mit der neuen Vinyl-LP von Jeremias.

// Ich weiß noch genau, wie ich „pillen“ das erste Mal gehört habe. Es war Frühling, die Sonne schien, und ich saß mit Kopfhörern am Fenster. Und plötzlich war da dieses Gefühl – als würde jemand den Raum öffnen, als würde man für einen Moment leichter atmen können. Kein Song hat 2025 für mich so klar den Frühling eingeläutet wie dieser. Und mit genau diesem Gefühl hat „Trust“, das neue Album von Jeremias, bei mir eingeschlagen. Nicht mit einem Knall. Sondern mit einer Wärme, die bleibt. Jeremias – das sind Jeremias Heimbach, Oliver Sparkuhle, Jonas Hermann und Ben Hoffmann. Eine Band, die nie laut schreit, aber immer gehört wird. Seit „Von Wind und Anonymität“ war klar: Diese Jungs machen keine Musik für den Algorithmus. Sie machen Musik, die sich traut, ehrlich zu sein. Und „Trust“ bleibt genau dieser Linie treu – vielleicht sogar noch kompromissloser, noch feiner, noch näher an dem, was Pop sein kann, wenn er nicht gefallen will, sondern berühren.
Das Album besteht aus zwölf Tracks, aber es fühlt sich eher an wie ein einziger, sorgfältig komponierter Fluss. Jeder Song ist wie ein Tropfen in einer Erzählung, die sich nicht aufdrängt, sondern Vertrauen voraussetzt – genau wie der Titel es verspricht. Vertrauen in Zwischenmenschliches, in Stille, in Nuancen. Musikalisch heißt das: warme Bässe, detailverliebte Gitarrenlinien, elektronische Texturen, die nie glatt, sondern immer organisch klingen. Kein Effekt zu viel. Kein Autotune-Overkill. Stattdessen: Raum. Luft. Ehrlichkeit. Besonders herausgestochen hat für mich – neben der bereits bekannten Single „Meer“, die sowieso alles hat, was ein Song für lange Autofahrten und kurze Herzmomente braucht – das Stück „Halt mich wach“. Eine fragile Ballade, bei der ich fast den Atem angehalten habe, so sehr trifft sie diesen Knoten zwischen Sehnsucht und Müdigkeit. Aber auch „Nie genug“ ist ein Highlight: treibend, schimmernd, mit einem Refrain, der erst spät kommt und sich dann festsetzt wie ein letzter Blick über die Schulter. Und das Ganze auf dieser wunderschönen, tiefroten 180g-Vinyl – ja, das Gatefold-Cover allein ist schon ein Kunstwerk. Wenn man die Platte aufklappt, diese Textfragmente liest, die Bilder sieht, dann merkt man: Hier hat sich jemand Gedanken gemacht. Nicht einfach ein Release, sondern ein Erlebnis. Das ist keine Platte, die man auflegt, um sie nebenbei durchlaufen zu lassen. Das ist ein Album, das einen Raum für sich braucht. Und verdient. Was mir auch aufgefallen ist: Die Texte auf „Trust“ sind noch gewachsener, reflektierter, aber verlieren dabei nie die poetische Unschärfe, die Jeremias’ Stimme so besonders transportiert. Zeilen wie „Du sagst, du bist okay – aber da ist was in deinem Schweigen“ oder „Wenn alles laut wird, will ich leise bei dir sein“ bleiben hängen, ohne laut zu klopfen. Und genau das ist vielleicht das Schönste an diesem Album: Es flüstert. Aber es hallt lange nach. „Trust“ ist kein Album, das sich beim ersten Hören komplett zeigt. Es wächst. Und plötzlich merkt man, dass man einen bestimmten Song wieder und wieder anmacht – nicht, weil er catchy ist, sondern weil er etwas in einem berührt, das gerade passt. Diese Art von Intimität, von musikalischer Nähe – die gibt’s heute nicht mehr oft. Und sie lässt sich schon gar nicht programmieren. Für mich ist „Trust“ jetzt schon das perfekte Album zur Jahreszeit – musikalisch, klanglich, emotional. Und es zeigt, dass es noch geht: Alben, die von Anfang bis Ende durchdacht, gefühlt, gestaltet sind. Die nicht nur in Sekunden funktionieren, sondern in Stunden, Tagen, vielleicht sogar Jahren.
UND WAS NUN?