// aufgelesen vol. (1)36 – „alles ist jetzt“

mit neuen Büchern von Stefano D´Arrigo, Walter Gröbchen, Thomas Mießgang, Florian Obkircher, Gerhard Stöger, Eugen Baunach, Alexandra Ganser, Martin Blumenau, Christian Frascella, Julia Wolf und Michael Dobbs. // Die Leipziger Buchmesse lockt in diesem Jahr wieder zahllose Lese-Fans an. Wir widmen uns deshalb auch heute zu Beginn noch einmal einem wirklichen Hingucker, der in der […]

mit neuen Büchern von Stefano D´Arrigo, Walter Gröbchen, Thomas Mießgang, Florian Obkircher, Gerhard Stöger, Eugen Baunach, Alexandra Ganser, Martin Blumenau, Christian Frascella, Julia Wolf und Michael Dobbs.

horcynus-orca// Die Leipziger Buchmesse lockt in diesem Jahr wieder zahllose Lese-Fans an. Wir widmen uns deshalb auch heute zu Beginn noch einmal einem wirklichen Hingucker, der in der Rubrik „Beste Übersetzung“ nominiert worden ist. „Horcynus Orca“ nennt sich das Mammutwerk von Stefano D´Arrigo, welches in diesen Tagen nach gut 40 Jahren endlich auch auf Deutsch erscheint. Dass das mit der Übersetzung so lange gedauert hat, liegt auch daran, dass das Werk lange Zeit als nicht-übertragbar galt – und hätte es sich Moshe Kahn nicht zur Lebensaufgabe gemacht, dieses opulente Werk ins Deutsche zu übertragen, wir würden wahrscheinlich auch weiterhin vergeblich auf eine deutschsprachige Fassung des italienischen Literaturklassikers warten. Das Buch selbst nimmt einen mit auf eine wahrhafte Odyssee der Emotionen. In bildhafter Sprache werden wir mit der wunderschönen Landschaft nahe der Straße von Messina konfrontiert, wo der Protagonist des Werkes sein letztes Häufchen Glück zu finden versucht. Vier Tage dauert seine Reise, welche im Jahr 1943 beginnt. Die Marine ist eben erst zusammengebrochen und ein Matrose ‚Ndrja erfährt von den schlimmen Dingen, die der Krieg den ihm liebgewonnen Menschen angetan hat. Was das Ganze mit einer geheimnisvollen Frau zu tun hat, welche ihm auf seiner Reise behilflich ist und ob es wirklich noch eine Chance gibt, jemals wieder heimzukehren. Lange tappt man als Leser im Dunkeln im Rahmen dieses großartigen Romans, der einen auf eine verrückte Reise mitnimmt, die ebenso aussichtslos wie gefährlich erscheint und nach deren Ende kein Stein mehr auf dem anderen zu liegen scheint. Wenn du also auf große Weltliteratur der Marke „Der alte Mann und das Meer“ und „Moby Dick“ stehst, dann schau mal rein in diesen Klassiker der Weltliteratur.

austro-bob// Im Zuge der großartigen LP-Veröffentlichungen, die derzeit von Österreich aus unser Herz im Sturm erobern und dabei lauthals „Libertatia“ und „Amore“ schreien, wollen wir euch heute auf zwei Standartwerke zum Thema „Wien Pop“ und „Autro Bob“ aufmerksam machen, welche in den vergangenen Jahren beim „Falter Verlag“ erschienen sind. Ersteres führt uns auf 400 Seiten sehr zielsicher vor Augen, welch großartige Musik seit den 50er Jahren immer wieder in der österreichischen Hauptstadt entstanden ist. Ob Folk, Pop, Punk oder Techno. Hier kommen die Vertreter der unterschiedlichsten Stilrichtungen zum Zug und die Macher entwerfen ein übersichtliches Pop-Manifest, dass man sich als Autro-Pop-Fan auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Walter Gröbchen, Thomas Mießgang, Florian Obkircher und Gerhard Stöger verstehen sich dabei als echte Kenner der Szene und haben für das vorliegende Album mit rund 130 Künstlerinnen und Künstlern gesprochen. Dabei erzählen sie nicht nur von so renommierten Gestalten wie Wolfgang Ambros und André Heller, sondern auch von den illustren Kollegen aus dem Hause Kruder & Dorfmeister oder der Worried Man Skiffle Group (bei der Gelegenheit ein kurzer Hinweis auf das aktuelle Album von Worried Man Worried Boy, welches Herbert Janata zusammen mit Sohn Sebastian aus dem Hause Ja, Panik! zusammen eingespielt hat). Das Buch nimmt sich in diesem Zusammenhang aber nicht nur die zahllosen Protagonisten des Genres vor, sondern widmet sich auch den Orten des Geschehens, wie zum Beispiel dem Chelsea, der Fledermaus und dem Flex. Dazu bekommt man über 600 Abbildungen von Plattencovern, Bandfotos und Flyern präsentiert, wien-popdie einem einen intensiven Eindruck in die Austro-Pop-Szene ermöglichen. Wem das immer noch nicht genug ist, der kann sich im Anschluss auch noch an das erst kürzlich veröffentlichte Werk „AustroBob“ heranwagen, das sich anschickt, die Geschichte der österreichischen Musik-, Kultur- und Literaturszene noch einmal anhand des Einflusses von Altmeister Bob Dylan nachzuvollziehen. Dabei werden nicht nur zahlreiche Bezüge in der österreichischen Kulturlandschaft in Richtung des Dylan-esken Schaffens offenbart, man erhält auch einige Infos darüber, wie sich diverse Musiker das Schaffen des legendären Künstlers annahmen. So erfahren die jüngeren Leser nicht nur einiges über die Versuche von Wolfgang Ambros die Songs von Dylan ins Wienerische zu übersetzen, es kommen auch neuere ganz hervorragende Bands, wie Ja, Panik! oder Der Nino aus Wien zu Wort, auf deren Musik der gute, alte Bob einen immensen Einfluss ausübte. Die Macher um Eugen Baunach, Alexandra Ganser und Martin Blumenau geben sich dabei alle Mühe, das Thema umfassend anzugehen und widmen sich im ersten Band den Bereichen der Fankultur sowie den künstlerischen, musikalischen und literarischen Aneignungen in der österreichischen Kulturszene. Worauf also wartest du noch? Schnapp dir die beiden Werke. Es lohnt sich.

christian-frascella// Ebenfalls sehr empfehlenswert sind zwei neue Werke aus dem Hause der „Frankfurter Verlagsanstalt“. Christian Frascella hat ja bereits mit seinem mehrfach ausgezeichneten Roman „Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe“ für Aufregung gesorgt und nun liegt auch schon ein weiteres Werk des Turiner Schriftstellers vor. „Bet empört sich“ dreht sich um eine wütende Protagonistin namens Elisabetta, die sich nicht so recht mit den bestehenden Verhältnissen auf unserem Planeten abfinden möchte. Ob es nun um ihre Mutter geht oder um die Schule. An allem hat Bet etwas auszusetzen. Lediglich ihre Freundin Viola und Kumpel Andrea dienen ihr als Rettungsanker in dieser zum ertrinken verdammten Welt. Eines Tages, als ihrer Mutter die Kündigung angedroht wird, entschließt sich die Protagonistin mit ihr zu demonstrieren und muss dabei feststellen, dass sie der Staatsmacht dennoch hilflosjulia-wolf ausgeliefert ist. Das allerdings will sie nicht akzeptieren und entschließt sich zu einer radikalen Aktion, die unberechenbare Folgen nach sich zieht. Dabei gelingt es dem Autor sehr gekonnt die Perspektivlosigkeit der jungen Generation ins Literarische zu transferieren und wir leiten direkt weiter zum aktuellen Buch von Julia Wolf aus Groß-Gerau. Mit ihrem Roman-Debüt „Alles ist jetzt“ wagt sie den Sprung in Richtung Großstadt und führt uns treffsicher vor Augen, was damit so alles einhergeht. Nachdem es ihr im Vorort zu eng wird, entschließt sich Ingrid in einer Live-Sex-Bar anzudocken und dort Getränke zu mixen. Ihre neue Wohnung bewohnt sie zusammen mit ihrem Bruder Gordan und dann verliert sie auch noch bei einem Besuch bei ihrer Mutter die Fassung. Was das Ganze mit einer eigentlich längst vergessenen Grillparty zu tun hat, die im Grunde genommen der Anfang des ganzen Übels gewesen ist, das wiederum findest du am besten selbst heraus. Es lohnt sich.

michael-dobbs// All jene, die gerne mal wissen möchten, wo die Macher von „House Of Cards“ ihre tollen Ideen her haben, können sich nun endlich das literarische Vorbild der beiden TV-Serien ins Regal stellen (ja, in den 90ern gab es bereits eine britische Variante, die auch sehr gelungen ist). Michael Dobbs hat nämlich bereits Ende der 80er einen rundum gelungenen Roman über das Leben von Francis Urquhart veröffentlicht, an dem sich die Serienschöpfer sehr eng orientierten. Der Thriller reißt einen in diesem Zusammenhang in einen ähnlichen Sog der Emotionen wie die Serie und hat auch nach all den Jahren nichts von seiner Qualität verloren. Ganz im Gegenteil: nur zu gerne verliert man sich in den Eskapaden des Titelhelden, der sich daran macht, seine Partei von innen heraus auseinander zu nehmen, nachdem er bei der Postenvergabe übergangen wurde. Wie das Ganze ausgeht wollen wir hier natürlich noch nicht verraten. Stattdessen raten wir dringend dazu mal einen Blick in das Buch zu werfen. Und sagen tschüss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.