// aufgelesen vol. (1)82 – „beton rouge“

mit neuen Büchern von Hannes Stein, Barbara Gowdy, Elena Ferrante, Simone Buchholz und Tim Krohn. // „Nach uns die Pinguine“ nennt sich eine überaus spannende und unkonventionelle Geschichte aus dem „Galiani“-Verlag, die ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen solltet. Im Zentrum des Geschehens steht dabei eine Welt nach dem dritten Weltkrieg, die nahezu postapokalyptisch […]

mit neuen Büchern von Hannes Stein, Barbara Gowdy, Elena Ferrante, Simone Buchholz und Tim Krohn.

// „Nach uns die Pinguine“ nennt sich eine überaus spannende und unkonventionelle Geschichte aus dem „Galiani“-Verlag, die ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen solltet. Im Zentrum des Geschehens steht dabei eine Welt nach dem dritten Weltkrieg, die nahezu postapokalyptisch anmutet. Der Untergang der Zivilisation wird hinter vorgehaltener Hand allerdings nur noch als „die betrüblichen Ereignisse“ bezeichnet und nun ja, das Leben auf den Falklandinseln hat sich am Ende eigentlich auch nicht besonders verändert. Es geht auch weiterhin ziemlich britisch zu, es werden Schafe geschert, ins Pub eingekehrt und alles geht seinen üblichen Gang, auch wenn die Menschheit nahezu ausgerottet ist. Außerdem wartet ein Kreuzfahrtschiff mit Passagieren vor der Tür, das nur zu gerne im Paradies andocken möchte. Hannes Stein erschafft mit „Nach uns die Pinguine“ einen wirklich witzigen, aber auch spannenden und immer wieder philosophisch angehauchten Roman über die Menschen und ihr Festhalten an den alltäglichen Dingen. Wenn du also auf postapokalyptische Unterhaltung stehst, dann lass dir sein Werk auf keinen Fall durch die Lappen gehen.

// Unbedingt empfehlen möchten wir euch heute das neue Werk von Barbara Gowdy, die sich in ihrem Roman „Kleine Schwester“ mit einer spannenden Ausgangsposition auseinander setzt. Im Mittelpunkt der Geschichte, welche in Toronto angesiedelt ist, steht eine gewisse Rose Bowan, die jedes Mal dann das Bewusstsein verliert, wenn gerade ein Gewitter losbricht. Dann allerdings wird sie nicht etwa nur bewusstlos, sondern sie hat auch realistische Träume, in denen sie sich einen anderen Körper transferiert sieht. Parallel dazu bekommt ihre eigene Mutter auch noch Alzheimer und so kommt zu Tage, dass Rose einst auch noch eine kleine Schwester hatte. Ob es der Protagonistin gelingt wieder Ruhe in ihr Leben zu bekommen und wie sie sich im Körper der fremden Frau zurechtfindet? Barabara Gowdy stellt mit ihrem Werk nicht nur essentielle Fragen, ihr gelingt es auch einen beunruhigenden Thriller zu kreieren, der einem immer wieder einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Worauf also wartest du noch. Schnupper unbedingt mal rein in das Buch, es lohnt sich.

// Der dritte Band von der Literatin Elena Ferrante hat es inzwischen auch in die hiesigen Buchhandlungen geschafft. Nach den beiden Vorgängern ihrer neapolitanischen Saga sieht sich die liebe Lila plötzlich mit ihrer Rolle als Mutter konfrontiert und beschließt alles hinzuwerfen. Während Elena nach Norditalien gezogen ist und dort ein Buch veröffentlicht, scheinen die beiden Welten zu trennen, allerdings nur oberflächlich. Die räumliche Distanz kann nämlich nicht darüber hinweg täuschen, dass die Protagonistinnen immer noch ein inniges Band aneinander kettet und so sind sie füreinander da, in guten wie in schlechten Tagen. So unterschiedlich ihre Lebensentwürfe auch anmuten, die Freundschaft zwischen ihnen scheint nach wie vor unerschütterlich zu sein, wäre da nicht das ständige Konkurrieren um ein und desselben Mann, dass sie zu Rivalinnen macht. Der Autorin gelingt es in „Die Geschichten der getrennten Wege“ nicht nur eine tiefschürfende Bindung zweier Menschen ins Literarische zu überführen, sie schafft es auch ein solch dringliches und atemloses Werk zu kreieren, dass man es jetzt schon kaum mehr erwarten kann, bis der vierte Band erscheint.

// Überaus spannend ist auch der aktuelle Roman von Simone Buchholz, die uns in ihrem Werk „Beton Rouge“ mit einer äußerst verzwickten Ausgangslage konfrontiert. Vor einem Zeitschriftenverlag in St. Pauli findet sich nämlich eines morgens ein großer Käfig, in dem sich der Chef der Personalabteilung befindet. Er wurde offensichtlich misshandelt und nackt zur Schau gestellt. Drei Tage später schließlich geschieht das Gleiche mit dem Geschäftsführer des Verlages und alle rechnen mit einem Racheakt der Mitarbeiter, die in die Röhre gucken, während sich die hohen Tiere gegenseitig die Boni in den Rachen schieben. Bei ihren Ermittlungen allerdings stößt die Staatsanwältin Chastity Riley auf so mache Ungereimtheit und dann verschwindet auch noch der Vorstandsvorsitzende. Ob ihm ein ähnliches Schicksal droht? Es lohnt sich mal reinzuschnuppern in diesen gesellschaftskritischen Roman, der einen bis zur letzten Seite bei der Stange hält.

// Tim Krohn ist ein unkonventioneller Mensch. Um mit seinen Lesern zu kommunizieren veröffentlichte er auf einer Internetseite eine lange Liste mit unterschiedlichen Gefühlszuständen und Eigenschaften und bot den Lesern via „Crowdfunding“ eine individuelle Geschichte an. Bis zu drei Wunschbegriffe konnten die Teilnehmer hinzufügen und auf diese Weise ihre ganz persönliche Erzählung vom Autor bekommen. Diese Herangehensweise merkt man nun auch seinem zweiten Roman an, der in diesen Tagen erscheint. „Erich Wyss übt den freien Fall“ dreht sich um die Bewohner eines Genossenschaft-Hauses in Zürich. Sie alle haben mit jeder Menge Alltagsproblemen zu kämpfen und planen dabei entweder gerade eine Reise nach New York, wo die Liebste gerade einen Job im World Trade Center antreten möchte oder müssen sich im Rahmen ihres Schauspielerjobs mit einem wirklich extravaganten Regisseur herumschlagen. Als dann auch noch 9/11 geschieht, liegt endgültig kein Stein mehr auf dem anderen. Wenn du also auf Geschichten aus dem Alltag stehst, dann lass dir diese Geschichte über eine Hausgemeinschaft nicht entgehen. Sie lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.