// strichcode vol. (4)22 – „furcht“

mit den beiden Werken „Magic The Gathering“ (Band 3) und „Furcht – Horrorgeschichten aus dem modernen Japan“. // Zwei Manga, zwei völlig verschiedene Welten – und doch zeigen sie auf ihre jeweils ganz eigene Art, wie Geschichten in Bildern uns tief berühren können: mal mit einem warmen Lächeln, mal mit einem kalten Schauer, der einem […]

mit den beiden Werken „Magic The Gathering“ (Band 3) und „Furcht – Horrorgeschichten aus dem modernen Japan“.

// Zwei Manga, zwei völlig verschiedene Welten – und doch zeigen sie auf ihre jeweils ganz eigene Art, wie Geschichten in Bildern uns tief berühren können: mal mit einem warmen Lächeln, mal mit einem kalten Schauer, der einem über den Rücken läuft. „Magic – The Gathering: Zerstöre die Menschheit. Sie kann nicht regeneriert werden“ ist in Wahrheit alles andere als düster, auch wenn der Titel das vermuten lässt. Statt postapokalyptischer Vernichtung erwartet uns hier eine charmante, verspielte RomCom, die das berühmte Kartenspiel „Magic: The Gathering“ als Bühne für eine junge Freundschaft – oder vielleicht sogar Liebe – nutzt. Hajime und Sawatari sind seit der Grundschule Rivalen.

Es ist diese Art von Konkurrenz, die sich mit der Zeit verändert – wenn aus „wer ist besser“ irgendwann „ich will dich besser kennenlernen“ wird. Und genau diesen schleichenden Wandel fängt der Manga auf eine sehr liebevolle, fast nostalgische Weise ein. Besonders Band 3, der im Herbst 1998 spielt, lebt stark von dieser Retro-Stimmung. Man spürt das Kribbeln, wenn Hajime sich auf die neue „Magic“-Erweiterung freut, wenn er sich in den Decklisten verliert, wenn kleine Turniere zur Bühne für große Gefühle werden. Es geht um mehr als nur Karten – es geht um das Gefühl, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst. Um Freundschaft, um Unsicherheiten, um dieses unklare Etwas zwischen zwei Menschen, das man mit zwölf vielleicht noch nicht beim Namen nennen kann – aber schon deutlich fühlt. Ich hatte beim Lesen oft ein Lächeln auf den Lippen, einfach weil mich dieser Band so angenehm an die eigene Jugend erinnert hat. An diese Mischung aus Wettkampf und Zuneigung, aus Spiel und Ernst, aus „ich will gewinnen“ und „ich will, dass du bleibst“.

Ganz anders dagegen „Furcht: Horrorgeschichten aus dem modernen Japan“ – ein Werk, das mir beim Lesen regelrecht unter die Haut ging. Diese Sammlung an Kurzgeschichten hat etwas Verstörendes, das nicht laut ist, sondern leise kriecht. Nichts explodiert, nichts springt dir ins Gesicht – und doch wird dir beim Umblättern plötzlich kalt. Es ist dieser ganz spezielle japanische Horror, der sich nicht auf Schockmomente verlässt, sondern mit subtiler Unheimlichkeit arbeitet. Jede der Geschichten scheint zunächst harmlos: ein älterer Nachbar, eine Lieferantin, eine App auf dem Handy – alles vertraut, fast banal. Und doch entgleitet einem Seite für Seite das Gefühl der Kontrolle. Denn hinter jeder dieser Alltagsszenen lauert ein Abgrund. Die Geschichten entfalten sich langsam, lassen dir Raum zum Nachdenken – und genau das macht sie so unheimlich. Sie zwingen dich, nach der letzten Seite nochmal zurückzublättern, weil du dir plötzlich nicht mehr sicher bist, wann genau die Realität gekippt ist. Es ist keine effekthascherische Art von Horror, sondern eher ein psychologisches Unwohlsein, das sich langsam festsetzt. Und das bleibt. Besonders beeindruckend fand ich, wie sehr der Manga dabei mit aktuellen Themen spielt: Technik, soziale Isolation, Alltagsbeziehungen – alles wirkt real, fast zu nah. Und vielleicht ist es genau diese Nähe, die den Horror so effektiv macht. Was diese beiden Manga für mich so besonders macht, ist nicht nur ihr jeweiliges Genre, sondern der Gegensatz, den sie darstellen. „Magic“ ist hell, leichtfüßig, witzig – ein Manga zum Wohlfühlen, bei dem man sich gerne in der Geschichte verliert und alte Erinnerungen aufleben lässt. „Furcht“ dagegen ist dunkel, nachdenklich, beunruhigend – ein Werk, das nicht unterhalten, sondern erschüttern will. Und genau deshalb finde ich sie im Zusammenspiel so spannend. Sie zeigen zwei Extreme dessen, was Manga sein kann: das Lächeln und der Schrecken, die Nostalgie und die Dystopie, das kindliche Staunen und das erwachsene Grauen. Beide auf ihre Weise wertvoll – und beide haben mich auf sehr unterschiedliche Art bewegt. Wer offen ist für Kontraste, der sollte sich ruhig beides gönnen: ein bisschen Magie – und ein bisschen Angst.