mit der Master Edition von „Berserk“.

// Wenn es ein Werk gibt, das mich emotional zerrissen, sprachlos gemacht und gleichzeitig tief beeindruckt hat, dann ist es Berserk von Kentaro Miura. Mit der neuen Master Edition liegt nun eine Veröffentlichung vor, die diesem außergewöhnlichen Manga endlich das physische Format gibt, das er verdient: kunstlederner Einband, schwarzer Farbschnitt, über 700 Seiten in beeindruckendem Look – ein Buch, das nicht nur gelesen, sondern geachtet werden will. Und das aus gutem Grund. Berserk ist kein gewöhnlicher Manga. Es ist ein monumentales Epos, das Dark Fantasy nicht nur geprägt, sondern in vielen Punkten definiert hat – brutal, bildgewaltig, gnadenlos und zugleich zutiefst menschlich. Diese Master Edition enthält die ersten drei Bände, also den Einstieg in eine Geschichte, die sich von düsterer Gewalt langsam in eine vielschichtige Tragödie verwandelt.
Man lernt Guts kennen, einen Mann mit einem übergroßen Schwert und einem noch größeren inneren Abgrund. Was zunächst wie eine klassische Geschichte über einen Söldner beginnt, entwickelt sich schnell zu einem existenziellen Albtraum über Rache, Verrat und das Streben nach Freiheit in einer Welt, in der das Schicksal erbarmungslos zuschlägt. Was Miura hier erschaffen hat, ist kaum in Worte zu fassen. Seine Zeichnungen sind meisterhaft: gestochen scharfe Linien, detailverliebte Rüstungen, monströse Wesen, die sich aus Albträumen zu materialisieren scheinen. Und genau deshalb funktioniert dieses neue Format so gut – endlich sieht man jedes Zackenrad, jede Schweißperle, jede zerschmetterte Knochenstruktur in einer Klarheit, die den Wahnsinn und die Gewalt von Guts’ Welt noch eindrucksvoller einfängt. Die Geschichte von Berserk beginnt mit einem Mann, der von Dämonen gejagt wird – buchstäblich. Guts ist der sogenannte „Schwarzschwert-Ritter“, verflucht, gebrandmarkt, ein Einzelgänger, der fast jede Nacht gegen übernatürliche Wesen kämpfen muss. Doch je weiter man liest, desto klarer wird: Diese Geschichte ist nicht bloß ein Splatterfest. Berserk ist vor allem auch eine tragische Charakterstudie. Es geht um Trauma, um Überleben, um den Preis der eigenen Entscheidungen. Und um eine Freundschaft, die zur bittersten Feindschaft wird, als aus Licht Dunkelheit wird – und aus Hoffnung Wahnsinn. Im weiteren Verlauf des Mangas – der hier mit Band 3 gerade erst ankratzt, was da noch folgt – wird das Universum von Berserk immer größer und komplexer: mittelalterliche Städte, grausame Kriege, philosophische Grundfragen über Gut und Böse, Moral, Religion, Macht, Schicksal. Und dann ist da noch Griffith, eine der faszinierendsten und ambivalentesten Figuren, die je in einem Manga erschaffen wurden – ein Engel mit Dämonenflügeln, wortwörtlich. Wer Berserk kennt, weiß: Die Geschichte wird irgendwann die sogenannte „Goldene Ära“ erreichen – einen Erzählbogen, der für viele Leser*innen zu den emotional intensivsten Momenten zählt, die sie je in einem Manga erlebt haben. Neben dem Manga selbst existieren zahlreiche Erweiterungen und Interpretationen dieses Universums: Es gibt mehrere Anime-Adaptionen (mal mehr, mal weniger gelungen), Soundtracks, Light Novels, Artbooks, Videospiele – sogar Modelkits und Sammlerstatuen. Doch egal, wie sehr das Franchise sich ausgedehnt hat: Das Herz von Berserk ist und bleibt dieser Manga, Miuras Schöpfung, gezeichnet mit unglaublicher Präzision, Liebe zum Detail und einer fast schon quälenden Hingabe. Die Geschichte ist unvollständig geblieben – Kentaro Miura verstarb 2021 überraschend –, doch das Werk lebt weiter. Sein engstes Team, Studio Gaga, arbeitet inzwischen daran, das Epos im Sinne Miuras zu beenden. Ein sensibles Unterfangen, das bisher aber erstaunlich respektvoll und stimmig umgesetzt wurde. Diese Master Edition ist für mich persönlich ein Geschenk – nicht nur, weil sie so hochwertig gestaltet ist, sondern weil sie die Möglichkeit bietet, dieses Werk neu (oder wieder) zu entdecken. Berserk ist nichts für schwache Nerven, das ist klar. Es ist hart, brutal, stellenweise fast unerträglich. Aber es ist auch zutiefst menschlich, schön in seiner Tragik, bedeutungsvoll in seiner Symbolik. Es erzählt davon, wie schwer es ist, ein Mensch zu sein – und warum es sich trotzdem lohnt, weiterzukämpfen. Wenn man Berserk liest, lässt man sich auf einen Albtraum ein – aber einen, aus dem man aufwacht mit dem Gefühl, wirklich etwas erlebt zu haben. Diese Ausgabe ist der beste Einstieg in diese Reise, die vielleicht nie ein wirkliches Ende findet – aber dafür umso mehr Spuren hinterlässt.
UND WAS NUN?