mit dem Werk „Bad Actors“ von Mick Herron.

// Es gibt jedes Jahr diese Bücher, die man sich ganz bewusst bis in die Adventszeit aufspart – weil ihre Stimmung, ihr Humor oder ihre Spannung einfach perfekt in diese Wochen passen, in denen man abends etwas früher das Licht dimmt, sich eine Tasse Tee holt und in eine Welt eintaucht, die einen zuverlässig packt. Bad Actors gehört genau in diese Kategorie. Mick Herron hat über die Jahre eine ganz eigene Art entwickelt, Spionagegeschichten zu erzählen: scharfzüngig, unvorhersehbar, mit Figuren, die so kaputt, schräg und gleichzeitig so warmherzig gezeichnet sind, dass man sie fast wie alte Bekannte empfängt. In diesem achten Band spürt man förmlich, wie souverän Herron inzwischen mit seinem Ensemble arbeitet – als würde er ein besonders störrisches, aber liebenswertes Orchester dirigieren, das in letzter Sekunde immer doch den richtigen Ton findet. Im Mittelpunkt steht diesmal das spurlose Verschwinden einer wichtigen politischen Beraterin – ein Fall, der die ohnehin instabile britische Regierung in noch chaotischere Fahrwasser bringt.
Der ehemalige MI5-Chef Claude Whelan wird ausgerechnet von seiner Erzrivalin Diana Taverner auf die Suche geschickt, und natürlich führen alle Wege schneller als ihm lieb ist zurück ins Zentrum des britischen Geheimdienstlabyrinths: nach Regent’s Park und schließlich – mit einem gewissen unvermeidlichen Knirschen – zu Jackson Lamb und seinen Slow Horses. Dass Lamb erneut in den Mittelpunkt rückt, ist gerade in dunkleren Wintertagen ein Vergnügen für sich. Dieser beißend-zynische, scheinbar unverwüstliche Antiheld funktioniert wie ein schwarzer Adventskalender: Hinter jeder Tür wartet ein bitterböses Bonmot, das einem ein ungehemmtes Grinsen entlockt. Und doch blitzt inmitten der Grobheit immer wieder eine fast zärtliche Fürsorge für seine Leute auf – in einer Form, wie nur Herron sie schreiben kann, ganz ohne Sentimentalität. Die Dynamik innerhalb der Slough-House-Truppe ist in Bad Actors vielleicht so gut wie noch nie: nerdige Besessenheiten, unterschwellige Eitelkeiten, unbeholfene Loyalität – es ist dieses wuchernde, leicht chaotische Geflecht, das der Reihe ihre ganz besondere Farbe gibt. Und während draußen die echten Nachrichten selten besinnlich sind, wirkt Herrons satirischer Blick auf politische Machtspiele fast wie ein Ventil. Man lacht, weil es weh tut, und man lacht, weil man weiß: In dieser Fiktion darf wenigstens Jackson Lamb die Dinge zurechtrücken. Gerade um die Weihnachtszeit entfaltet der Roman einen ganz eigenen Reiz. Vielleicht, weil der moralische Nebel, durch den die Figuren stolpern, so herrlich zu den kurzen Tagen passt. Vielleicht auch, weil Herron so kunstvoll zeigt, dass selbst die schrägsten Existenzen Momente der Menschlichkeit finden – oft unbeabsichtigt, manchmal sogar unfreiwillig. Und vielleicht auch, weil man sich unweigerlich fragt, ob Lamb selbst irgendwo ein vergessener Nikolausstiefel steht, vollgestopft mit kaltem Curry und unangebrachten Kommentaren. Bad Actors ist ein hochspannender, clever gebauter Spionageroman, zugleich ein knochentrockenes Vergnügen und eine warmherzige Erinnerung daran, dass Familie manchmal aus den Leuten besteht, die man sich am wenigsten ausgesucht hätte – und die man trotzdem nicht missen möchte. Das perfekte Dezemberbuch für alle, die in der Adventszeit nicht nur Kerzenlicht, sondern auch klug dosierte Abgründe mögen.
UND WAS NUN?