mit dem Werk „Fascholand“ von Canberk Koktürk.

// Manche Bücher möchte man am liebsten gleich mehreren Leuten gleichzeitig in die Hand drücken, einfach weil man das Gefühl hat: Das hier müsst ihr alle lesen! Genau so ging es mir mit Canberk Köktürks Fascholand. Köktürk begibt sich auf eine autobiographisch-investigative Reise durch ein Deutschland, das sich selbst gern als „wehrhafte Demokratie“ feiert – und dennoch Risse zeigt, die man nicht mehr übersehen kann. Sein „Sachbuchkrimi“ liest sich wie eine Ermittlungsakte, in der die Anklagepunkte klar sind: Hass, Hetze, Rechtsruck, struktureller Rassismus. Doch statt nüchtern Zahlen aufzuzählen oder rein akademisch zu argumentieren, verbindet er seine eigenen Erfahrungen mit den Stimmen von Betroffenen und den Analysen von Expert*innen.
Das macht die Lektüre nicht nur aufwühlend, sondern auch tief menschlich. Was mich besonders gepackt hat, ist der Ton. Köktürk schreibt, wie andere zuschlagen: direkt, scharf, manchmal sarkastisch, oft mit einem Humor, der einem das Lachen im nächsten Satz gleich wieder im Hals stecken bleibt. Genau dieser Wechsel – zwischen bitterer Realität und ironischer Brechung – macht Fascholand so stark. Ich habe mich beim Lesen oft ertappt, wie ich grinste, nur um Sekunden später eine Gänsehaut zu bekommen. Gleichzeitig hat das Buch ein enormes Tempo. Es ist keine trockene Abhandlung, sondern eher ein atemloser Ritt durch eine Republik, die sich an ihrem Selbstbild festklammert, während die Realität bröckelt. Köktürk sammelt Indizien, er befragt Zeug:innen, er konfrontiert. Und dabei wird klar: Hier schreibt jemand, der nicht von außen beobachtet, sondern mittendrin lebt. Das macht die Dringlichkeit spürbar – für Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. Was Fascholand für mich so wichtig macht: Es ist unbequem, ohne belehrend zu sein. Es hält den Spiegel vor, ohne in Selbstmitleid zu verfallen. Und es zeigt, dass Aufklärung auch unterhaltsam, ja sogar lustvoll sein kann – selbst wenn der Befund düster ausfällt. Ich habe selten ein politisches Sachbuch gelesen, das gleichzeitig so nahbar, so wütend und so witzig ist. Canberk Köktürk hat mit Fascholand nicht nur ein Buch geschrieben, das Deutschland verdient, sondern auch eines, das Deutschland dringend braucht. Ein Text, der schmerzt, weil er so wahr ist – und der trotzdem Spaß macht, weil er so klug erzählt ist. Für mich eines der mutigsten und wichtigsten Bücher dieses Jahres.
UND WAS NUN?