// aufgelesen vol. (5)86 – „no hard feelings“

mit dem Werken „No Hard Feelings“ von Genevieve Novak und „Geht So“ von Beatriz Serrano. // Es gibt Bücher, die treffen einen nicht wegen der großen Dramatik oder spektakulären Wendungen, sondern weil sie sich so verdammt nah anfühlen. „Geht so“ von Beatriz Serrano und „No Hard Feelings“ von Genevieve Novak sind genau solche Bücher. Zwei […]

mit dem Werken „No Hard Feelings“ von Genevieve Novak und „Geht So“ von Beatriz Serrano.

// Es gibt Bücher, die treffen einen nicht wegen der großen Dramatik oder spektakulären Wendungen, sondern weil sie sich so verdammt nah anfühlen. „Geht so“ von Beatriz Serrano und „No Hard Feelings“ von Genevieve Novak sind genau solche Bücher. Zwei Romane, die sich nicht kennen, aber sich gegenseitig im Bücherregal zunicken würden – weil sie beide auf unterschiedliche Weise das Lebensgefühl einer Generation einfangen, die zwischen Überforderung, Selbstironie und leiser Verzweiflung oszilliert. In „Geht so“ begleitet man Marisa, die sich tagein, tagaus in einem Job durchschlägt, der sich anfühlt wie ein zu enger Mantel aus Beton. Sie sitzt in einer Madrider Werbeagentur fest, ohne echten Antrieb, ohne Begeisterung – eigentlich sogar ohne Plan. Ihr Alltag besteht aus digitalen Eskapismen und chemischen Hilfsmitteln, um die Panik in Schach zu halten. Als sie mit Kolleg:innen zu einem Teambuilding-Wochenende aufbrechen muss, eskaliert das alles langsam aber sicher. Die Idee, das Ganze mit einem Drogenmix zu überstehen, ist nur auf den ersten Blick absurd – eigentlich ist es nur konsequent. Beatriz Serrano hat ein feines Gespür für den zynischen Humor, der entsteht, wenn man sich emotional längst abgekoppelt hat.

Marisas Geschichte liest sich wie ein fiebriger Fiebertraum – verwirrend, komisch, traurig. Und vor allem: brutal ehrlich. Ich habe das Buch nicht einfach gelesen, ich habe es geschluckt. Dieses latente Gefühl von „Irgendwas stimmt hier nicht“, obwohl nach außen hin alles halbwegs okay aussieht. Diese Müdigkeit, die man nicht ausschlafen kann. Kurz nachdem ich Marisa zurückgelassen hatte, traf ich auf Penny aus „No Hard Feelings“. Auch sie ist müde. Von sich selbst, von ihren Freunden, von ihrem Leben, das irgendwie immer kurz vor dem eigentlichen Leben zu stehen scheint. Penny hat Träume – von einem besseren Job, einem verlässlichen Freund, einem aufgeräumteren Innenleben. Und gleichzeitig sabotiert sie sich ständig selbst: durch Aufschieben, durch Social-Media-Exzesse, durch toxische Beziehungen, in denen sie sich verliert und dann wieder zusammensetzt, nur um erneut zu zerbrechen.

Genevieve Novak schreibt warmherzig und messerscharf zugleich. Sie beschreibt eine Frau, die weiß, was sie will – und trotzdem immer wieder scheitert. Nicht dramatisch, sondern alltäglich. In kleinen, schmerzhaften Wiederholungen, die sich so verdammt vertraut anfühlen. Was mich an beiden Büchern so berührt hat, ist die Art, wie sie Schmerz zulassen. Ohne Pathos, ohne Überzeichnung. Einfach als Teil des Lebens, das man irgendwie trotzdem weiterlebt. Beide Autorinnen schaffen es, über Angst, Druck und Orientierungslosigkeit zu schreiben, ohne in Selbstmitleid zu versinken. Sie zeigen Frauen, die abstürzen, sich wieder aufrappeln, dann wieder stolpern – und die man genau deshalb ins Herz schließt. „Geht so“ ist dabei die radikalere, kühlere Variante – ein Schlag in die Magengrube. „No Hard Feelings“ wirkt ein wenig weicher, wärmer, aber nicht weniger ehrlich. Beides zusammen gelesen, ergibt eine Art doppelte Spiegelung: zwei Perspektiven auf eine ähnliche Grundstimmung – das Gefühl, irgendwie nicht ganz richtig zu sein in einer Welt, die ständig nach „mehr“ schreit. Ich habe in diesen Büchern gelacht, gezuckt, geseufzt. Ich habe mich ertappt gefühlt, getröstet und manchmal auch ein bisschen entlarvt. Und ich habe wieder einmal gemerkt, wie wichtig es ist, dass Literatur genau diese Geschichten erzählt. Geschichten, die nicht auf ein Happy End hinauslaufen, sondern auf ein tiefes Durchatmen. Manchmal ist eben „geht so“ alles, was man sagen kann – und genau in diesem Satz liegt manchmal mehr Wahrheit als in jeder glänzenden Erfolgsstory.