// werktag vol. (1)71 – „schwule mädchen sondereinheit“

mit den Werk „Schwule Mädchen Sondereinheit (10 Fettes Brot Songcomics)“. // Als jemand, der mit Fettes Brot groß geworden ist – nicht nur musikalisch, sondern auch emotional – war „Schwule Mädchen Sondereinheit“ für mich mehr als nur ein Comicband. Es war wie ein Wiedersehen mit alten Freunden, die zwar schon lange nicht mehr täglich zu […]

mit den Werk „Schwule Mädchen Sondereinheit (10 Fettes Brot Songcomics)“.

// Als jemand, der mit Fettes Brot groß geworden ist – nicht nur musikalisch, sondern auch emotional – war Schwule Mädchen Sondereinheit für mich mehr als nur ein Comicband. Es war wie ein Wiedersehen mit alten Freunden, die zwar schon lange nicht mehr täglich zu Besuch sind, aber mit einem einzigen Blick oder Satz sofort wieder dieselbe Vertrautheit aufleben lassen wie damals, als „Jein“ noch auf jeder Party lief und man heimlich in „Schwule Mädchen“ eine Art Aufbruch spürte, ohne das ganz greifen zu können. Fettes Brot – das waren nie einfach nur Rapper. Sie waren für viele meiner Generation der Soundtrack einer Jugend, die zwischen ironischer Coolness und echter Unsicherheit schwankte. 1993 gestartet, haben Dokter Renz, König Boris und Björn Beton früh klargemacht, dass sie mehr waren als eine Kopie amerikanischer Hip-Hop-Vorbilder. Sie waren norddeutsch, klug, oft albern, aber immer mit Haltung. Mit „Nordisch by Nature“ ging’s los, aber es waren vor allem die späteren Tracks – „Jein“, „An Tagen wie diesen“, „Silberfische in meinem Bett“ – die gezeigt haben, wie nah Witz und Melancholie beieinanderliegen können. Dass sich Fettes Brot 2023 nach 30 Jahren aufgelöst hat, tat weh – aber diese Songcomics sind irgendwie ein Trostpflaster. Und was für eins. „Schwule Mädchen Sondereinheit“ ist ein wahnsinnig liebevoll gestalteter Band. Keine bloße Fan-Hommage, sondern eine echte künstlerische Auseinandersetzung mit Songs, die so vielen so viel bedeutet haben. Jede der zehn Comics ist ein kleines Universum für sich – mal verspielt, mal düster, mal absurd oder poetisch. Man merkt: Die Zeichner:innen hatten nicht nur Respekt vor dem musikalischen Erbe der Band, sie hatten auch richtig Lust, sich damit auseinanderzusetzen. Noëlle Krögers Umsetzung von

„Schwule Mädchen“ ist klug und zart zugleich, sie bringt den Song und seinen queeren Kontext in einen neuen Raum. Dass dieser Song damals wie heute so heraussticht – ein Mix aus Spaß, Statement und Subversion – macht ihn auch für die Gegenwart relevant. Genauso beeindruckend ist Büke Schwarz’ Version von „An Tagen wie diesen“, die nicht nur die Stimmung des Songs einfängt, sondern sie in eine neue visuelle Erzählweise übersetzt. Tobi Dahmen bringt mit „Falsche Entscheidung“ eine tiefe, fast melancholische Note ins Spiel, während „Jein“, umgesetzt von Kati Rickenbach, mit pointierter Klarheit zwischen den Zeilen erzählt, was den Song damals wie heute so bittersüß macht. Was mich besonders berührt hat, ist, wie stark die Bilder plötzlich das transportieren, was die Musik in einem ausgelöst hat. Diese Comics lesen sich nicht einfach wie Illustrationen zu Songs, sie interpretieren, sie erzählen weiter, sie setzen neu zusammen. Und da passiert was Magisches: Man hört die Musik, obwohl keine Note erklingt. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Comicband über Fettes Brot so etwas in mir wachruft. Dass ich plötzlich wieder 17 bin, mit Discman im Ohr, auf dem Rückweg von irgendeiner WG-Party. Dass ich noch mal spüre, was das war – dieses Gefühl von „irgendwie anders“, von Sehnsucht, von Trotz, von Stolz. „Schwule Mädchen Sondereinheit“ ist für Fans ein Schatz. Für Neuentdecker ein ziemlich idealer Einstieg in das, was Fettes Brot ausgemacht hat. Und für alle, die Musik nicht nur hören, sondern auch fühlen – eine visuelle Umarmung. Danke für dieses Buch. Und danke, Fettes Brot – für all die Zeilen, über die ich damals gelacht und geweint habe, ohne zu wissen, wie sehr sie mir auch Jahrzehnte später noch unter die Haut gehen würden.