// werktag vol. (1)70 – „battlerap“

mit den Werk „Battlerap“ von Rafael Schmauch. // Ich habe „Battlerap – Die Kunst der Beleidigung“ von Rafael Schmauch regelrecht verschlungen. Und das sage ich nicht, weil ich schon ewig in der Hip-Hop-Szene rumhänge oder selber mal auf der Bühne gestanden hätte – ganz im Gegenteil: Mein Zugang zu Battlerap war lange Zeit eher einer […]

mit den Werk „Battlerap“ von Rafael Schmauch.

// Ich habe „Battlerap – Die Kunst der Beleidigung“ von Rafael Schmauch regelrecht verschlungen. Und das sage ich nicht, weil ich schon ewig in der Hip-Hop-Szene rumhänge oder selber mal auf der Bühne gestanden hätte – ganz im Gegenteil: Mein Zugang zu Battlerap war lange Zeit eher einer aus der Ferne. Klar, ich kannte einige der großen Namen, aber was Schmauch hier vorlegt, ist weit mehr als eine Insider-Nabelschau. Es ist eine kluge, überraschend tiefgründige und vor allem enorm unterhaltsame Reise durch eine der faszinierendsten Subkulturen, die die deutschsprachige Musiklandschaft hervorgebracht hat. Was mich sofort gepackt hat, war die Mischung aus journalistischer Genauigkeit und persönlicher Nähe. Schmauch ist kein Außenstehender, der mit der Lupe auf ein fremdes Biotop schaut – er ist Teil davon. Seine eigene Vergangenheit als Battlerapper (unter dem Namen Reimliga Battle Arena oder auch in anderen Formaten aktiv) gibt dem Buch eine Authentizität, die einfach nicht fälschbar ist. Er schreibt mit der Zärtlichkeit eines Fans, der weiß, dass da zwischen Schimpfkanonaden, homoerotischen Andeutungen und übersteigertem Ego auch echte Kunst passiert. Und ja, es geht um Beleidigungen – das steht ja schon im Titel. Aber Schmauch zeigt eben, dass diese Form der „Beleidigung“ weit mehr ist als plumpe Pöbelei. Es geht um Präzision, um Dramaturgie, um das richtige Timing.

Wer glaubt, ein Battle bestehe nur daraus, möglichst hart auf die Kacke zu hauen, wird hier schnell eines Besseren belehrt. Schmauch führt ein in Konzepte wie den „Angle“ (also den gewählten Angriffswinkel auf den Gegner), den Aufbau von Reimstrukturen, das Spiel mit Erwartungshaltungen – und erklärt das alles mit einer Lockerheit, die nie ins Lehrbuchhafte kippt. Ich habe mehrfach beim Lesen gelacht, nicht selten laut, manchmal sogar wegen eines zitierten Punchlines, den ich schon kannte, der aber im Kontext einfach doppelt gezündet hat. Besonders stark finde ich die Rückblicke auf die Geschichte des deutschen Battleraps. Von den rohen Anfängen bei Feuer über Deutschland über das große Publikum bei Rap am Mittwoch, wo plötzlich sogar Medienhäuser Interesse bekamen, bis zu den heutigen Nischen-Plattformen, wo sich eine eingeschworene Szene weiterhin kreativ zerlegt – Schmauch gelingt es, diesen Weg nachzuzeichnen, ohne dabei nostalgisch oder elitär zu wirken. Das Buch ist keine Abrechnung mit der Szene, sondern eine Liebeserklärung – mit all ihren Brüchen, Widersprüchen und Grenzüberschreitungen. Was mich besonders beeindruckt hat: Schmauch nimmt auch die schwierigen Fragen nicht aus. Wie viel Sexismus, wie viel Rassismus, wie viel problematische Rhetorik darf eine Kunstform wie Battlerap beinhalten, ohne sich selbst zu disqualifizieren? Wie geht die Szene selbst mit diesen Themen um? Wo ist Ironie, wo ist Ernst? Und wie oft ist es beides gleichzeitig? Gerade diese Passagen haben mich zum Nachdenken gebracht – weil sie zeigen, dass Battlerap eben nicht nur Entertainment ist, sondern ein Spiegel unserer Kommunikationskultur. Und vielleicht, wie Samy Deluxe im Klappentext sagt, sogar der Ort, wo noch offen ausgetragen wird, was anderswo längst in passiv-aggressiven Tweets oder verschwurbelten Kommentarspalten versickert. Am Ende ist „Battlerap – Die Kunst der Beleidigung“ kein Buch nur für Rapfans. Es ist ein Buch für alle, die Sprache lieben. Die Theater mögen. Die wissen wollen, wie man mit Witz, Wut, Timing und Haltung ein Publikum zum Kochen bringt – und warum es ein Unterschied ist, ob man beleidigt, um zu verletzen, oder beleidigt, um zu zeigen, dass man’s kann. Ein wuchtiges, kluges, streitbares Buch. Und ganz ehrlich: Ich hätte nie gedacht, dass ich mal schreibe, ein Werk über Battlerap sei „bildend“, aber genau das ist es. Und zwar im besten Sinne.