// aufgelesen vol. 51 – „über nacht ist der frost gekommen“

mit Büchern von Sylvia Plath, Ulf Erdmann Ziegler, Alex Gilvarry und Britta Boerdner. // Gleich zwei Werke mit Erzählungen von Sylvia Plath erscheinen in diesen Tagen bei der „Frankfurter Verlagsanstalt“. „Die Bibel der Träume“ versammelt zwölf Geschichten der einflussreichen Autorin, die sich allesamt um den Zwiespalt zwischen persönlichen Hoffnungen und Träumen und dem tristen Alltag […]

mit Büchern von Sylvia Plath, Ulf Erdmann Ziegler, Alex Gilvarry und Britta Boerdner.

plath2// Gleich zwei Werke mit Erzählungen von Sylvia Plath erscheinen in diesen Tagen bei der „Frankfurter Verlagsanstalt“. „Die Bibel der Träume“ versammelt zwölf Geschichten der einflussreichen Autorin, die sich allesamt um den Zwiespalt zwischen persönlichen Hoffnungen und Träumen und dem tristen Alltag auseinander setzen. Unter anderem ist auch die kurz vor ihrem Tod entstandene Erzählung „Schneeangriff“ in dem Band „Die Bibel der Träume“ enthalten, welche Plath kurz vor ihrem tragischen Selbstmord verfasste.

In gewisser Weise lässt uns die Autorin durch ihre Stories noch einmal an ihrem eigenen Leben teilhaben. Sie selbst litt jahrelang an Depressionen und ist am Ende auch an den Folgen ihrer Krankheit gestorben. Ein Leben nach gängigen, gesellschaftlichen Konventionen schien für sie keine erstrebenswerte Alternative zu sein. Und so wurde die Schriftstellerin, die Zeit ihres Lebens lediglich einen richtigen Roman namensplath1 „Die Glasglocke“ verfasste, nach ihrem Tod zu einer Symbolfigur der Frauenbewegung. In der Geschichtensammlung „Zungen aus Stein“ versucht sie der Beunruhigung Luft zu machen, welche sie gegenüber den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit empfand. Die Geschichten, die allesamt in den Jahren 1949 bis 1962 verfasst worden sind, erzählen davon, wie es sich anfühlt, den absurden Riten des Alltags hoffnungslos ausgeliefert zu sein. Sie erzählen davon, wie hart es ist, seine Träume und Hoffnungen nicht zu verlieren. Sylvia Plath rüttelt an einem mit ihren Worten. Sie begehrt auf, wo andere sich zähneknirschend der Masse unterordnen. Immer getreu dem Motto: „Was ich am meisten fürchte, ist der Tod der Phantasie“. Einfach bewegend, diese Erzählungen.

ziegler// Der Frankfurter Schriftsteller Ulf Erdmann Ziegler, der bereits für seinen Debütroman „Hamburger Hochbahn“ zahlreiche Sympathiebekundungen von Seiten des Publikums und der Presse einheimsen konnte, hat mit „Nichts Weisses“ einen gelungenen Generationen-Roman aus dem Ärmel geschüttelt. Man muss sich nur mal die ersten Zeilen des Werks zu Gemüte führen und schon ist man verzaubert: „Sie schläft, und sie träumt, dass sie schläft. Sie muss nichts tun, und sie kann nichts tun. Es ist nicht auszumachen, ob sie gefesselt ist oder ob sie schwebt…“ wie der Autor hier im luftleeren Raum verharrt, lädt geradezu dazu ein, sich in der Szenerie zu verlieren. Der Leser wird dazu angeregt, die unterschiedlichen Bedeutungsebenen zu durchleuchten und folgt Zieglers Protagonistin Marleen auf ihrem Streifzug durchs Leben. Selbige wiederum schlendert durch Paris, Kassel und Neuss, macht ein Praktikum im Verlagswesen und widmet sich fortan ihrem Faible für Typografie. Ihr Ziel ist es, eine eigene Schrift zu erfinden, dem sie im Rahmen der Erzählung auch Schritt für Schritt näher kommt. Dabei gelingt es dem Autor sehr gut das Aufwachsen eines jungen Menschen in den 80ern zu skizzieren. Er umreißt, welche Vielzahl an Möglichkeiten der Protagonistin offen stehen und wie sie diese weißen Stellen mit etwas von Bedeutung zu füllen versucht.

gilvarry// Werke, die bereits im Titel einen Widerspruch zu thematisieren versuchen, sind meist mit einer gehörigen Portion Humor versehen. Das ist auch beim aktuellen Roman von Alex Gilvarry so. Das Werk mit dem Titel „Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen“ dreht sich um einen Modedesigner namens Boy Hernandez, der sich plötzlich hinter den Mauern Guantánamos wieder findet. Ihm wird vorgeworfen, Anteil an einer islamistischen Verschwörung zu haben – ein durchweg absurder Vorwurf, da der junge Kerl mit Religion eigentlich überhaupt nichts am Hut hat. Gerade erst hat er den Absprung von Manila nach New York geschafft und jetzt das: die Presse nennt ihn einen „Fashion-Terroristen“ und als ob das nicht genug wäre, tritt seine Ex am Broadway in einem Stück namens „Im Bett mit dem Feind“ auf. Boy Hernandez fragt sich währenddessen, wie der Traum vom großen Ruhm nur in einer Gefängniszelle enden konnte. Und Autor Alex Gilvarry gelingt es der grotesken Situation zahlreiche komische Momente abzuringen, bei denen einen immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Gleichzeitig thematisiert er ein dringliches Thema, das zu den dunkelsten Kapiteln der jüngeren amerikanischen Geschichte zählt. „Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen“ ist ein ebenso kühnes wie sonderbares Werk, dem der Drahtseilakt zwischen ernstem Anliegen und humoristischen Momenten über die volle Distanz sehr gut gelingt. Schlicht und ergreifend bemerkenswert, dieses Buch.

boerdner// Die Fuldaer Autorin Britta Boerdner hat nach einigen Kurzgeschichten inzwischen ihren ersten Roman aus dem Ärmel geschüttelt. „Was verborgen bleibt“ erzählt die Geschichte einer Liebesbeziehung, die kurz vor dem Ende steht. Die Protagonistin selbst merkt, dass etwas nicht stimmt in ihrem Leben. Ihr Freund macht immer öfter Überstunden und wenn sie zusammen sind, fühlt sich das Ganze irgendwie nicht richtig an. Also streift sie durch die Straßen der Stadt, um an all den Orten, die einst so bedeutungsvoll für die eigene Beziehung gewesen sind nach den Spuren ihrer Liebe zu suchen. Je mehr sie allerdings die verloren gegangene Intimität zu reanimieren versucht, umso härter trifft sie das reale Leben. Alles, was ihr einst so vertraut schien, fühlt sich auf einmal so fremd an. „Über Nacht ist der Frost gekommen“ heißt es gleich zu Beginn des Buches und dieser Satz gibt die Richtung für das weitere Geschehen vor. Alles um die Suchende herum scheint vereist zu sein. Und es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die Kälte auch von ihrem eigenen Herz Besitz ergreift. Ob es noch Hoffnung gibt? Am besten du findest es selbst heraus. Es lohnt sich, weil es der Autorin gelingt, die Sprachlosigkeit am Ende eines Lebensabschnitts in eine packende Geschichte zu transformieren. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Mal.