mit dem Werk „Massenmorde“ aus der Reihe „Trese“.

// Der Band „Massenmord“ aus der Comic-Reihe Trese ist für mich der bislang intensivste und atmosphärisch dichteste Band der Reihe. Wieder entführen uns Budjette Tan und Kajo Baldisimo in ein Manila, das mit jedem Schatten und jeder Straßenecke dunkle Geheimnisse verbirgt. Was wie eine klassische Crime-Story beginnt, kippt schnell ins Übernatürliche – und das auf eine so beiläufig-faszinierende Weise, dass man beim Lesen fast vergisst, dass es „nur“ Fiktion ist. Alexandra Trese bleibt eine Figur, die mich gleichermaßen fesselt wie irritiert. Sie ist keine Heldin im klassischen Sinn. Unnahbar, ruhig, fast stoisch – aber man spürt, dass in ihr etwas brodelt. In diesem Band wird das besonders deutlich, denn die Fälle, mit denen sie konfrontiert wird, sind nicht nur übernatürlich brutal, sondern auch zutiefst menschlich tragisch. Es geht um Mordserien, um rituelle Gewalt, um Gerechtigkeit, die sich nicht an unsere Regeln hält. Und immer wieder fragt man sich: Was ist das größere Übel – der Mensch oder das, was aus dem Dunkel kommt?
Was mich beim Lesen besonders beeindruckt hat, ist, wie nahtlos sich Mythologie aus den Philippinen in moderne Kriminalfälle einfügt. Hier wird nichts künstlich „auf cool“ getrimmt, sondern organisch und glaubwürdig in die Handlung eingebaut. Ob es sich um vampirähnliche Wesen, Geister oder uralte Gottheiten handelt – sie alle wirken nicht wie Fremdkörper, sondern wie ein Teil dieser pulsierenden, gefährlichen Stadt. Manila lebt – und in seinen Schatten lauern Dinge, die selbst hartgesottene Ermittler an ihre Grenzen bringen würden. Kajo Baldisimos Zeichenstil verstärkt diese Atmosphäre noch. Die schwarz-weißen Panels wirken wie Momentaufnahmen aus einem Alptraum: grob, schnell, voller Energie. Es gibt Panels, die ich minutenlang angeschaut habe, einfach weil sie so viel erzählen – selbst ohne Worte. Der Kontrast zwischen hell und dunkel, das Spiel mit Licht, das sparsame, aber wirkungsvolle Design der Kreaturen – das alles trägt dazu bei, dass der Band wie ein Fiebertraum wirkt, aus dem man nicht mehr auftauchen will. „Massenmorde“ ist nicht einfach eine Sammlung von Fällen, sondern fühlt sich wie ein Knotenpunkt der Reihe an. Die Geschichte rund um Trese verdichtet sich, es tauchen neue Hinweise auf ihre Vergangenheit auf, ihre Beziehung zur übernatürlichen Ordnung Manilas wird brüchiger. Es gibt keine klaren Fronten mehr, keine einfachen Lösungen. Das macht diesen Band so spannend – und so fordernd. Denn als Leser muss man bereit sein, sich auf eine Welt einzulassen, in der Gerechtigkeit nicht immer mit Gesetz zu tun hat. Für mich war dieser Band ein absolutes Highlight – nicht nur, weil die einzelnen Fälle spannend erzählt sind, sondern weil sie Fragen aufwerfen, die weit über das Genre hinausgehen. Was ist Schuld? Was ist Vergebung? Und wer entscheidet eigentlich, was „richtig“ ist, wenn selbst die Götter schweigen? Trese ist urbane Fantasy auf höchstem Niveau: brutal, klug, mystisch und bedrückend aktuell. Wer diese Reihe noch nicht kennt, sollte spätestens jetzt einsteigen – aber Vorsicht: Danach sieht man die Dunkelheit auf der Straße mit anderen Augen.
UND WAS NUN?