// aufgelesen vol. (6)35 – „am samstag gehen die mädchen in den wald und jagen sachen in die luft“

mit dem Werk „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ von Fiona Sironic. // Fiona Sironic legt mit Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft einen Roman vor, der mich schon durch seinen sperrig-schönen Titel elektrisiert hat. Er klingt wie ein […]

mit dem Werk „Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ von Fiona Sironic.

// Fiona Sironic legt mit Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft einen Roman vor, der mich schon durch seinen sperrig-schönen Titel elektrisiert hat. Er klingt wie ein Versprechen: ungestüm, rätselhaft, ein bisschen trotzig – genau so, wie Jugend sich anfühlen kann. Sironic, die 1998 geboren wurde und 2019 den renommierten open mike gewann, gehört zu jener jungen Autorinnengeneration, die eine radikale eigene Sprache entwickelt, unerschrocken poetisch und zugleich hellwach gegenüber unserer Gegenwart. Kein Wunder also, dass ihr Debüt sofort auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2025 landete. Im Zentrum stehen Era und Maja, zwei Mädchen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die doch auf seltsame Weise zusammenfinden. Era dokumentiert obsessiv das Verschwinden der Vögel, notiert, zeichnet, archiviert – als wolle sie mit jedem Strich gegen das Vergessen ankämpfen.

Maja hingegen will Spuren auslöschen, will die Vergangenheit in die Luft jagen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn: Festplatten explodieren, Erinnerungen verschwinden, ein lautes Nein gegen die Vereinnahmung durch die Momfluencer-Eltern. Zwischen diesem Bewahren und Vernichten entspinnt sich eine erste Liebe, voller Zärtlichkeit und Gefahr, eine Liebe, die selbst fragil und bedroht ist wie die Natur, die sie umgibt. Besonders eindrücklich fand ich, wie Sironic den brennenden Wald mit den brennenden Fragen dieser Mädchen verknüpft: Wie kann man leben, wenn alles vergeht? Wie sehr ist man geprägt durch das, was andere aus einem machen – durch Eltern, durch Öffentlichkeit, durch digitale Spuren? Und wo bleibt in all dem Platz für die erste Liebe, für das Aufscheinen einer Freiheit, die es so vielleicht nie wieder geben wird? Der Roman liest sich wie eine poetische Collage aus Naturbeobachtung, Coming-of-Age und digitaler Rebellion, immer getrieben von einem Rhythmus, der jung und unruhig ist. Mich hat Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft nicht nur durch die Geschichte berührt, sondern auch durch seine Sprache – präzise und gleichzeitig voller flirrendem Überschwang. Sironic gelingt es, den Sound einer Generation einzufangen, ohne sich anzubiedern oder simpel „jugendlich“ klingen zu wollen. Es ist ein Buch über das Verlorengehen und Sich-Finden, über das Auslöschen und das Bewahren, und es hat mir wieder einmal bewusst gemacht, dass große Literatur oft genau dort entsteht, wo junge Stimmen sich trauen, radikal ehrlich zu sein.