mit den neuen Werken von Heinz Strunk und Christopher Kloeble.

// Zwei Bücher, zwei Stimmen, zwei Welten – und doch eine gemeinsame Linie: der menschliche Kampf um Würde, Zugehörigkeit und das Recht, anders zu sein. In Christopher Kloebles Durch das Raue zu den Sternen begegnen wir Arkadia, einem jungen Mädchen mit einem ungewöhnlichen Traum – sie will in einem Knabenchor singen. Was zunächst wie eine zarte, fast märchenhafte Prämisse klingt, entfaltet sich zu einem vielschichtigen Roman über Identität, Widerstand und die bittersüße Kraft der Musik. Kloeble, der selbst als Kind im berühmten Tölzer Knabenchor sang, schöpft aus autobiografischer Tiefe und lässt seine Protagonistin mit leiser Beharrlichkeit gegen die Strukturen einer Welt anlaufen, die ihr vorschreibt, was sie zu sein hat – und was nicht. Arkadia ist keine klassische Heldin, aber gerade darin liegt ihre Größe. Sie liebt ihre Eltern auf eine Weise, die zutiefst bewegend ist – mit Loyalität, Trotz und unerschütterlichem Vertrauen.
Kloebles Sprache ist klar und poetisch, gleichzeitig schneidend genau, wenn es um die Brüche und Härten des Aufwachsens geht. Der Roman lebt von der Ambivalenz: der Schönheit der Musik und der Grausamkeit des Ausschlusses, dem kindlichen Wunsch zu gehören und dem erwachsenen Wissen um die Kosten von Anpassung. Es ist ein Roman, der nicht laut schreit, sondern tief vibriert – und vielleicht gerade deshalb so laut nachhallt. Der Titel – eine Adaption des lateinischen per aspera ad astra – spiegelt perfekt wider, worum es geht: den steinigen Weg zu einem Stern, der vielleicht nie vollständig erreicht wird, aber als Sehnsuchtsbild hell leuchtet.

Dem gegenüber steht Heinz Strunks Kein Geld Kein Glück Kein Sprit, eine Sammlung urkomischer und gleichzeitig todtrauriger Kurzgeschichten, in denen das Groteske des Alltags mit chirurgischer Präzision seziert wird. Strunk bleibt sich treu: Seine Figuren sind Verlierer, Abgehängte, Gestrandete – aber er betrachtet sie nie von oben herab. Vielmehr nimmt er sie in ihrer ganzen Absurdität ernst. Jede Geschichte ist ein kleines Sittenbild unserer Gegenwart, irgendwo zwischen Vorstadt-Tristesse, konsumgetränktem Überdruss und zwischenmenschlichen Fehlzündungen. Strunks Humor ist bitter, oft beißend, manchmal albern – aber immer menschlich. Es gibt Szenen, in denen man laut lachen muss, obwohl einem das Lachen eigentlich im Hals stecken bleiben sollte. Während Kloeble seine Erzählung um eine zentrale Figur herum aufbaut, bewegt sich Strunk in der Fläche, springt von Milieu zu Milieu, von Absurdität zu Abgrund. Seine Welt ist eine, in der Menschen in der Nebensaison am Fischbuffet gegeneinander in den Krieg ziehen, Haushaltsroboter in metaphysische Leere blicken und Schönheitsoperationen zum existenziellen Fiasko werden. Und doch ist da bei aller Skurrilität eine spürbare Melancholie, fast schon ein leises Mitleid mit den Figuren, die sich durch ihre schrägen Biografien stolpern. Die Sprache ist oft kantig, schnoddrig, aber punktgenau – und gerade darin entfaltet sich eine fast schon lakonische Poesie des Verlorenseins. Beide Bücher eint eine tiefe Empathie für ihre Figuren – und der Mut, deren Außenseitertum ins Zentrum zu stellen. Kloeble nähert sich dem Thema mit Ernst, Wärme und lyrischer Tiefe, während Strunk mit scharfem Blick und makaberem Witz die Mechanismen einer Gesellschaft offenlegt, die so gerne erfolgreich sein will und dabei vor allem eines ist: verloren. Durch das Raue zu den Sternen ist ein stiller Aufschrei, eine Geschichte über Mut und Zugehörigkeit. Kein Geld Kein Glück Kein Sprit ist ein Panoptikum des modernen Scheiterns, eine Groteske, die schmerzt, weil sie so wahr ist. Beide Bücher zeigen auf ihre ganz eigene Weise, wie sehr Literatur Ausdruck unserer inneren und äußeren Brüche sein kann. Und wie viel Trost darin liegt, wenn man sich – zwischen Chorprobe und Fischbuffet – verstanden fühlt.
UND WAS NUN?