mit dem Werk “ Stehlen Schimpfen Spielen“ von Barbi Markovic.

// Ich weiß nicht, wann ich zuletzt ein Buch gelesen habe, das sich so frech, klug und völlig unbeeindruckt von literarischen Konventionen durch meine Gedanken gefräst hat wie „Stehlen, Schimpfen, Spielen“ von Barbi Marković. Es ist kein Buch, das man einfach „wegliest“. Es zwingt einen eher dazu, sich hinzusetzen, die Stirn zu runzeln, zu lachen, sich zu ertappen, sich aufzuregen – und es danach erstmal nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen. Marković nennt sich selbst die „Marie Kondo der Literatur“, und ich glaube, ich verstehe jetzt endlich, was sie damit meint. Jedes Wort, jeder Satz, jeder Gedanke wirkt radikal sortiert, auf das Essenzielle reduziert – aber gleichzeitig sprudelt da ein kreatives Chaos zwischen den Zeilen, das die Texte vibrieren lässt. Es ist dieses ständige Spiel zwischen Ordnung und Auflehnung, zwischen strenger Form und wilder, manchmal zynischer Lust am Überschreiten. Besonders fasziniert hat mich, wie mühelos sie zwischen Schärfe und Spiel hin und her springt.
Ihre Schimpftiraden sind keine wilden Wutausbrüche – sie sind komponiert, rhythmisch, fast musikalisch. Und sie treffen, ohne dass man immer sofort weiß, wo genau. Da wird geschimpft, gezürnt, gezweifelt, aber nicht aus bloßer Pose heraus. Es steckt ein klarer Blick dahinter, auf Gesellschaft, auf Machtverhältnisse, auf Sprache als Waffe – und als Spielzeug. Das Buch ist so verdichtet, so bewusst gesetzt, dass ich oft das Gefühl hatte, beim Lesen doppelt zu denken: erst als Reaktion auf das, was da steht, und dann nochmal als Nachklang auf das, was nicht gesagt wird. Gerade darin liegt seine Stärke. Vieles bleibt offen, angedeutet, herausfordernd. Und manchmal war ich auch schlicht überfordert – aber auf die gute Weise, wie man das bei Kunst manchmal ist, wenn man merkt, dass man da gerade einen Satz gelesen hat, der länger nachhallen wird als erwartet. Was mich an Marković besonders beeindruckt: ihre kompromisslose Haltung. Sie kopiert, stiehlt, zitiert – und macht daraus etwas völlig Eigenes. Dass sie das so offensiv und spielerisch tut, dabei aber immer bewusst, selbstkritisch und mit einem feinen Gespür für Ironie, macht dieses Buch zu einem kleinen Manifest gegen die literarische Selbstzensur. Stehlen, Schimpfen, Spielen ist kein Buch für zwischendurch, kein klassischer Erzähltext, kein autobiografisches Traktat. Es ist ein Buch, das Raum fordert – im Kopf und im Gespräch. Es will nicht gefallen, aber es blitzt, sticht, kratzt, und bringt einen zum Lächeln, während es an den Grundfesten von Originalität und Autorschaft rüttelt. Ich habe selten so etwas Kurzes gelesen, das so viel ausgelöst hat.
UND WAS NUN?