// presswerke vol. (2)55 – „everyday magic“

mit der neuen Vinyl-LP von My Morning Jacket. // Es gibt Alben, die hört man und denkt sofort: Genau das habe ich gebraucht. So ging es mir mit „Is“ von My Morning Jacket. Schon beim ersten Aufsetzen der Nadel war da diese eigenartige Mischung aus Vertrautheit und Neugier – als würde man einen alten Freund […]

mit der neuen Vinyl-LP von My Morning Jacket.

// Es gibt Alben, die hört man und denkt sofort: Genau das habe ich gebraucht. So ging es mir mit „Is“ von My Morning Jacket. Schon beim ersten Aufsetzen der Nadel war da diese eigenartige Mischung aus Vertrautheit und Neugier – als würde man einen alten Freund wiedersehen, der sich auf faszinierende Weise weiterentwickelt hat. My Morning Jacket sind für mich schon lange so eine Band, die sich nie hat festlegen lassen – immer zwischen Southern Rock, Indie, Psychedelic und Americana balancierend, ohne jemals beliebig zu wirken. Mit ihrem zehnten Studioalbum gehen sie genau diesen Weg konsequent weiter, und doch fühlt sich „Is“ gleichzeitig wie ein Neuanfang an. Die Zusammenarbeit mit Brendan O’Brien als Produzent ist ein echter Glücksgriff: Der Sound ist unfassbar organisch, lebendig und detailreich. Man merkt einfach, dass hier Menschen mit echter Leidenschaft und Erfahrung zusammen Musik gemacht haben, nicht einfach nur ein weiteres „Produkt“ geschaffen wurde.

Was „Is“ für mich so besonders macht, ist seine enorme atmosphärische Dichte. Jeder Song öffnet eine eigene kleine Welt. Es gibt diese typischen, weit schwingenden Hymnen, bei denen man das Gefühl hat, unter einem endlosen Himmel zu stehen, aber auch leisere, fast intime Momente, in denen man ganz bei sich selbst ist. Jim James’ Stimme schafft es wie kaum eine andere, gleichzeitig verletzlich und kraftvoll zu klingen – mal fast flüsternd, mal voller aufbrausender Emotion. Textlich bewegt sich das Album zwischen sehr persönlichen Reflexionen und einem fast philosophischen Blick auf die Welt. Es geht um Fragen von Identität, Wandel, Hoffnung – große Themen, die hier aber nie verkopft, sondern immer warm und nahbar erzählt werden. Gerade in einer Zeit, die oft so hektisch und zynisch wirkt, fühlt sich „Is“ wie ein Gegenentwurf an: nachdenklich, offen, hoffnungsvoll. Die Vinylpressung selbst ist ein Genuss. Der Klang hat eine Tiefe und Wärme, die im digitalen Format oft verloren geht – man hört wirklich jede Nuance der Produktion: die Dynamik der Drums, die feinen Texturen der Gitarren, das vibrierende Fundament des Basses. Alles klingt klar und ausgewogen, ohne steril zu wirken. Dazu das hochwertige Gatefold-Cover mit seiner liebevollen Gestaltung – allein das Durchblättern und Anfassen macht schon Freude und zeigt, wie viel Wert hier auf das Gesamterlebnis gelegt wurde. Man merkt: Dieses Album ist nicht gemacht, um bloß im Hintergrund zu dudeln. Es lädt dazu ein, sich Zeit zu nehmen, wirklich hinzuhören, sich treiben zu lassen – vielleicht sogar ein bisschen bei sich selbst anzukommen. „Is“ ist keine schnelle Nummer, kein lauter Hit für die Streaming-Charts. Es ist ein Album, das wächst, das sich öffnet, je länger man ihm zuhört. My Morning Jacket beweisen hier einmal mehr, warum sie eine der faszinierendsten Bands unserer Zeit sind: Sie haben den Mut zur Tiefe, zur echten Emotion – und schaffen es, mit jedem Ton zu berühren. Wer Musik liebt, die nicht nur ins Ohr, sondern auch ins Herz geht, sollte sich diese Platte unbedingt gönnen.