mit dem Werk „My Life As A Serial Killer“ von Joanna Wallace.

// Joanna Wallace hat mit My Life as a Serial Killer ein Debüt hingelegt, das man so schnell nicht vergisst – und vielleicht auch gar nicht vergessen will. Was auf den ersten Blick wie ein makaberer, schwarzhumoriger Thriller wirkt, entpuppt sich beim Lesen als eine verdammt clever erzählte, hochgradig unterhaltsame und überraschend tiefgründige Charakterstudie, die mit den Erwartungen ihres Genres spielt und diese ordentlich gegen die Wand fährt. Im besten Sinne. Die Ich-Erzählerin Claire ist eine Serienmörderin – das steht fest, und daran lässt Wallace von Anfang an keinen Zweifel. Doch sie ist keine eiskalte, kalkulierende Killerin à la Hollywood. Sie ist… nun ja, fast erschreckend normal. Mit einem scharfen Blick für die Absurditäten des Alltags, einem tief sitzenden Groll auf sämtliche Nervensägen der modernen Gesellschaft und einem inneren Monolog, der irgendwo zwischen bitterböser Ironie, stillem Wahnsinn und überraschend nachvollziehbarer Alltagsfrustration oszilliert. Es ist dieser Ton, der das Buch trägt – nicht das Blutvergießen, nicht die Plot-Twists (auch wenn davon einige kommen), sondern Claires ganz eigene Stimme.
Und ja: Man lacht mit ihr. Laut. Oft. Und manchmal schämt man sich fast dafür – weil sie Dinge ausspricht, die man selbst vielleicht nur heimlich denkt. Joanna Wallace gelingt dabei das Kunststück, Claire nicht zur Karikatur oder bloßen Provokation verkommen zu lassen. Sie bleibt ambivalent: witzig, aber nicht sympathisch im klassischen Sinne; brutal, aber nicht ohne Schmerz; souverän, aber nicht unverwundbar. Ihre „Morde“ sind so absurd alltäglich motiviert, dass man sich stellenweise an britischen Humor à la Fleabag oder die zynischen Spitzen von Killing Eve erinnert fühlt – mit einem Hauch Dexter, aber weiblich, wütend und eindeutig am Puls der Zeit. Was das Buch zudem so lesenswert macht, ist die subtile Kritik, die sich unter dem Sarkasmus versteckt. Claire lebt in einer Welt, in der Oberflächlichkeit, Ignoranz und Selbstsucht oft mehr zählen als Empathie oder Tiefe. Ihre mörderischen Aussetzer erscheinen – bei aller moralischen Fragwürdigkeit – fast wie ein pervertierter Befreiungsschlag gegen die Zumutungen des modernen Alltags. Und obwohl man sich immer wieder bewusst macht, dass Claire eine Mörderin ist, ertappt man sich beim Mitfiebern, beim Verstehen, beim – ja – Mögen. Und das ist wahrscheinlich der raffinierteste Trick, den Joanna Wallace ihrem Leser spielt: Sie bringt uns dazu, eine Psychopathin zu mögen. Oder vielleicht einfach nicht loszuwerden. Die Handlung selbst ist temporeich, wendungsreich und mit genau dem richtigen Maß an Spannung erzählt. Es geht nicht nur um Claires „Hobby“, sondern bald auch darum, dass sie selbst ins Visier geraten könnte – von jemandem, der ihre Geheimnisse kennt. Diese Bedrohungsebene verleiht der Geschichte zusätzlich Drive, ohne die Leichtigkeit des Tons zu stören. Wallace weiß genau, wann sie das Tempo anzieht und wann sie ihrer Figur Raum gibt – zum Denken, Erinnern, Pläneschmieden oder eben zum nächsten impulsiven Mord. Was mir besonders gefallen hat, ist, dass das Buch trotz seiner humorvollen Tonlage nie in die reine Klamotte abrutscht. Es bleibt glaubwürdig in seiner eigenen Logik, spielt gekonnt mit schwarzem Humor, ohne geschmacklos zu werden, und schafft es, ernsthafte Themen wie Einsamkeit, gesellschaftliche Entfremdung oder die Frage nach moralischer Verantwortung mit leichter Hand einzubetten. Die Übersetzung von Leena Flegler fängt diesen Ton exzellent ein – flüssig, pointiert, mit einem sehr guten Gefühl für Timing und Sprachwitz. My Life as a Serial Killer ist also mehr als ein launiger Thriller mit Farbschnitt (auch wenn der durchaus hübsch anzusehen ist). Es ist ein intelligentes, rotzfreches, messerscharf formuliertes Buch über eine Frau, die genug hat – und sich nimmt, was sie will. Dass sie dabei über Leichen geht, macht das Ganze moralisch fragwürdig, literarisch aber umso reizvoller. Für alle, die schwarzen Humor mögen, genug von stereotypen True-Crime-Formeln haben und sich nach einer Hauptfigur sehnen, die nicht „nett“, aber dafür einzigartig ist, ist dieses Buch ein absoluter Volltreffer. Und Claire? Die wird man so schnell nicht wieder los.
UND WAS NUN?