mit den Bänden Before Watchmen – Minutemen & Comedian, Neil Young´s Greendale, Chew, Ewiger Himmel, der Manara-Werkausgabe, Das Gedächtnis des Meeres, Der Peanuts-Werkausgabe, Tim und Struppi – Tim in Amerika, XIII – Mystery und Die Kunst der Anspassung.
// Pünktlich zum 50ten Jubiläum des „Strichcode“ präsentieren wir euch heute mal eine echte XXL-Ausgabe mit einer ganzen Reihe gelungener Comic-Veröffentlichungen. Bereits im Rahmen des letzten Rundumschlags haben wir euch auf die „Before Watchmen“-Reihe aufmerksam gemacht und in diesem Zusammenhang den lesenswerten Band „Rorschach“ besprochen. Nun legen wir nach und konfrontieren euch mit der bewegten Vergangenheit der so genannten „Minutemen“ und dem dazugehörigen Comic-Album, das durch seinen klassischen Look und eine spannende Geschichte aus dem Einheitsbrei der gegenwärtigen Superhelden-Comics herausragt.
Die Geschichte von Autor Darwyn Cooke beruht natürlich auch diesmal auf dem Klassiker von Alan Moore, der in jedem gut-sortierten Comic-Regal stehen sollte. Cooke wiederum gelingt es in seinem „Prequel“ den Geist der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen und den Charme des Originals in die heutige Zeit zu transportieren. So erfahren wir nicht nur interessante Details über die Vorgeschichte der Watchmen-Mitglieder „Nite Owl“ und „Silk Spectre“, sondern bekommen auch die dunkle Seite unserer „Helden“ präsentiert, die sich immer wieder mit den eigenen Ängsten und Schwächen konfrontiert sehen. „Minutemen“ blickt hinter die Fassade und lässt seine Helden ihre inneren Kämpfe austragen – auf diese Weise entsteht ein sehr differenziertes Bild der einzelnen Charaktere. Außerdem bekommt man eine spannende Geschichte beschert, die so manches Jahrzehnt überdauert und damit dem epischen Ansatz der Original-Watchmen in keiner Weise nachsteht. „Minutemen“ ist ein wirklich beeindruckendes Werk, das sich zwar an Vergangenem orientiert, aber schon jetzt neugierig in Richtung Zukunft blicken lässt. Da wartet nämlich der alt-ehrwürdige „Comedian“ auf uns, der sich unter der Leitung von Autor Brian Azzarello und Zeichner J. G. Jones daran macht, mit den ruhelosen Gespenstern der Vergangenheit aufzuräumen. Der Protagonist ist in diesem Zusammenhang wohl der kompromissloseste unter den Figuren des „Watchmen“-Universums. Er hält immer treu zu seinen Freunden und verhandelt nicht gerne mit dem Gesindel auf den Straßen. Mit einem Dauergrinsen im Gesicht begibt er sich auf einen Beutezug durch die 60er Jahre, wobei es den beiden Machern sehr gut gelingt, die Atmosphäre des Original-Comics aufzugreifen, sie aber mit einem modernen Look auszustatten, wodurch der Figur des „Comedian“ eine gehörige Portion an Tiefgang erhölt. Wenn die Mini-Serien-Reihe „Before Watchmen“ auch in Zukunft dieses Niveau zu halten vermag, steht uns großes bevor. Wir jedenfalls sind jetzt schon gespannt auf die weiteren Prequels, die da noch kommen werden.
// Manche kennen vielleicht noch den Album-Klassiker „Greendale“ aus der Feder des altehrwürdigen Neil Young, den wir ebenfalls erst vor kurzem zum Favoriten des Monats gekürt haben. Nun kommt tatsächlich eine ambitionierte Graphic Novel auf den Markt, die sich mit der Geschichte des Konzeptalbums auseinander setzt. Das Ganze spielt im Frühjahr 2003. Amerika befindet sich auf den Weg in den Krieg, doch ein kleiner Ort in Nordkalifornien möchte da nicht mitspielen. In „Greendale“ lebt nämlich die 18-jährige Sun Green, deren Urgroßvater zu den Mitbegründern des Städtchens zählt. Was die Menschen dort auszeichnet ist ihre besondere Nähe zur Natur, welche allerdings immer wieder tragisch zu enden scheint. Eines Tages taucht plötzlich ein Fremder in „Greendale“ auf und beginnt das Leben der Protagonistin auf den Kopf zu stellen. Ob am Ende noch ein Stein auf dem Anderen bleibt? Man darf es mit Recht bezweifeln. „Neil Young´s Greendale“ von Joshua Dysart, Cliff Chiang und Dave Stewart besticht durch eine weichgezeichnete Optik und eine Geschichte, die im Grenzgebiet von Magie und Politik angesiedelt ist. Ein wirklich „bezauberndes“ Werk mit kritischen Seitenhieben auf die weltpolitische Lage und ein Plädoyer für einen umsichtigen Umgang mit der Natur.
// Im Hause „Chew“ geht der helle Wahnsinn derweil bereits in die sechste Runde. Im grellen Pink präsentiert sich die Geschichte „Space Kekse“, die sich etwas intensiver mit dem familiären Hintergrund des Protagonisten auseinander setzt. Tony Chus Schwester Toni gerät nämlich zwischen die Fronten von USDA, FDA und einem Gegner, der sich daran macht, die Menschheit das Fürchten zu lehren. Im Gegensatz zu Tony Chu, der als cibopathischer Ermittler mit einem außerordentlichen Geschmacksinn ausgestattet ist, handelt es sich bei seiner Schwester Tobi um eine Cibovoyante, die nach dem Verspeisen eines bestimmten Objekts oder eines Gerichts dessen Zukunft vorhersehen kann. Das allerdings, was sie im Rahmen des Werkes von John Layman und Rob Guillory zu sehen bekommt, lässt nicht gerade auf rosige Zeiten hoffen und so macht sich Tony Chu daran, das drohende Unheil zurückzuschlagen. Ob ihm das gelingt? Wer auf Kriminalgeschichten mit allerhand verdrehten Handlungsschlenkern und wahnwitzigen Protagonisten steht, der sollte unbedingt mal reinschauen. „Chew“ hält auch im sechsten Band das hohe Niveau der Vorgänger und ist gleichzeitig der Abschluss der ersten Hälfte des Comic-Spektakel… was so viel heißt, wie: ihr dürft euch noch über eine ganze Reihe weiterer Bände freuen.
// David Boller beschert uns mit seiner Graphic Novel „Ewiger Himmel“ ebenfalls ein bezauberndes Werk im schlichten Schwarz-Weiß. Die Geschichte dreht sich um den Autor selbst, der sich im Jahre 1992 nach Amerika aufmacht, um professioneller Comic-Zeichner zu werden. Dort angekommen, kümmert er sich um die Adaption von diversen Superhelden-Reihen wie „Spider-Man“ und „Batman“ und erschafft mit „Kaos Moon“ bei „Caliber Comics“ seine erste eigene Serie (die Geschichte wurde in Deutschland im Magazin „Schwermetall“ veröffentlicht und später auch in Buchform beim „Alpha Comic Verlag“). Sechzehn Jahre lang lebt er schließlich in den Vereinigten Staaten, im Rahmen derer er eine ganze Reihe verrückter Typen kennenlernt. Was er sonst noch so erlebt hat bei der amerikanischen Comic-Industrie und mit seiner Frau Rachel, ist nicht nur spannend in Szene gesetzt, sondern zeigt auch, dass man nicht immer mit Superhelden-Geschichten aufwarten muss, um eine gehörige Portion an Spannung zu kreieren. „Ewiger Himmel“ jedenfalls gelingt es eine spannende Geschichte über das ganz normale Leben als Künstler aus dem Ärmel zu schütteln und dürfte damit auch hierzulande für Aufsehen sorgen. Ein bezauberndes Werk.
// Der Bozener Autor Milo Manara zählt zu den renommiertesten Künstlern auf der Welt. Nach seinen Veröffentlichungen „Der Affenkönig“ und „Click!“ sowie unzähligen weiteren Klassikern des Comic-Bereichs, macht sich der „Panini“-Verlag daran, eine „Werkausgabe“ des breiten Schaffens von Manara zusammenzustellen, die inzwischen elf Bände umfasst. Mit seinen erotischen Zeichnungen gelingt es dem Zeichner, die Bereiche Kunst und Unterhaltung vortrefflich miteinander zu verknüpfen und man kommt in den Genuss vieler spannender Geschichten, die wesentlich mehr zu bieten haben, als nur nackte Haut. Im siebten Band zum Beispiel widmen wir uns den „Reisen des G. Bergmann “ – die Geschichte „Das große Abenteuer“ dreht sich um den jungen Giuseppe, der von einem Produzenten angeworben wird. Ziel des ganzen Unterfangens ist es, dass die Zuschauer ihren Alltag komplett vergessen. Auch die Alben 9 und 10 widmen sich den „Reisen“ von Guiseppe – im neunten Band werden zwei Geschichten namens „Ein Autor sucht sechs Personen“ und „Tag des Zornes“ vereint, die beide auf dem gleichen Bühnenbild basieren. Die Erzählungen spielen auf dem afrikanischen Kontinent und so wird Manara auch nicht müde zu betonen, dass er die Menschen dort als Überbringer eines positiven Lebensstils sind, der irgendwann zu großem Glück führen dürfte. Der Autor wendet sich damit explizit gegen die Barbarei auf unseren Planeten und setzt mit den beiden Stories des zehnten Bandes („Zu schaun die Sterne“ und „Die Odyssee des Guiseppe Bergmann“) noch einen drauf. In den beiden Geschichten widmet er sich voll und ganz dem Konsumwahn in unserer Gesellschaft und führt anhand des Beispiels der Drogenabhängigkeit vor Augen, wohin dieses Denken im schlimmsten Fall führen kann. Er fordert die Menschen auf ihren Kopf einzuschalten und richtet das Augenmerk auf jene, die es genießen, die menschlichen Schwächen auszunutzen. Wenn du also auf kritisch angehauchte, erotische Unterhaltung stehst, solltest du unbedingt mal einen Blick auf das breite Schaffen von Milo Manara werfen. Es lohnt sich.
// Auf keinen Fall verpassen sollte man auch die Gesamtausgabe des Comics „Das Gedächtnis des Meeres“ von Texter Mathieu Reynès und Valérie Vernay (verantwortlich für Zeichnungen und Kolorierung), welche in diesen Tagen bei „Salleck Publications“ erschienen ist. Die Macher entführen uns in Richtung Küste, wo ein junges Mädchen namens Marion ihr zukünftiges Leben verbringen wird. Das Haus am Meer, in das die junge Dame mit ihren Eltern einzieht, gehörte einst ihrer Großmutter, die erst vor kurzem verstorben ist. Das Leben dort fühlt sich anfangs noch wie ein schöner Traum an, dann aber werden kleine Risse in der makellosen Fassade sichtbar. Die Protagonistin sieht sich plötzlich in einem Geflecht aus Gerüchten, Legenden und „gut gemeinten“ Ratschlägen verstrickt. So entpuppt sich das Leben am Strand nur vordergründig als das erhoffte Paradies für die Familie von Marion. Je tiefer Marion gräbt, umso mehr Ungereimtheiten kommen ans Licht. Und dann gibt es da ja auch noch diesen mysteriösen Leuchtturmwärter vor dem alle Angst zu haben scheinen. Ob am Ende dennoch alles gut ausgeht? Am besten du findest es selbst heraus. „Das Gedächtnis des Meeres“ punktet mit zauberhaften Motiven und einer spannenden Coming Of Age-Geschichte, welche auch für Krimi-Fans interessant sein dürfte.
// Schon der erste Band der „Peanuts Werkausgabe“ war ein einziges Spektakel und nun setzen die Macher noch einen drauf. Die zweite Ausgabe widmet sich den Jahren 1953 bis 1954 und verspricht einen allumfassenden Überblick über das monströse Schaffen des Comic-Meisters Charles M. Schulz. Der gibt sich im Rahmen der so genannten „Tages- & Sonntagsstrips“ auch diesmal sehr viel Mühe, seinen Lesern ein breites Grinsen aufs Gesicht zu zaubern. So wird nicht nur die beliebte Figur des Pig-Pen im Rahmen der Peanuts begrüßt, die einzelnen Charaktere bekommen auch eine gehörige Portion an Tiefgang eingehaucht. Der kurzweilige Charme der Reihe geht dadurch aber keineswegs verloren. Vielmehr bekommt man beim Lesen ein gutes Gespür für die einzelnen Figuren und kann ihre Handlungen auf diese Weise noch besser nachvollziehen. Das alles führt dazu, dass man als Leser unweigerlich in einen Sog der Emotionen gerissen wird, der einen jetzt schon nach weiteren Bänden lechzen lässt. Wenn du also noch einmal wissen möchtest, wie das damals war, als Lucy immer am Nörgeln gewesen ist und Snoopy seiner exzentrischen Ader freien Lauf gelassen hat, dann bist du hier an der richtigen Adresse. Ein wirklich liebenswertes Werk im ansprechenden Outfit, das man sich nur zu gerne ins Regal stellt.
// Wer auf die Geschichte von „Tim und Struppi“ steht, der darf sich in diesen Tagen über die Veröffentlichung des Bandes „Tim in Amerika“ freuen. Darin widmet sich der Autor den Erlebnissen seiner beiden Helden in den Vereinigten Staaten, wo sie sich mit allerhand Cowboys und Indianer konfrontiert sehen. Natürlich werden auch diesmal wieder reichlich Patronen verschwendet und für jede noch so verzwickte Situation ein entsprechender Ausweg gefunden. Autor Hergé stellt damit abermals sein gutes Gespür für Situationskomik unter Beweis und sorgt dafür, dass man bis zum Ende hin aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Gewissen Parallelen zu Lucky Luke und Konsorten werden immer wieder deutlich, wenn sich das verrückte Duo in Richtung Wilder Westen begibt, wobei es sich zwischenzeitlich sogar selbst hinter Gitter wiederfindet. Ob am Ende trotzdem alles gut ausgeht? Am besten du findest es selbst heraus.
// Die Comic-Reihe „XIII Mystery“ setzt sich derweil in mehreren Teilen mit jeweils einer Figur auf 54 kolorierten Seiten auseinander. Darin wird das Leben als professioneller Serienkiller mal etwas genauer unter die Lupe genommen. Neben den üblichen Klischeevorstellungen bekommt man hier wirklich einen tiefsinnigen Einblick in das Innenleben der einzelnen Charaktere und sieht sich ein ums andere Mal mit einem astreinen Dilemma konfrontiert. Wie lebt jemand, der immer auf der Grenze zur Illegalität wandelt? Was bewegt ihn. Ralph Meyer und Xavier Dorison gelingt es im ersten Band „La Mangouste“, hervorragend die Grenzen zwischen Gut und Böse zu verwischen und dem breiten Universum von William Vance und Jean Van Hamme ein paar interessante Aspekte hinzuzufügen. Im zweiten Band von Berthet und Corbeyran nehmen sich die Autoren dann der Profi-Killerin Irina an, die immer wieder in ihren persönlichen Abgrund blickt. Boucq und Alcante widmen sich schließlich im vierten Band einem so genannten „Colonel Amos“, dessen Fassade hinter unscharfen Konturen ebenso zu verschwimmen droht, wie die unterschiedlichen Facetten seiner Persönlichkeit. Was treibt diesen Mann an? Mehr als einmal sieht man sich mit der Frage konfrontiert und so ist es am Ende auch kein Wunder, dass „XIII“-Schöpfer Jean Van Hamme selbst äußerst begeistert von dieser Reihe gewesen ist.
// Um „Die Kunst der Anpassung“ dreht sich das aktuelle Werk von der langjährigen Bloggerin Margaux Motin, die sich auf selbstironische Weise mit den kleinen und großen Herausforderungen des Alltags auseinandersetzt. Ihr Werk, das soeben im „Carlsen“-Verlag erschienen ist, punktet mit jeder Menge Selbstironie und schwarzem Humor, der einen immer wieder zum Schmunzeln einlädt. In reduzierten Motiven widmet sie sich dem Leben einer jungen Mutter und Illustratorin und spricht dabei aus Erfahrung – die Protagonistin des Buches ist nämlich niemand Geringeres als sie selbst und dementsprechend wirken viele Passagen auch so, als wären sie direkt aus dem Leben gegriffen. „Ich will alle Frauen sein dürfen, die ich sein möchte“ gibt sie lautstark zu Protokoll und wird von allerhand klaustrophobischen Anfällen geplagt, während sie sich mit so mancher Alltagssituation auseinander setzt. So vergeht die Zeit mit dieser Graphic Novel am Ende ebenfalls wie im Flug und man kann nur jeder jungen Frau (aber auch so manchem jungen Mann) dazu raten, mal in diesen verdrehten Almanach der alltäglichen Herausforderungen hinein zu spitzen. Das wiederum war es dann aber auch schon wieder für heute. Viel Vergnügen beim Schmökern. Bis zum nächsten Strichcode.
UND WAS NUN?