// zuckerbeat vol. (4)64 – „emanzipation im wald“

mit neuer Musik von Der Ringer, Klez.e, JaKönigJa, Die Sterne, Rainer von Vielen, Waving The Guns, Norma Jean Martine und Tinariwen. // Norma Jean Martine hat schon reichlich Erfahrung als Komponistin und durfte in der Vergangenheit bereits Arrangements für Ronan Keating und Konsorten aufnehmen. Nun aber will sie es selbst wissen und wirft ein famoses […]

mit neuer Musik von Der Ringer, Klez.e, JaKönigJa, Die Sterne, Rainer von Vielen, Waving The Guns, Norma Jean Martine und Tinariwen.

norma-jean-martine// Norma Jean Martine hat schon reichlich Erfahrung als Komponistin und durfte in der Vergangenheit bereits Arrangements für Ronan Keating und Konsorten aufnehmen. Nun aber will sie es selbst wissen und wirft ein famoses Album namens „Only In My Mind“ in den Ring, mit dem man sich unbedingt etwas genauer auseinander setzen sollte. Die 25jährige zeigt sich dabei nach ihrer EP „Animals“ abermals von ihrer besten Seite und schafft es ihre Zuhörer schon anch wenigen Sekunden um den kleinen Finger zu wickeln. Dass sie eine famose Stimme hat, dürfte sich inzwischen ja bereits herumgesprochen habe, wie sie hier aber einen Balance-Act zwischen legendären Sängerinnen wie Nina Simone und Janis Joplin absolviert, ohne dabei ins Schlingern zu geraten, ist schon bemerkenswert. Stellt sich eigentlich nur die Frage, warum die Künstlerin nur so lange gewartet hat, um im Geschäft der Großen mitzumischen? Wo doch heutzutage viel zu viele austauschbare Acts da draußen herumlaufen und diese Musik hier eine echte Wohltat für die Ohren ist. Wir jedenfalls freuen uns jetzt schon auf Weiteres.

der-ringer// Aus dem Hause Staatsakt wollen wir euch heute gleich zwei tolle Alben vorstellen, die ihr euch unter keinen Umständen entgehen lassen solltet. Unter dem Titel Der Ringer kommt dabei das Debütalbum einer Band in den Handel, die bereits auf einer gemeinsamen Scheibe mit Isolation Berlin für Furore sorgte. Wer allerdings dachte Letztere würden schon überaus chaotisch an die ganze Geschichte herangehen, der sollte sich erstmal das Werk der Hamburger Gruppe zu Gemüte führen. „Soft Kill“ nennt sich die Scheibe der Band, die sich irgendwo zwischen den Polen Joy Division und Bilderbuch einzureihen scheint. Stilistisch jedenfalls hat man sich hier keinerlei Grenzen auferlegt und so klingt die Scheibe auch überaus unmittelbar und direkt. Ist eben ein klassisches Debütalbum, das die „Cyber-Postpunks“ hier abliefern und hat dementsprechend auch jede Menge Ecken und Kanten. Dieser Bastard aus Post-Punk-Klängen und Cloud-Anleihen lebt derweil vor allem vom Überraschungsmoment, der einen immer wieder in einen Sog der Emotionen reißt. Wenn du also mal wieder nach einer echten Herausforderung suchst, die gleichzeitig konsequent die Grenzen des Möglichen auslotet, dann lass dir dieses (im weitesten Sinne) Wave-Album auf keinen Fall durch die Lappen gehen.

kleze// Wenn du es allerdings lieber etwas gediegener magst und noch dazu dem Sound von The Cure nicht abgeneigt gegenüber stehst, dann könnte die neue Platte von Klez.e etwas für dich sein. Die Gruppe macht sich auf „Desintegration“ nämlich daran ihren großen Helden zu huldigen und klingt dabei exakt so, wie sich eine musikalische Zeitreise ins Jahre 1989 anfühlen dürfte. Mit was für einer Hingabe die Band um Tobias Siebert hier zu Werke geht, ist bemerkenswert, vor allem wenn man bedenkt, dass der Funken um diese so famose Gruppe in den vergangenen Jahren ein wenig zu verglimmen schien. Doch nichts da: die Post Punker sind zurück mit einem ganz wunderbaren Indie-Pop-Album, das über die knappe Distanz von 37 Minuten dazu einlädt einfach mal wieder in schönen Erinnerungen zu schwelgen, nur um anschließend in Richtung Tanzfläche zu stiefeln und dort in einer nebulösen Wand zu ertrinken.

jakonigja// JaKönigJa sind im vergangenen Jahr beinahe an uns vorbei gegangen. Dabei gehörte ihr neues Album zu den sicherlich bemerkenswertesten des Jahres. Nachdem seit „Die Seilschaft der Verflixten“ ganze acht Jahre ins Land gestrichen sind, hatte man eigentlich gar nicht mehr mit einem Comeback der Gruppe gerechnet und gerade deshalb zaubert uns „Emanzipation im Wald“ ein breites Grinsen aufs Gesicht. Beim ersten Durchlauf ist man zugegeben erst einmal irritiert von diesem experimentellen Gesamtkunstwerk, aber es ist auch so, dass einen die Platte trotz allem immer wieder dazu einlädt, sie noch einmal von vorne abzuspielen. Irgendwann schließlich packt sie einen dann doch mit ihren luftigen Arrangements, die wirklich anmuten, wie ein ganz privater Ausflug in die grüne Lunge unserer Welt. Mit Mandolinen, Posaunen, Akustik-Gitarren, Piano und Cello im Gepäck beschert uns die Band ein faszinierendes Klangerlebnis, das noch am ehesten an die Klänge eines Tom Zé zu erinnern vermag. Eingestreute Americana-Elemente und die beschwingte Attitüde der Beach Boys tun ihr Übriges, um diese Scheibe hier zu etwas ganz Besonderem zu machen. Wir jedenfalls können allen nur raten, diese von uns vergessene Perle aus dem vergangenen Jahr noch einmal auszuprobieren. Es lohnt sich.

sterne// Was haben wir nicht die Nächte durchgefeiert zu der Musik der „Sterne“. Dass wir damit nicht allein waren, das belegt nun eine gelungene Veröffentlichung eines Tribute-Samplers, auf dem zahlreiche Protagonisten der hiesigen Indie- und Punkrockszene der Band huldigen. Ob Egotronic („Scheiss auf deutsche Texte“), Die Aeronauten („Risikobiografie) oder Die Liga der gwöhnlichen Gentlemen („Widerschein“). Hier hat wirklich jeder seinen Senf beizutragen und die meisten Acts machen das auch außerordentlich gut. Ist ja auch kein Wunder, bei Hits wie „Universal Tellerwäscher“ oder „Wenn dir St. Pauli auf den Geist fällt“: Schade eigentlich nur, dass ausgerechnet „Was hat dich bloß so ruiniert?“ nicht enthalten ist. Dafür dekonstruieren allerdings Isolation Berlin das „Irrlicht“ der Band und das entschädigt einen dann doch. Alles in allem ein wirklich bezaubernder Sampler voller toller Bands, die sich an noch tollere Songs heranwagen.

rainer-von-vielen// Wenn es eine Band verdient hat, endlich den großen Durchbruch zu schaffen, dann sind es sicher Rainer von Vielen. Seit über zehn Jahren ballern sie uns auf ihren Alben einen sympathischen Stil-Mix aus Rock-, Rap- und Popanleihen vor den Latz und wenn man sie erst einmal live auf der Bühne erlebt hat, dann kommt man aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Ihr Bastard-Pop hat einfach etwas Ansteckendes und weiß sowohl auf Rock- wie auch auf HipHop-Festivals zu überzeugen. Die vier Kumpels aus dem Allgäu machen mit „Überall Chaos“ nun einen weiteren Schritt nach vorne und die Zeit scheint reif für diesen kunterbunten Mix, der sowohl Fans von D-Flame und Peter Fox wie auch die Rap-Rock-Fraktion rund um Kraftklub glücklich machen dürfte. Mit „Der grösste Tag“ und „Divan“ sind jedenfalls schon mal zwei Songs auf der Platte drauf, die man sofort aufs diesjährige Festival-Mixtape spielen möchte. Also einfach mal antesten, die Band, du wirst es ganz sicher nicht bereuen.

waving-the-guns// Waving The Guns aus Rostock knallen uns in diesen Tagen ebenfalls ein neues Album vor den Latz. Das via „Audiolith“ erscheinende Werk mag dabei mit einer gesunden Mischung aus Enthusiasmus und Wortwitz zu punkten und schlägt natürlich auch immer wieder sozialkritische Töne an. Getreu dem Motto „Guter Rap gedeiht im Dreck“ macht sich die Band um Milli Dance und Admiral Adonis daran, ihre eigene Nische zu besetzen und so freuen wir uns über knackige Punchlines und jede Menge Oldschool-Beats, die einen so richtig schön nostalgisch werden lassen. Mit „Endlich wird wieder getreten“ und „Zapfhahn“ legt die Scheibe außerdem gleich im ersten Drittel ordentlich vor und schafft es das Niveau auch über die volle Distanz von 13 Songs zu halten. Wenn du also mal wieder nach spannender neuer Rapmusik stehst, die auch gerne mal aneckt, dann lass dir „Eine Hand bricht die andere“ nicht entgehen. Diese Scheibe hier macht einfach nur verdammt viel Spaß.

untitled// Tinariwen haben wir ja schon seit Längerem in unser Herz geschlossen. Die Wüstenrock-Formation aus Mali, die ihren Sound mit weltmusikalischen Anleihen durchsetzt, versetzt einen mit ihrer Musik in einen derartigen Rausch der Emotionen, dass man aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus kommt. Mit „Elwan“ erscheint nun der neueste Wurf des Kollektivs und so viel schon einmal vorneweg: es ist wirklich bemerkenswert, wie vielschichtig und mitreißend diese Platte hier anmutet, wenn man ihr nur ein paar Durchläufe schenkt. Das Album selbst, dessen Titel so viel bedeutet, wie „Die Elefanten“, wurde gezwungener Maßen im Exil eingespielt, da es in ihrer Heimat während der Aufnahmen zu gewaltsamen Unruhen gekommen ist. Sie landeten deshalb irgendwo in der kalifornischen Wüste in Joshua Tree und in M Hamid El Ghizlane, einer kleinen Oase in Marokkos Süden. Dort entstand dieses Werk, dem man vor allem die Sehnsucht nach etwas anmerkt, das es eigentlich schon lange nicht mehr gibt. Wenn du also mal wieder so richtig schön nostalgisch werden möchtest, dann lass dir dieses ebenso atmosphärische wie melancholische Stück Musik nicht entgehen.