mit den Bänden 3 und 4 der Reihe „Existence“ und “Die Katzen von Ulthar“.

// Manchmal trifft man beim Lesen auf Geschichten, die nicht einfach nur erzählt werden wollen – sie wollen sich in dich hineinschleichen, unter die Haut, in die Träume, oder in das, was davon übrig bleibt. Genau das ist mir passiert mit Gou Tanabes Die Katzen von Ulthar und den beiden finalen Bänden von Jin Kwangs Existence. Drei Bände, wie sie auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten – und doch vereint sie ein düsterer Gedanke: Was ist der Mensch in einer Welt, die ihn übersteigt? Beginnen wir mit Tanabe. Die Katzen von Ulthar ist nicht einfach nur eine Manga-Adaption – es ist eine Einladung, sich in Lovecrafts Traumlande zu verlieren. In zarter Tusche und drückender Schwärze fängt Gou Tanabe eine Welt ein, die seltsam vertraut und gleichzeitig völlig entrückt wirkt.
Man meint fast, die Stille von Ulthar zu hören, dieses Dorf, in dem plötzlich keine Katze mehr stirbt – weil etwas viel Größeres, Dunkleres, Unausgesprochenes über dem Ort liegt. Auch die Geschichten Celephaïs und The Other Gods sind nicht bloß Nacherzählungen, sondern fühlbare Schattenrisse eines Mannes, der mehr vom Universum ahnt, als gut für ihn ist. Tanabe versteht Lovecraft, wie kaum jemand zuvor – nicht in bombastischer Pose, sondern in seiner beklemmenden Ehrfurcht vor dem Unbenennbaren. Es geht nicht um Monster. Es geht um den Riss in der Realität, den wir nicht begreifen können – und vielleicht auch nicht sollten.

Und dann: Existence. Nach dem stillen Schauder der Katzen stürzt man kopfüber in einen Farbenrausch, in ein Reinkarnationskarussell, das schneller rotiert als der eigene Verstand mithalten kann. Jin Kwang und Kim KyungJun erschaffen mit Jain Lee eine Figur, die mehr Leben in sich trägt, als man zählen kann – und genau darin liegt der Schrecken. Denn was bleibt von einem Menschen übrig, wenn er alles war: Insekt, Raubtier, Gott, Maschine? Existence ist keine leise Geschichte. Sie brüllt, sie donnert, sie explodiert – und doch steckt in ihrem Zentrum eine unheimlich stille Frage: Wenn du alles weißt, alles warst, was bleibt dir noch außer Zerstörung? In Band 3 erleben wir Jain als gequälte Gottheit – ein Wesen auf der Suche nach Sinn, während um ihn herum Staaten kollabieren und Ideologien sich gegenseitig zerfleischen. Es ist eine erschöpfende, aber faszinierende Lektüre. Und in Band 4 dann der große Zusammenbruch. Der Weltkrieg, der Showdown, das Flackern zwischen Wahnsinn und Erlösung. Jain kämpft nicht nur gegen äußere Feinde, sondern gegen den vielleicht schlimmsten Gegner überhaupt: die Erkenntnis, dass es keinen übergeordneten Plan gibt. Nur Entscheidungen. Und Konsequenzen. Was mich berührt hat, war, wie gut sich beide Welten – Lovecrafts Traumlande und Kwangs Reinkarnationshölle – gegenüberstellen lassen. Beide erzählen von Wesen, die versuchen, sich in einer Welt zurechtzufinden, die größer ist als sie selbst. Bei Lovecraft sind es Menschen, die einen Blick hinter den kosmischen Vorhang wagen – und daran zerbrechen. Bei Existence ist es ein Mensch, der selbst zum übermächtigen Wesen wird – und daran verzweifelt. Ich glaube, das ist die Verbindung zwischen den beiden: Die Angst vor dem Verlust von Bedeutung. Lovecrafts Protagonisten erkennen, dass sie zu klein sind. Jain erkennt, dass er zu groß ist. Und dazwischen stehen wir Leser, irgendwo zwischen Ohnmacht und Größenwahn, mit einem Buch in der Hand, das uns daran erinnert: Das Grauen hat viele Gesichter. Manche flüstern.

Manche schreien. Wer also bereit ist, sich auf ganz unterschiedliche Formen von existenzieller Dunkelheit einzulassen – der sollte diesen Trip wagen. Erst durch die Schattenpfade Ulthars streifen, dann Jain Lee auf seinem apokalyptischen Weg folgen. Und am Ende vielleicht die Bücher zuklappen mit der Ahnung: Das Universum ist weder gut noch böse. Es ist einfach nur da. Und das allein kann manchmal schon der größte Horror sein.
UND WAS NUN?