// aufgelesen vol. (6)48 – „das seltsame haus“

mit dem Werk „HEN NA IE – Das seltsame Haus“ von Uketsu. // Es gibt Krimis, die versuchen, uns durch immer neue Wendungen zu überraschen – und dann gibt es Bücher wie HEN NA IE, die einen schon auf der ersten Seite aus dem Gleichgewicht bringen, weil sie etwas viel Subtileres tun: Sie kriechen langsam […]

mit dem Werk „HEN NA IE – Das seltsame Haus“ von Uketsu.

// Es gibt Krimis, die versuchen, uns durch immer neue Wendungen zu überraschen – und dann gibt es Bücher wie HEN NA IE, die einen schon auf der ersten Seite aus dem Gleichgewicht bringen, weil sie etwas viel Subtileres tun: Sie kriechen langsam unter die Haut. Uketsu hat mit diesem Roman etwas geschaffen, das sich anfühlt wie ein Flüstern im Nacken, ein diffuses Unbehagen, das man nicht ganz greifen kann – und gerade deshalb nicht loswird. Was mich besonders fasziniert hat, ist die Ausgangssituation: Ein harmloser Grundriss, ein Haus, das man vielleicht beim Durchblättern eines Immobilienkatalogs übersehen würde. Und dann dieser eine Raum, den es nicht geben sollte. Dieser winzige Fehler, der das ganze Gebäude plötzlich in ein neues Licht rückt. Es ist ein brillanter erzählerischer Trick – klein, unscheinbar, aber so verstörend, dass man den Blick nicht mehr davon lösen kann. Von da an entwickelt der Roman einen Sog, der immer stärker wird, je mehr man erfährt. So, als würde man selbst Schritt für Schritt in dieses Haus hineingehen, obwohl einem jeder Instinkt sagt, man solle draußen bleiben. Die Geschichte wird aus der Sicht eines jungen Autors erzählt, der sich eigentlich mit Okkultismus beschäftigt – ein Mensch also, der mit düsteren Legenden und unheimlichen Details vertraut ist.

Und trotzdem wirkt er an vielen Stellen genauso überfordert und verunsichert wie wir. Sein Versuch, die seltsamen Hinweise zu ordnen – die Gerüchte, die Spuren, die widersprüchlichen Zeugnisse –, macht das Buch zu einem echten Mitdenk-Thriller. Man ertappt sich immer wieder dabei, selbst Hypothesen aufzustellen, nur um sie ein paar Seiten später wieder zu verwerfen. Uketsu spielt mit dieser Unruhe, mit kleinen Andeutungen und verstörenden Andeutungen, die oft gerade so viel enthüllen, dass man sich den Rest selbst ausmalen muss. Besonders gelungen ist die Art, wie das Haus selbst langsam zu einer Figur wird. Nicht im übernatürlichen Sinne, aber durch die Geschichten, die sich an seinen Wänden festgesetzt haben. Die Gerüchte über ein eingesperrtes Kind. Die Frage, ob hier tatsächlich Morde geschehen sind. Der rätselhafte Tod eines Mannes, der sich nicht erklären lässt. All das verbindet sich zu einem Gefühl, das man fast als „klares Unbehagen“ bezeichnen könnte. Nicht laut, nicht effekthascherisch – eher wie das Knarren einer Tür in einem leeren Raum, das man nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Was das Buch zusätzlich so fesselnd macht, sind die eingestreuten Skizzen und Dokumente. Sie geben dem Ganzen etwas Unmittelbares, beinahe Intimes – als würde man in den Unterlagen eines echten Falls blättern. Sie strukturieren die Geschichte nicht nur, sondern machen sie greifbarer, fast körperlich spürbar. Genau dadurch entsteht dieses Gefühl, dass man Teil der Recherche wird, dass man selbst auf etwas gestoßen ist, das man vielleicht lieber nicht erkannt hätte. Persönlich hat mich der Roman deshalb so erwischt, weil er nicht auf Schockeffekte setzt. Er arbeitet leise. Mit Atmosphäre. Mit der Angst vor dem, was man nicht sieht. Und je länger man liest, desto stärker wächst diese Ahnung, dass manche Geheimnisse nicht zum Spielen gemacht sind – und dass manche Türen besser geschlossen bleiben. Das seltsame Haus ist ein psychologischer Krimi, der sich anfühlt wie eine Spurensuche durch fremde Schatten. Perfekt für Leserinnen und Leser, die Lust auf ein Buch haben, das nicht einfach unterhält, sondern mit jeder Seite ein wenig am Nervenkostüm sägt. Ein Roman, der nachhallt – und der das Bild eines harmlosen Grundrisses nie wieder ganz unschuldig wirken lässt.