmen sie sich auf knapp 150 Seiten dem Phänomen um Protagonist Walter White und setzen sich dabei nicht nur mit der Kunst auseinander, eine ambivalente Persönlichkeit zu erschaffen (im deutschen Fernsehen seit Jahren Mangelware, stattdessen wird immer wieder derselbe Einheitsbrei rauf und runter geleiert), sie setzen sich auch mit den zahlreichen Referenzen in Season Zwei, sowie den ersten beiden Episoden, intensiv auseinander.

Immer wieder wird in diesem Zusammenhang deutlich, was gutes Fernsehen ausmacht. Ein übergeordneter Handlungsstrang und Figuren, die in menschlicher Hinsicht glaubwürdig sind, gehören spätestens seit den „Sopranos“ zum Standard in Sachen Quality-TV. Das wiederum erklärt dann auch, warum hierzulande in den vergangenen Jahren mit Ausnahme von „KDD“ und „Im Angesicht des Verbrechens“ so gut wie nichts hintersinniges, geschweige denn überraschendes oder zumindest glaubwürdiges auf der Mattscheibe zu sehen gewesen ist. Man vermisst leider viel zu oft den Mut zum Risiko, der viele hochwertige Produktionen (nicht nur in den USA) auszeichnet. Nehmen wir „Breaking Bad“ also zum Anlass, einmal grundsätzlich über die Zukunft von deutschen TV-Produktionen nachzudenken. In dieser Serie steckt alles, was gutes Fernsehen ausmacht. Weshalb wir euch auch ans Herz legen, mit diesem Werk die Wartezeit bis zur finalen Staffel 5.2. zu überbrücken. Es lohnt sich, weil die Autoren einem vor Augen führen, wie man komplexe Handlungsstränge treffsicher in Szene setzt und dadurch ein glaubwürdiges Gesamtkunstwerk erschafft. Dass dabei immer wieder Seitenhiebe auf die „Sopranos“ untergebracht werden, ist natürlich Ehrensache. Außerdem finden sich in dem Werk zahlreiche Beispiele dafür, warum man im Zweifel lieber zur Originalfassung greifen sollte, da im Rahmen der deutschen Synchronisation viele Anspielungen auf der Meta-Ebene unter den Tisch fallen. Wenn du also wissen willst, warum in Jesses Geschichten irgendwann mal ein „Opossum“ auftaucht und was das Ganze mit „playing possum“ zu tun hat? Hier findest du Antworten auf deine Fragen… hin und wieder auch auf jene, die du dir vielleicht noch gar nicht gestellt hast. Ein grandioses Werk.

the-wire// Ebenfalls hinweisen möchten wir bei der Gelegenheit auf die Booklet-Reihe „Kultur & Kritik“, die seit geraumer Zeit im Verlag „Bertz + Fischer“ erscheint. Im sechsten Band der Serie dreht sich alles um das TV-Phänomen „The Wire“, das von vielen Kritikern als die beste Fernsehserie aller Zeiten gehandelt wird. In der HBO-Reihe dreht sich alles um das organisierte Verbrechen in der Stadt Baltimore. Die Macher allerdings legen es nicht darauf an, den Zuschauer mit spannungsgeladenen Handlungssträngen zu überhäufen, sondern ein glaubwürdiges Bild des dortigen Geschehens zu vermitteln. So wird im Rahmen der fünf Staffeln jeweils ein Aspekt der dortigen Vorgänge unter die Lupe genommen. Wir werden sowohl mit der Polizeiarbeit wie auch dem Vorgehen der Drogenschmuggler konfrontiert. Darüber hinaus werden die Einflüsse auf den Journalismus und das politische Geschehen deutlich gemacht. „The Wire“ ist in diesem Zusammenhang weit mehr als eine TV-Serie – wie auch der Nachfolger „Treme“, welcher sich mit den Folgen des Hurricanes „Katrina“ in New Orleans auseinandersetzt, legt die Serie komplexe Zusammenhänge offen und so macht es natürlich Sinn, sich auch noch mal in literarischer Form mit der ganzen Geschichte zu konfrontieren. In seinem Booklet „Verdrahtet – THE WIRE und der Kampf der Medien“ führt uns Autor Jens Schröter gekonnt vor Augen, wie das System Baltimore funktioniert. Nachdem das Kapital weitergezogen ist, weil es anderweitig bessere Möglichkeiten zur Vermehrung vorfindet, sehen sich die Menschen vor Ort mit den daraus resultierenden Folgen konfrontiert. Jens Schröter richtet seinen Blick dabei vorwiegend auf den Einfluss der Medien, welche in „The Wire“ (schon titelgebend) eine große Rolle spielen. Er illustriert anschaulich anhand diverser Staffeln (und des Vorspanns) wie nicht nur das Geschehen im TV vom echten Leben beeinflusst zu sein scheint, sondern auch umgekehrt (hierbei möchten wir auch auf die Vorgänger-Serie „Oz“ verweisen, deren „Knast“-Slang sich auch ein Stück weit in den echten Gefängnissen der USA verbreitet haben soll). Alles in allem wirft die Abhandlung des Autors also die Frage auf, welche Verantwortung die Medien heutzutage tragen, wenn sie nicht nur das Geschehen reflektieren, sondern selbst Einfluss auf die Ereignisse nehmen. Eine äußerst spannende Angelegenheit, dieses Werk (sowie die Serie, die wir jedem TV-Fan unbedingt ans Herz legen möchten).

plath// Mit ihrem einzigen Roman namens „Die Glasglocke“ hat die amerikanische Autorin Sylvia Plath eines der wegweisendsten Werke der 60er Jahre veröffentlicht. Nun erscheint eine Neuauflage des Werks im renommierten „Suhrkamp“-Verlag, übersetzt von Reinhard Kaiser, der für seine Übertragungen schon mehrmals mit diversen Preisen ausgezeichnet wurde. Wenn man über „Die Glasglocke“ spricht, kommt man nicht drum herum, auch die tragischen Begleitumstände ihres Erscheinens vor 50 Jahren zu thematisieren. Nur vier Wochen nach der Veröffentlichung hat sich die Autorin Sylvia Plath nämlich umgebracht. So hat sie den großen Erfolg ihres Werkes in den 70er Jahren, als das Buch zum Kultroman avancierte, leider nicht mehr miterlebt. Inzwischen gilt Sylvia Plath nicht nur als Ikone der Frauenbewegung, auch ihre Worte haben bis heute nicht an Kraft verloren. In ihrem Buch erzählt sie die Geschichte von Esther Greenwood, die nach dem Gewinn eines Schreiwettbewerbs als Hospitanz bei einem renommierten New Yorker Mode-Magazin arbeiten darf. Weil sie das Spiel mit den Anreizen und Verlockungen allerdings sehr schnell durchschaut, stellt sich schon bald eine gewisse Ernüchterung ein. Wieder zurück in ihrer Heimat verfällt sie in eine tiefe Depression, die sie zunehmend verzweifelter werden lässt. Sylvia Plath gelingt es mit ihrem Buch die Ausweglosigkeit der Situation für ihre Protagonistin nachvollziehbar darzustellen. „Die Glasglocke“ erzählt in diesem Zusammenhang nicht nur von zerplatzten Träumen, sondern auch von der Isolation des Einzelnen, der nicht bereit ist, sich den gängigen Mechanismen unserer Gesellschaft zu unterwerfen. Ein wegweisendes Werk, das man unbedingt gelesen haben sollte.

hesse1// Ebenfalls bei „Suhrkamp“ sind im vergangenen Jahr zahlreiche Werke von Hermann Hesse neu aufgelegt worden. Zu seinen wichtigsten Bücher gehört der Literatur-Klassiker „Narziß und Goldmund“, der die Geschichte zweier ungleicher Menschen thematisiert, deren Leben untrennbar miteinander verknüpft zu sein scheint. Das Buch dreht sich um einen Lehrgehilfen namens Narziß und einem Schüler namens Goldmund, welche sich im Mittelalter in einer Klosterschule treffen. Durch die gegenseitige Bewunderung füreinander thematisiert Hesse hier im übertragenen Sinne das Streben des Menschen nach Vollkommenheit, welche dieser auf sich allein gestellt nicht erreichen kann. So folgen wir den beiden Protagonisten auf ihrem Lebensweg, der sie am Ende doch wieder zum Ausgangspunkt zurückführt. In „Das Glasperlenspiel“ wiederum dreht sich alles um den Glasperlenmeister Josef Knehesse2cht. Nachdem er seine Lehre beendet hat, bricht er aus dem bestehenden, gesellschaftlichen System aus, weil er feststellt, dass dort nur starren Regeln gefolgt wird. Er aber möchte die Dinge verändern und nicht nur ein Verwaltungsangestellter sein, der sich mit den bestehenden Verhältnissen arrangiert. Die Arbeit an dem Werk hat Hermann Hesse mehr als zehn Jahre gekostet und das merkt man der Geschichte auch an. Der Autor wurde für sein Werk völlig zu Recht mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. In seinen Büchern deckt er die Widersprüche unseres gesellschaftlichen Lebens auf und deshalb möchten wir die Chance ergreifen euch bei dieser Gelegenheit nochmal auf sein literarisches Gesamtwerk aufmerksam machen. Es lohnt sich nämlich auch heute noch die Bücher von Hermann Hesse für sich zu entdecken. Also lasst euch faszinieren. Bis zur nächsten Leserunde.