mit dem Werk „Heimat“ von Hannah Lühmann.

// Hannah Lühmanns neuer Roman Heimat nimmt ein virales Phänomen auf, das bislang vor allem in den sozialen Medien diskutiert wurde, und überträgt es mit literarischer Schärfe in den Alltag einer deutschen Kleinstadt. Was zunächst wie ein vertrautes Szenario wirkt – eine Familie zieht aus der Stadt aufs Land, auf der Suche nach Ruhe und vielleicht auch nach einer Form von Geborgenheit – kippt schnell ins Unheimliche. Denn hinter der ländlichen Idylle verbirgt sich eine politische und gesellschaftliche Realität, die nicht nur konservativ, sondern reaktionär und gefährlich ist. Im Mittelpunkt steht Jana, die sich nach dem Umzug mit der Nachbarschaft arrangieren muss. Besonders ihre Nachbarin Karolin übt eine eigentümliche Anziehung auf sie aus: modern, charismatisch und zugleich radikal in ihrer Selbstdefinition als „Tradwife“, also als Frau, die Hausfrau und Muttersein zur politischen Mission erhebt. Lühmann gelingt es, diese Figur zugleich faszinierend und abstoßend zu zeichnen.
Die Szenen zwischen Jana und Karolin entwickeln eine beklemmende Dynamik, in der die Leser*innen ebenso wie die Protagonistin immer wieder schwanken zwischen Empörung, Irritation und einem kaum greifbaren Sog. Gerade diese Ambivalenz macht den Roman so spannend. Lühmann zeigt, dass die Gefahr nicht im Offensichtlichen liegt – nicht in plakativen Tiraden oder plumpen Parolen der Rechten –, sondern im Alltäglichen, im Einpassen in ein scheinbar „natürliches“ Lebensmodell. Wie leicht man ins Grübeln gerät, wie schnell Faszination in Neid umschlagen kann, führt Heimat mit subtiler Genauigkeit vor Augen. Dabei bleibt die Sprache nüchtern und präzise, beinahe kühl, was den beklemmenden Effekt noch verstärkt. Ich fand besonders eindrücklich, wie Lühmann es schafft, das Politische im Privaten zu verankern. Es geht nicht nur um Rechtsaußen-Wähler*innen auf dem Land oder um die Tradwife-Szene, sondern um die Frage, wie verletzlich unsere demokratischen Überzeugungen sind, wenn sie im Alltag von Nachbarschaft, Freundschaft oder Begehren herausgefordert werden. Heimat ist ein kurzer, aber hochintensiver Roman, der zum Nachdenken zwingt – nicht nur über den Rechtsruck im Land, sondern unsere Gesellschaft im Allgemeinen.
UND WAS NUN?